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Aus-, Ein- und Umsteigen Eine Straßenbahn zu lenken ist wahrlich kein Kinderspiel - leer wiegt sie rund 45 Tonnen, eine ULF-Garnitur (Ultra Low Floor) bietet 300 Menschen Platz.

Aus-, Ein- und Umsteigen

Schwerpunkt

Das Berufsleben ist schon lange keine geradlinige Strecke mehr Richtung Pension - Spartenwechsel, Unterbrechungen und Arbeitslosigkeit gehören dazu.

Vor Dienstbeginn verbringt Alexa Heschl noch etwas Zeit im Pausenraum der Wiener-Linien-Ablösestelle in Wien-Favoriten. Heschl, 28, ist seit drei Jahren Straßenbahnfahrerin. Ihr Arbeitsplatz sind die zusammengehörenden Bahnhöfe Favoriten und Simmering mit den Straßenbahnlinien 1, 6, O, D, 18, 67 und 71.

Umstieg

Im Lehrberuf hat Heschl drei Jahre lang Zahntechnikerin gelernt und mit 20 die Freude an diesem Beruf verloren. Sie sattelte um und wurde Verkäuferin für Parfums in einer Drogerie-Kette: „Das mag wie ein Abstieg aussehen, aber der Beruf als Zahntechnikerin hat mir keine Freude mehr gemacht und als Verkäuferin zu arbeiten hat mich mit anderen Menschen zusammengebracht“, erzählt Heschl. Doch fünf Jahre Parfumverkauf waren genug. „Ich war nie arbeitslos. Es war für mich immer wichtig, dass ich mein Geld verdiene und ich habe immer das Glück gehabt, dass ich genommen wurde.“ Eine Freundin erzählte Heschl vom waff. Der Wiener ArbeitnehmerInnen Förderungsfonds wirkt in Kooperation mit dem AMS Wien und anderen Einrichtungen. Zahlreiche Projekte, die Wiener ArbeitnehmerInnen bei ihrer beruflichen Weiterentwicklung unterstützen, werden gefördert. Unterstützt werden u. a. Jugendliche, Beschäftigte, Arbeitslose und MindestsicherungsbezieherInnen.
„Ich habe mir die Website vom waff im Internet angeschaut, Straßenbahnfahrerin eingegeben und das Formular ausgefüllt. Denn die Straßenbahn hat mich schon als Kleinkind interessiert.“ Wer den Beruf ergreifen will, muss mindestens 21 Jahre alt sein – Alexa Heschl war gerade 25. „Schon am nächsten Tag hat mich die Dame vom waff angerufen und ich bin hingefahren und habe die Bewerbung abgegeben.“
Auch die Wiener Linien reagierten schnell, von Erdberg kam die Einladung zum Aufnahmetest. Der findet am Computer statt, u. a. muss ein Deutsch- und ein Reaktionstest absolviert werden. Heschl bestand. „In der dreimonatigen Ausbildungszeit haben zwei Leute den Hut drauf gehauen, weil ihnen die Verkehrssituation zu viel wurde. Für mich war es überhaupt kein Problem.“
Über einen Zeitraum von 15 Tagen fahren die Straßenbahn-FahrschülerInnen mit FahrlehrerInnen und Fahrgästen durch Wien: „Nur die erste Zeit am Ring war durch die Reisebusse und Touristen eine Herausforderung.“ Eine Straßenbahn zu lenken ist wahrlich kein Kinderspiel – leer wiegt sie rund 45 Tonnen, eine ULF-Garnitur (Ultra Low Floor) bietet 300 Menschen Platz. „Du musst die Straßenbahn erst einmal einbremsen können“, weiß Heschel, die 21 Fahr- und 17 Bremsstufen handhaben muss und zwischen sechseinhalb und neun Stunden die Bim durch Wien lenkt. „Jemand, der das ohne Training versucht, würde nicht weit kommen. Es ist ja nicht nur das Fahren und Bremsen. Man muss auch das Netz kennen, sonst würde man sich verfahren.“ In den Abend- und Nachtstunden bevorzugt Heschl den Niederflurwagen, genau wie ihre Kolleginnen und Kollegen. Die integrierte Fahrerkabine bietet Schutz vor tätlichen Übergriffen und auch vor verbalen Entgleisungen: „Wir diskutieren oft darüber.“
Heschl hat 350 Kolleginnen und Kollegen, die zu Favoriten und Simmering gehören. Zwar nimmt der Frauenanteil zu, doch die Männer sind noch in der großen Mehrheit. Mit ihren männlichen Kollegen hat Alexa Heschl kein Problem: „Bei unserem Bahnhof kann ich sagen, als Frauen werden wir mit Respekt behandelt.“ Die passionierte Öffi-Fahrerin besaß während ihrer Ausbildungszeit noch gar keinen Führerschein, den hat Heschl vor zwei Jahren nachgeholt – wenn sie bisweilen erst nach Mitternacht ihren Dienst beendet, fährt sie mit dem Auto heim nach Kagran. „Meine Familie ist stolz auf mich. Was ich mir vornehme, das mache ich auch“, erklärt Heschl. „Und meinen Job mache ich wirklich sehr gerne. Sicherlich gibt es auch anstrengende Tage, wenn etwa die Weichen vereist sind.“

