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Steuererhöhungen gut verkauft "Don’t tax you, don’t tax me, tax the fellow behind the tree."

Steuererhöhungen gut verkauft

Schwerpunkt

"Reichensteuer" oder "Bonzensteuer" - die WählerInnen akzeptieren ein Mehr an Steuern, wenn sie wissen, welche Maßnahmen damit verknüpft sind.

Russell Long, der ehemalige Vorsitzende des Finanzausschusses des US-Parlaments, brachte einst die Einstellung des/der Durchschnitts-merikaners/-amerikanerin zur Steuerpolitik so auf den Punkt: „Don’t tax you, don’t tax me, tax the fellow behind the tree.“ Doch selbst dieser imaginäre Typ hinter dem Baum wurde nur allzu oft in Schutz genommen. Vor allem dann, wenn es sich um einen reichen Unternehmer oder einen erfolgreichen Manager handelte. Schließlich haben sich die ja mit großem Fleiß etwas erarbeitet und zum Wohlstand aller beigetragen …

Reichensteuer in Kalifornien

„Ich würde das Regierungsbudget sofort verkleinern, wenn ich auch (Anm.: den Einfluss von) General Motors, der Bank of America und all dieser unmoralischen Unternehmen verkleinern könnte, die unter einem undemokratischen Code operieren, ohne Seele und ohne Gewissen“ (Jerry Brown, Gouverneur von Kalifornien, zitiert im Wall Street Journal).
Kalifornien 2012: Eine klare Mehrheit der Wahlberechtigten des südwestlichen Bundesstaates stimmte für eine Reichensteuer, die Mehreinnahmen von sechs Milliarden US-Dollar pro Jahr bringt. Vielen Kommentatorinnen und Kommentatoren führender US-Medien blieb in Folge der Mund offen vor lauter Erstaunen hinsichtlich dieses höchst wundersamen Ereignisses. Gouverneur Jerry Brown hatte offenbar eine Methode gefunden, trotz heftigstem Gegenwind von Opposition, Medien und Wirtschaftslobbys, die kalifornischen WählerInnen zu überzeugen, dass Steuererhöhungen durchaus sinnvoll sein können.

Mehr Steuern – bessere Schulen

Jerry Brown hatte 2010 nach dem Rückzug Arnold Schwarzeneggers das Amt des Gouverneurs von Kalifornien zurückerobert, welches der energische Vietnamkriegs- und Todesstrafengegner bereits in den 1970er-Jahren bekleidet hatte. Dabei hatte man Brown bereits vor gut zwei Jahrzehnten politisch abgeschrieben, als er die demokratischen Präsidentschafts-Vorwahlen gegen Bill Clinton verloren hatte. Die Notwendigkeit einer Volksabstimmung ergab sich aus dem hohen Quorum, das für eine Änderung der Steuergesetze im kalifornischen Parlament notwendig ist, nämlich eine Zweidrittelmehrheit.
Der Vorschlag der kalifornischen Regierung sah neben einer moderaten Umsatzsteuererhöhung vor, dass jeder/jede, der/die über umgerechnet 190.000 Euro im Jahr verdient, ein Prozent bis drei Prozent mehr Einkommenssteuer zahlen muss. Gouverneur Brown verknüpfte den Vorschlag mit einem eindeutigen Alternativszenario. Sollte es keine Mehrheit für die Steuererhöhungen im Ausmaß von sechs Milliarden US-Dollar geben, dann würde die Regierung im selben Ausmaß Sozialleistungen kürzen, hauptsächlich im Bildungsbereich. Vor allem Schulstunden würden gestrichen sowie die Budgets der öffentlichen Schulen drastisch reduziert werden.
Die Verknüpfung mit dem populären öffentlichen Schulsystem brachte die nötige Mehrheit für die Steuererhöhungen. Vielen an sich taxophoben Angehörigen der kalifornischen Mittelschicht war die langfristige Absicherung des Bildungssystems dann im Zweifel doch wichtiger als ihre Skepsis gegenüber Steuererhöhungen jedweder Art.

