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Gerechtere Steuern, gerechtere Arbeit Der Schwerpunkt liegt aber in der Schaffung besserer Rahmenbedingungen für die ArbeitnehmerInnen: mehr Rechte, mehr Geld, gesündere Arbeit.

Gerechtere Steuern, gerechtere Arbeit

Schwerpunkt

Der ÖGB-Bundeskongress beschließt das Arbeitsprogramm der nächsten fünf Jahre.

Sieben Gewerkschaften, fünf Jahre, ein Forderungsprogramm – das ist eine der Herausforderungen des ÖGB-Bundeskongresses, der ab 18. Juni 2013 tagen wird. Der ÖGB-Bundesvorstand hat dafür einen Leitantrag beschlossen und diesen den Kongressdelegierten zur Diskussion vorgelegt. Das Ziel: ein Arbeits- und Forderungsprogramm, um die Situation der ArbeitnehmerInnen in Österreich weiter zu verbessern.

Vier Säulen für Gerechtigkeit

„Unsere Mission: Gerechtigkeit“ lautet das Motto des Bundeskongresses. Die vier Säulen, die für den ÖGB Gerechtigkeit ausmachen, sind Verteilungsgerechtigkeit, soziale Sicherheit, Chancengleichheit und Mitbestimmung. Sie ziehen sich durch alle Kapitel des Antrags: Im Bildungskapitel geht es um gerechten Zugang zur Bildung auf allen Ebenen, bei der Gesundheit um eine Absage an die Zweiklassenmedizin und im Bereich der Pensionen um die faire Absicherung des Lebensstandards im Alter.
Der Schwerpunkt liegt aber in der Schaffung besserer Rahmenbedingungen für die ArbeitnehmerInnen: mehr Rechte, mehr Geld, gesündere Arbeit. Das beginnt bei den Arbeitsverträgen, die natürlich nicht wie andere Verträge auf der freien Vereinbarung zwischen zwei Vertragsparteien beruhen dürfen, weil die ArbeitgeberInnen die stärkere Verhandlungsposition haben als die Arbeitsuchenden. Wir wollen, dass die ArbeitnehmerInnen noch stärker geschützt werden, und zwar durch das Verbot von bestimmten Vertragsklauseln, die die Rechte der ArbeiterInnen und Angestellten aushöhlen.
Zum Beispiel sollen Konkurrenzklauseln gänzlich verboten werden, weil sie in der Praxis oft auf ein Berufsverbot hinauslaufen. All-in-Verträge sollen nur für Führungskräfte möglich sein, die Rückforderung von Ausbildungskosten darf nur noch eingeschränkt möglich sein. Es besteht besonderer Handlungsbedarf, weil viele Klauseln, die früher dem Management vorbehalten waren, immer mehr Eingang in Verträge von ganz normalen Angestellten und zunehmend auch von Arbeiterinnen und Arbeitern gefunden haben. Eine aktuelle AK-Befragung bestätigt das: 85,7 Prozent der Befragten geben an, dass sie zumindest eine aus einer Liste von bestimmten unfairen Klauseln in ihren Verträgen haben.

Problemfeld Arbeitszeit

Auch abseits von All-in-Verträgen und Pauschalen sind die ArbeitgeberInnen gut im Anordnen von Überstunden – im Bezahlen hingegen nicht immer. Die unbezahlten Überstunden entsprechen 60.000 Arbeitsplätzen. Laut Statistik Austria wurde jede fünfte von Beschäftigten geleistete Überstunde 2011 von den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern nicht entlohnt. Für genau 22 Prozent der von ihnen geleisteten Mehrarbeit haben die ArbeitnehmerInnen also weder einen Geldzuschlag noch einen Zeitausgleich erhalten, 2011 wurden in Summe von den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern 66,9 Mio. Mehr- bzw. Überstunden nicht abgegolten.
Die tatsächliche Arbeitszeit muss daher besser kontrolliert werden – und für die ArbeitgeberInnen muss es teurer werden, wenn sie Überstunden nicht bezahlen. Derzeit können sie damit kalkulieren, dass sie im für sie schlimmsten Fall die Ansprüche der ArbeitnehmerInnen nachzahlen müssen. Der Leitantrag sieht hingegen vor, dass sich die Ansprüche der um ihre Arbeitszeit bestohlenen ArbeitnehmerInnen verdoppeln – und schon würde sich das organisierte Nicht-Bezahlen von Arbeitszeit nicht mehr rentieren.