Einstieg

Ibrahim Akkus ist vor ein paar Wochen erst 16 Jahre alt geworden. Der ehemalige HTL-Schüler ist in Yozgat in Mittelanatolien geboren, mit eineinhalb Jahren nach Wien gekommen und hat hier den Kindergarten besucht. Die Schule lag ihm nicht, Ibrahim musste wegen schlechter Noten wiederholen und brach die HTL vergangenes Jahr ab. „Die Schule habe ich nicht mehr gemocht und in den Sommerferien nach einer Lehrstelle als Maurer oder Installateur gesucht“, erzählt der Jugendliche. Ibrahim hat rund 20 Bewerbungen geschrieben, ohne Erfolg. Heuer im Februar ist er zum AMS gegangen und hat dort nach einer Lehrstelle gefragt.
Nun kann Ibrahim Akkus das Maurerhandwerk bei Jugend am Werk austesten – kürzlich hat ihn die STRABAG zu einem Bewerbungstest eingeladen. Ob er bestanden hat, das weiß Ibrahim noch nicht. „Es ging um Allgemeinwissen und Mathematik, und ich glaube, in Mathe war ich nicht so gut“, fürchtet er sich.
Er würde gerne bei der STRABAG als Maurer lernen und arbeiten – so wie auch sein Vater. „Ich war dort im Sommer schon eine Woche lang schnuppern und das hat mir sehr gefallen. Man kann draußen arbeiten und verdient gut.“ Ibrahim lernt derweil in Floridsdorf – gemauert und Zement gemischt wird aber noch in einer Halle. Die Zeit bis Februar war für Ibrahim nicht leicht. Seine Freunde gehen zur Schule und er war daheim, fürs Ausgehen fehlte das Geld.

Aufstieg

Jugend am Werk unterstützt, begleitet und fördert junge Menschen, bietet ihnen eine sogenannte überbetriebliche Lehrausbildung an. Rund 1.400 Jugendliche, die am „freien Lehrstellenmarkt“ in Wien keinen Platz gefunden haben, werden pro Jahr ausgebildet. Sie können einen Beruf erlernen und werden dabei auch durch Coaches in der Entwicklung ihrer sozialen Kompetenzen unterstützt. Das Lehrangebot reicht von dem/der bautechnischen ZeichnerIn über GärtnerIn bis zum/zur TischlerIn. Auf Wunsch können die Lehrlinge im Rahmen der Aktion „Lehre mit Matura“ die Berufsreifeprüfung kostenlos und parallel zur Lehre ablegen.

Ausstieg

Anna K.* ist gelernte Buchhändlerin, Alleinerzieherin eines Mädchens und eines Buben im Alter von 13 und neun Jahren. Die 45-Jährige wollte ihren Beruf nach vielen Jahren nicht länger ausüben, kündigte, fing eine Ausbildung als Sozialberaterin an und erkrankte wenige Monate später an Brustkrebs. Zwar hat sie ihre zweijährige Ausbildung inzwischen abgeschlossen, doch Praxis und teure Supervisionsstunden fehlen.
Im Sozialbereich werden zumeist Leute mit Erfahrung aufgenommen, außerdem sind sehr viel jüngere Leute mit besserer Ausbildung auf der Suche nach einem Job. Der Krebs war nach einer Operation überstanden, ihm folgte eine Depression. Anna K. war krankgeschrieben und dann erneut beim AMS, langzeitarbeitslos, Notstandhilfebezieherin und weitgehend ohne Perspektive.
Laut AMS werden in Österreich Personen, die über 365 Tage arbeitslos gemeldet sind, als Langzeitarbeitslose gezählt. Unterbrechungen bis 28 Tage (zum Beispiel durch kurze Schulungen, Krankenstand oder kurze Beschäftigungsepisoden) werden nicht als „Neubeginn“ der Arbeitslosigkeit gerechnet. Arbeitslosengeld wird grundsätzlich für 20 Wochen zuerkannt. Unter bestimmten Voraussetzungen erhöht sich die Dauer ab dem 40. Lebensjahr. Danach kann Notstandshilfe beantragt werden.
Anna K. hatte insgesamt vier Jahre keine Arbeit. „Ich war lange am Boden und habe nicht mehr geglaubt, dass ich noch einmal in einen Beruf zurückkehren kann.“ Auch für ihre Kinder war es nicht immer leicht, die Mama oft schlecht gelaunt zu sehen. Das Geld, das schon als Buchhändlerin nicht so üppig geflossen ist, wurde zudem immer knapper. Schließlich buchte die AMS-Beraterin Anna K. in mehrere Schulungen. Das intensive Jobcoaching hat Anna K. wieder etwas Selbstvertrauen gegeben. Sie hat nicht aufgegeben – ihre Kinder gehen mittlerweile in Ganztagsschulen und Anna K. hat wieder mit Büchern zu tun, doch nun im Rahmen eines sozialen Projekts. Sie soll Leute anleiten Bücher zu lesen. Eine Arbeit, in der sie ihre beiden Berufe vereinen kann – den als Sozialberaterin und den als Buchhändlerin.

* Name von der Redaktion geändert.

Links:
Wiener ArbeitnehmerInnen Förderungsfonds:
www.waff.at
Jugend am Werk:
www.jaw.at

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin sophia.fielhauer@chello.at
oder die Redaktion
aw@oegb.at

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