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"Es ist schon besonders zynisch, dass ein Produkt, das hierzulande vor allem an Kinder verkauft wird, nämlich Schokolade, unter prekären Bedingungen von Kindern in Entwicklungsländern hergestellt wird", so Gerhard Riess von der PRO-GE.

Die Opfer der Arbeit

Schwerpunkt

Statt in der Schule zu lernen, müssen noch immer unzählige Kinder und Jugendliche auf dem Feld oder in Fabriken schuften - unter unmenschlichen Bedingungen.

Weltweit sind 150 Mio. Kinder zwischen fünf und 14 Jahren zur Arbeit gezwungen“, so die Schätzungen von UNICEF. Das entspricht fast einem von sechs Kindern in dieser Altersgruppe. Das Kinderhilfswerk terre des hommes geht sogar von 216 Mio. Kindern aus, die jeden Tag arbeiten müssen. Mehr als 115 Mio. davon rackern sich unter gefährlichen und ausbeuterischen Bedingungen für einen Hungerlohn ab. „Sie schleifen Diamanten, schleppen Kakaofrüchte durch die heiße Sonne und knüpfen Teppiche in stickigen Fabriken. Ihren Namen schreiben oder ein Buch lesen können sie nicht“, heißt es bei terre des hommes.

Die Ursprünge

Kinderarbeit ist ein altbekanntes Phänomen, wie Elisabeth Fux in der Diplomarbeit „Kinderarbeit und Schulbesuch“ festhält. Hier ist zu lesen: „Kinderarbeit gibt es seit Menschen existieren, vor allem Haushalt und landwirtschaftliche Produktion waren stets untrennbar mit dem Familienleben verbunden.“ Allerdings sei der Umfang der zugemuteten Arbeit in vorindustrieller Zeit in der Regel so begrenzt gewesen, dass eine Überlastung weitgehend ausgeschlossen war. Schlimmer wurde es im 18. Jahrhundert: Während in der feudalen Gesellschaft Kinderarbeit nur im Rahmen des Familienverbandes auftrat, förderte die merkantilistische Wirtschaftspolitik den gezielten Einsatz von Kindern in der Produktion. Die fortschreitende Industrialisierung führte zu einer weiteren Ausbreitung der Kinderarbeit im 19. Jahrhundert. Fux schreibt: „Durch den Einsatz von Maschinen konnte die Arbeit in einzelne einfache Vorgänge zerlegt werden, für die keine Muskelkraft mehr notwendig war.“ Die Fabriksarbeit wurde dadurch zynischerweise „kinderleicht“. Das führte zu schauerlichen Auswüchsen – ein fünfzehnstündiger Arbeitstag für Minderjährige war keine Seltenheit. Karl Marx greift im „Kapital“ die Geschichte des siebenjährigen Wilhelm Wood auf, der in einer britischen Töpferei schuftete: „Ich arbeite bis neun Uhr abends jeden Tag in der Woche. Das habe ich auch in den letzten sieben bis acht Wochen getan“, wird der Junge zitiert; Arbeitsbeginn war täglich um sechs Uhr morgens.
Sozialreformer wie Marx und Engels sowie die aufkommende Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung trugen maßgeblich dazu bei, dass der Kinderarbeit sukzessive ein Riegel vorgeschoben wurde. Den brutalen Gesetzen des Kapitalismus folgend, führten aber auch die hohe Sterblichkeit unter den ausgebeuteten Kindern und die geringe Lebenserwartung der von früher Jugend an beschäftigten FabriksarbeiterInnen zu Schutzmaßnahmen seitens der Politik und des Unternehmertums selbst.
Zaghafte Ansätze zur Regelung der Kinderarbeit erfolgten in Österreich bereits unter Kaiser Joseph II. (1741–1790); die allgemeine Unterrichtspflicht, die sich damals auf bescheidene sechs Jahre beschränkte, wurde von Maria Theresia 1774 eingeführt. Heute ist Kinderarbeit in Österreich natürlich verboten, was übrigens erst 2011 auch verfassungsrechtlich festgelegt worden ist. So dürfen Kinder bis zum 15. Lebensjahr grundsätzlich nicht zu Arbeiten herangezogen werden. Die Beschäftigung von eigenen Kindern mit „leichten Leistungen von geringer Dauer“ im Haushalt (z. B. Geschirrabwaschen) gilt jedoch nicht als Kinderarbeit. Eine Beschäftigung von Kindern ab dem 13. Lebensjahr außerhalb der Schule ist auch bei Arbeiten in Betrieben, in denen ausschließlich Familienmitglieder des Inhabers beschäftigt sind, erlaubt.