Ein Euro pro Überstunde

Aber nicht nur die unbezahlten, sondern auch die bezahlten Überstunden müssen reduziert werden, denn weniger Überstunden bedeuten mehr Arbeitsplätze, also gerechtere Verteilung der vorhandenen Arbeit. Nach wie vor werden mehr als 300 Mio. bezahlte Überstunden jährlich in Österreich geleistet – gleichzeitig haben 366.277 Menschen gar keinen Job. Wenn keine Überstunden mehr gemacht werden, würden 180.000 Vollzeitarbeitsplätze geschaffen. Der ÖGB sieht daher eine Abgabe von einem Euro pro Überstunde vor, die die ArbeitgeberInnen zu bezahlen hätten. Das Geld soll zur Hälfte in die aktive Arbeitsmarktpolitik investiert werden. Die andere Hälfte muss der Gesundheitspolitik zugutekommen, weil überlanges Arbeiten krank macht. Wo viele Überstunden verlangt werden, steigen auch die Krankenstände, und die Menschen müssen früher in Pension gehen. Dass hierzulande zu lange gearbeitet wird, ist ein Faktum: Erst unlängst hat Eurostat den Österreicherinnen und Österreichern die zweithöchste Wochenarbeitszeit in der EU bescheinigt.

Gerechtigkeit auch im Geldbörsel

Nicht nur pro Woche sollten wir weniger arbeiten, sondern auch pro Jahr. Die sechste Urlaubswoche, theoretisch längst herrschendes Recht für lang dienende Beschäftigte, kann in der Praxis nur noch von wenigen erreicht werden. Denn die ArbeitnehmerInnen werden, wie von der Wirtschaft ständig gefordert, immer flexibler und bleiben nicht 25 Jahre in ein und demselben Unternehmen. Das ist aber die Voraussetzung für den erhöhten Urlaubsanspruch. Die logische Konsequenz: Die sechste Urlaubswoche muss durch zeitgemäße Gesetze für alle ArbeitnehmerInnen erreichbar sein – auch in Saisonbranchen wie dem Tourismus, wo die allerwenigsten durchgehend ein Jahr beschäftigt sind, geschweige denn 25.
Gerechtigkeit muss aber auch direkt im Geldbörsel spürbar werden: höhere Löhne durch gerechtere Steuern, also weniger Steuern auf Arbeit, aber mehr auf Vermögen. Österreich liegt bei der Besteuerung von Vermögen auf einem der letzten Plätze in der OECD, internationale Spitzenwerte liegen dafür bei der Besteuerung der Einkommen knapp über dem steuerlichen Existenzminimum vor. Diese NiedrigverdienerInnen brauchen am dringendsten eine Entlastung; im Gegenzug müssen eine Vermögenssteuer ab einem Reinvermögen (also abzüglich Schulden) von 700.000 Euro sowie eine Erbschafts- und Schenkungssteuer eingeführt werden. Außerdem soll das Steuersystem ökologisiert werden; Mehrkosten durch Energiesteuern müssen den sozial Schwächeren aber ausgeglichen werden.
Gerechtere Steuern dürfen an Österreichs Grenzen nicht Halt machen. Eine europäische Steuerpolitik mit einheitlichen Mindeststeuersätzen auf Unternehmenssteuern ist überfällig, weil sonst die ArbeitnehmerInnen mit ihren Lohn- und Umsatzsteuern die ganze Rechnung bezahlen müssen.
Ungerecht bezahlt werden auch Frauen im Vergleich zu Männern. Der Gender Pay Gap ist in Österreich EU-weit am zweitgrößten. Nur in Tschechien sind die Unterschiede noch größer. Der Leitantrag verlangt daher Maßnahmen zum Schließen der Einkommensschere, z. B. bessere Anrechnung von Vordienstzeiten, Anrechnung von Karenzzeiten auf dienstzeitenbezogene Ansprüche, öffentliche Aufträge nur für Firmen mit Frauenförderplänen, Verbesserungen bei den Einkommensberichten, aber auch das Naheliegendste: höhere Kollektivvertrags-Einkommen.

Sach- statt Geldleistungen

Sachleistungen statt Geldleistungen lautet der rote Faden durch die ÖGB-Vorschläge zur Familienpolitik. Die Ziele: bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, stärkere Einbindung der Väter. Mit Sachleistungen, vor allem Kinderbildungseinrichtungen mit österreichweit einheitlichen Standards und Öffnungszeiten, geht das besser als mit finanziellen Direktzahlungen an die Eltern. Denn wenn die Kinder betreut sind, können Mütter schneller zurück ins Erwerbsleben – und natürlich entstehen auch direkt in den Kinderbildungseinrichtungen Arbeitsplätze. Für Väter fordert der ÖGB das Recht auf einen bezahlten Papamonat.

„Grundlage der Demokratie“

Das alles kann man so zusammenfassen: Wir brauchen einen starken Sozialstaat, und wir werden nicht zulassen, dass er aufgrund europaweiter Kürzungsprogramme immer stärker unter Druck kommt, denn gerade in der Krise haben soziale Ausgleichsmaßnahmen dafür gesorgt, dass die Schere zwischen Arm und Reich nicht noch weiter auseinandergedrückt wurde. Und wie ÖGB-Gründer Johann Böhm gesagt hat: „Die soziale Sicherheit ist die Grundlage der Demokratie.“

Den Leitantrag zum 18. ÖGB-Bundeskongress gibt es als Download auf: www.bundeskongress.at

Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor bernhard.achitz@oegb.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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