Taxophobe SchweizerInnen

Schweiz 2013: Die Züricher Jungsozialisten bringen am 7. Juni mit ihrer Volksinitiative zur „Bonzensteuer“ eine stärkere Besteuerung von Vermögenden zur Abstimmung. Dabei soll die bestehende kantonale Vermögenssteuer um bis zu 50 Prozent angehoben werden. Die meisten Kommentatorinnen und Kommentatoren sind sich darin einig, dass die „Bonzensteuer“ vom Wahlvolk klar zurückgewiesen werden wird.
Die Gründe dafür sind vielfältig. Zum einen wird der Begriff „Bonzensteuer“ von vielen Schweizerinnen und Schweizern als zu polemisch abgelehnt. Schließlich geht es bei einem Mehr an Steuergerechtigkeit um einen stärkeren Beitrag aller Besserverdienenden. Nicht alle Besserverdienenden sind jedoch Bonzen oder SpitzenmanagerInnen, die ihr Geld mit skrupellosen Methoden angehäuft haben. Ist jemand, der eine größere Erbschaft gemacht hat, gleich ein „Bonze“? Nein, aber seinen/ihren Beitrag leisten muss diese Person trotzdem.
Das zweite Problem der Schweizer Initiative ist die relativ beliebige Aufzählung von Maßnahmen, die durch die Vermögenssteuer in Zürich finanziert werden sollen. Dabei ist nicht immer klar nachvollziehbar, ob sie wirklich aus den Mehreinnahmen abgedeckt werden sollen oder ob es sich nur um unverbindliche Vorschläge handelt. So wird eine Verbesserung des Bildungswesens ebenso gefordert wie eine allgemeine Lohnsteuersenkung, eine Senkung der Krankenkassenbeiträge oder „faire Löhne“. Daneben werden in der Analyse auch noch die Studiengebühren sowie der Pflegenotstand beklagt. Klar ist, dass nur ein kleiner Teil dieser Sozialreformen durch die Mehreinnahmen abgedeckt werden könnte.

Morgenröte in W-Kanada

Am 14. Mai wählten die EinwohnerInnen der westkanadischen Provinz British Columbia ein neues Parlament. Die sozialdemokratische NDP unter Adrian Dix ging zwar nicht als Siegerin der Wahl hervor, wurde aber mit fast 40 Prozent der Stimmen zur „official opposition“. Eine Tatsache, die jetzt für sich allein genommen nicht außergewöhnlich ist, stellen die kanadischen Sozialdemokratinnen und -demokraten doch in den Provinzen Nova Scotia und Manitoba sogar die jeweilige Provinzregierung bzw. fungieren sie bereits im Bundesparlament in Ottawa als zweitstärkste Kraft im Lande.
Das absolute Novum an der Mai-Wahl ist jedoch, dass eine Partei, die mit einem riesigen Paket an Steuererhöhungen bzw. der ehrlichen Ansage, in den nächsten Jahren kein ausgeglichenes Budget anzustreben, um die WählerInnengunst buhlte, 40 Prozent überzeugen konnte.
Immerhin hatte die NDP ganz offen angekündigt, im Falle der Regierungsübernahme sowohl die Körperschaftssteuer und die CO2-Steuer als auch den Einkommenssteuerspitzensatz anzuheben sowie eine Bankenabgabe einzuführen. Insgesamt wurden zwei Milliarden CAN-Dollar an jährlichen Mehreinnahmen veranschlagt. Umso beeindruckender ist das Ergebnis, wenn man sich vergegenwärtigt, dass die ebenfalls mit einer klar sozialreformerischen Agenda angetretenen Grünen zusätzlich acht Prozent der Stimmen lukrieren konnten. Hätte British Columbia kein Mehrheitswahlrecht, das den Liberalen mit 44 Prozent der Stimmen die absolute Mandatsmehrheit brachte, gäbe es jetzt eine rot-grüne Koalition!

Verwendung von Mehreinnahmen

Es gelang der kanadischen Sozialdemokratie, mit einem ausgefeilten Detailprogramm ganz genau darzulegen, wie die Mehreinnahmen zu verwenden seien. So sollten etwa die Kosten für Kinderbetreuungseinrichtungen exakt um 20 Prozent gesenkt werden, exakt 1.500 neue Wohneinheiten pro Jahr für Niedrigeinkommensfamilien und PensionistInnen errichtet sowie alle Mindestlöhne an die Inflation gekoppelt werden.
Ein Paket mit Steuererhöhungen kann offenbar, verknüpft mit einem nachvollziehbaren, konkreten Mittelverwendungskatalog, unter bestimmten Umständen beim Wahlvolk erfolgreich sein.

Lehren für Österreich

Was wir hier in Österreich aus diesen Erfahrungen lernen können, liegt auf der Hand. Durch geschickte Verknüpfung von Steuererhöhungen mit populären sozialen Leistungen kann ein Teil des notorischen Anti-Steuer-Lagers zum Seitenwechsel bewogen werden. Voraussetzung dafür ist, dass die Maßnahmen, die mit den Steuererhöhungen finanziert werden sollen, klar abgegrenzt werden, populär sind und einen breiten Teil der Bevölkerung erfassen oder zumindest in der Zukunft erfassen könnten. Während die Vorurteile gegenüber Leistungen zum Erhalt des sozialen Minimums wie zum Beispiel der Grundsicherung hierzulande genauso wie in Nordamerika leider sehr groß sind, könnten andere Sozialleistungen, wie Finanzierung von Pflege und Betreuung, oder die Verbesserung des öffentlichen Gesundheitswesens erfolgreich mit einer Steuererhöhung verknüpft werden.

Initiative Bonzensteuer:
www.juso.org/bonzensteuer

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