Kinderarbeit auch in Europa

Prinzipiell hat sich also im Zuge der Aufklärung durchgesetzt, dass Kinder eben mehr als „kleine Erwachsene“ sind, vor Ausbeutung geschützt werden müssen und Freiraum für Ausbildung und individuelles Heranreifen benötigen. In der Kinderrechtskonvention der UNO von 1989 wird das Recht des Kindes auf Schutz vor wirtschaftlicher Ausbeutung demnach so definiert: „Kinder, das heißt Menschen vor Vollendung des 18. Lebensjahres, dürfen nicht zu einer Arbeit herangezogen werden, die Gefahren mit sich bringen, die Erziehung des Kindes behindern oder die Gesundheit des Kindes oder seine körperliche, geistige, seelische, sittliche oder soziale Entwicklung schädigen könnte.“
Leider ist die Umsetzung dieser Konventionen auch heute noch keine Selbstverständlichkeit – nicht einmal in Europa: „Da Kinderarbeit in Europa illegal ist, gibt es dazu keine offiziellen Statistiken und es ist schwer, seriöse Zahlen zu nennen. Wir wissen aber, dass es Kinderarbeit in Europa gibt!“, so Sylvia Trsek, die bei UNICEF Österreich für Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist. Als besonders stark betroffene Staaten werden sehr oft Griechenland, Spanien und Portugal genannt. Trsek weiß aus Erfahrung, dass eine Verschlechterung der Wirtschaftslage und die Zunahme von Kinderarbeit positiv korrelieren. „Staatliche Sparpolitik hat sehr häufig Einschnitte bei Familien zur Folge, es besteht also die Gefahr, dass soziale Kürzungen zu mehr Kinderarbeit führen könnten – auch in Europa“, so die UNICEF-Mitarbeiterin.

Gegenmaßnahmen

Hauptsächlich bleibt Kinderarbeit allerdings ein Problem von Entwicklungsländern: So wird von childinfo.org geschätzt, dass in den afrikanischen Staaten Zambia, Niger und Benin mehr als 40 Prozent der Kinder zwischen fünf und 14 Jahren einer regelmäßigen Arbeit nachgehen müssen. In Lateinamerika liegt die Quote in Bolivien mit rund 25 Prozent besonders hoch. Wie kann nun das Ausmaß der Kinderarbeit reduziert werden? Einfach verbieten lässt sie sich leider nicht, weil noch immer viele bitterarme Familien von den Einkommen ihrer Kinder abhängig sind. UNICEF versucht durch Lobbying auf Regierungsebene der betroffenen Staaten für strukturelle Verbesserungen zu sorgen (zum Beispiel Ausbau der Schulbildung). Außerdem erfolgt in Zusammenarbeit mit örtlichen NGOs Aufklärungsarbeit in den Dörfern und Gemeinden, wobei auch Kleinkredite zur Stärkung der regionalen Wirtschaft organisiert werden. „Denn die eigentliche Wurzel von Kinderarbeit lautet Armut“, weiß Trsek.
Ein weiterer Schritt ist die Mobilisierung der Konsumentinnen und Konsumenten in den Industriestaaten. Hier ist nicht zuletzt die österreichische PRO-GE (Produktionsgewerkschaft) sehr aktiv und unterstützt die Kampagne cocoanet.eu. Mit dieser wird auf ausbeuterische Bedingungen in der Kakao- bzw. Schokoladeproduktion aufmerksam gemacht. „Es ist schon besonders zynisch, dass ein Produkt, das hierzulande vor allem an Kinder verkauft wird, nämlich Schokolade, unter prekären Bedingungen von Kindern in Entwicklungsländern hergestellt wird“, so Gerhard Riess von der PRO-GE.

Macht der VerbraucherInnen

Konsumentinnen und Konsumenten haben wiederum die Möglichkeit, auf spezielle Produkt-Gütesiegel zurückzugreifen, zu den bekanntesten zählen: Rainforest Alliance, EU-Gütesiegel, UTZ Certified und Fairtrade. Veronika Polster, Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit bei Fairtrade Österreich, erklärt: „Wir schließen ausbeuterische Kinderarbeit und Zwangsarbeit aus. Anstatt harte Bestrafungsmaßnahmen durchzuführen, die die Kinder und ihre Familien möglicherweise weiter in Armut drängen, besteht das Ziel des fairen Handels aber darin, Hilfe bei der Lösung von Problemen zu leisten.“
Aber nicht nur VerbraucherInnen, sondern auch Investorinnen und Investoren können positiven Einfluss ausüben; in praktisch allen Nachhaltigkeits- und Ethikfonds gilt ausbeuterische Kinderarbeit bereits als Ausschlusskriterium. Das bedeutet, dass Aktiengesellschaften, die in unmenschliche Kinderarbeit involviert sind, von FondsmanagerInnen nicht gekauft werden. „Dadurch entsteht Druck auf Unternehmen, ihre Produktionsbedingungen fairer zu gestalten. Außerdem wirken manche Konzerne auf Regierungen ein, um die rechtlichen Rahmenbedingungen für Kinder zu verbessern“, erklärt Wolfgang Pinner, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des Forums Nachhaltige Geldanlage und Ethik-Experte bei der Erste Sparinvest. „So können falsche Strukturen durch richtige ersetzt werden, auch wenn das nicht von heute auf morgen passiert“, sagt Pinner. Ein Hoffnungsschimmer für Millionen von „kleinen Menschen“, die nicht nur ihrer Kindheit, sondern sehr oft auch ihrer Zukunft beraubt werden.

UNICEF:
www.unicef.at
Netzwerkprojekt Cocoanet:
www.cocoanet.eu
Fair Trade in Österreich:
www.fairtrade.at
Kinderrechte in Österreich:
www.kinderrechte.gv.at

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