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Niedriglohnbranchen sind weiblich Während in beiden Branchen Frauen deutlich dominieren, sind sie in Führungspositionen nur selten vertreten: Lediglich vier Prozent der Frauen im Tourismus sind Führungskräfte, aber 13 Prozent ihrer männlichen Kollegen.

Niedriglohnbranchen sind weiblich

Schwerpunkt

Geringes Einkommen, familienfeindliche Arbeitszeiten und kaum berufliche Entwicklungsmöglichkeiten - ein Frauenschicksal.

Österreich weist einen der höchsten Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern in Europa auf. Das hängt neben anderen wichtigen Faktoren (ungleiche Verteilung bezahlter und unbezahlter Arbeit, niedrigere Einstiegsgehälter, deutlich geringere Karrieremöglichkeiten von Frauen, …) auch mit der hohen Konzentration von Frauen im Niedriglohnbereich zusammen. Rund ein Viertel aller beschäftigten Frauen in Österreich sind Niedriglohnverdienerinnen. Und dabei ist der niedrigere Verdienst durch Teilzeit noch gar nicht berücksichtigt; mittlerweile arbeiten 44 Prozent aller Frauen in Teilzeit.
Was eine Beschäftigung in diesem Bereich bedeutet, soll nun am Beispiel der zwei wichtigsten Niedriglohnbranchen, Handel und Tourismus, dargestellt werden. Allein in diesen zwei Branchen arbeitet ein Viertel aller unselbstständig beschäftigten Frauen, der größte Anteil entfällt auf den Handel. Trotz der Unterschiede zwischen den beiden Branchen zeigen sich sehr ähnliche Problemfelder. Vieles davon trifft auch auf die drittwichtigste frauendominierte Niedriglohnbranche, das Reinigungsgewerbe, zu.

Nicht genug zum Leben

Sowohl im Tourismus als auch im Handel (die Angaben beziehen sich auf den Einzelhandel) sind niedrige Stundenlöhne und ein hoher Teilzeitanteil – mit überdurchschnittlichen Anteilen von geringfügiger Beschäftigung – Ursachen dafür, dass eine existenzsichernde Beschäftigung für Frauen nicht die Regel ist. So gibt rund die Hälfte der dort beschäftigten Frauen an, ohne finanzielle Unterstützung durch Partner oder Familienangehörige, zu einem deutlich geringeren Teil auch durch Transferleistungen, ihren Lebensunterhalt nicht bestreiten zu können. Das spiegeln auch die geringen durchschnittlichen monatlichen Nettoverdienste wider: Frauen im Handel (insgesamt, nicht nur Einzelhandel) verdienen im Median 1.200 Euro und im Tourismus 1.000 Euro (Statistik Austria 2010, nicht arbeitszeitbereinigt)1. Wenig verwunderlich, schätzen die dort beschäftigten Frauen die Absicherung im Alter deutlich schlechter ein als unselbstständig beschäftigte Frauen insgesamt.  Aber auch die Arbeitsbedingungen und beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten sind oft wenig zufriedenstellend.

Weiterbildung weniger nutzbar

Die Unterschiede zwischen Hilfskräften und Fachkräften mit Lehrabschluss im Handel oder im Tourismus sind marginal bis gar nicht vorhanden, sowohl was die Tätigkeiten als auch die Entlohnung betrifft. Der geringe Wert, der Ausbildung beigemessen wird, zeigt sich zudem darin, dass Lehrlinge oft als billige Hilfskräfte missbraucht werden. Die sehr engen, stark berufsspezifisch ausgerichteten Ausbildungsprofile bieten wenig Anknüpfungspunkte, um in Berufsbereichen außerhalb der Branche – außer als Hilfskraft – Fuß zu fassen. Angesichts der hohen Fluktuation in diesen Branchen ist das ein Nachteil für die dort beschäftigten Frauen. Denn nicht nur in der Saisonbranche Tourismus sind Jobwechsel häufig, sondern auch im Handel ist die Arbeitsplatzsicherheit insbesondere in großen Handelsunternehmen gering.
Außerdem sind betriebliche Weiterbildungsangebote für Frauen in diesen Branchen wenig nutzbar. Es gibt kaum (zeitlich) adäquate Angebote und diese werden viel stärker von männlichen Kollegen in Anspruch genommen. Frauen sind daher mit den Weiterbildungsangeboten im Vergleich zu den Männern weit unzufriedener.

Männer in Führungspositionen

Eindeutig negativ – aber durchaus realistisch – schätzen die dort beschäftigten Frauen auch die Aufstiegsmöglichkeiten ein. Während in beiden Branchen Frauen deutlich dominieren, sind sie in Führungspositionen nur selten vertreten: Lediglich vier Prozent der Frauen im Tourismus sind Führungskräfte, aber 13 Prozent ihrer männlichen Kollegen. Ähnlich auch die Situation im Handel (Einzelhandel): Nur sechs Prozent der Frauen, aber 16 Prozent der Männer sind in einer Führungsposition.
In beiden Branchen gibt es viele Frauen mit Migrationshintergrund, die es noch schwerer haben: Sie sind seltener entsprechend ihrer Qualifikation eingesetzt und auch bei den beruflichen Aufstiegsmöglichkeiten benachteiligt. Sprachkompetenzen werden zwar in diesen Tätigkeiten selbstverständlich beruflich genutzt, zumeist allerdings ohne dass es sich im Entgelt niederschlägt.

Familienfeindliche Arbeitszeiten

Vereinbarkeit wird auch in diesen Branchen als wichtigster Grund für Teilzeitarbeit von Frauen genannt. Allerdings sind Arbeitszeiten üblich, die wenig familienfreundlich sind. Gut mit Kindergarten und Schule vereinbare Vormittagsjobs sind gerade für Teilzeitbeschäftigte in Tourismus und Handel nicht die Regel. Es dominieren Arbeitszeiten, die außerhalb der klassischen Tagesarbeitszeiten liegen, an den Tagesrändern, an Wochenenden, nicht selten verbunden mit (kurzfristig) wechselnden Arbeitszeiten. Für einen Teil der Tourismusbeschäftigten gehört auch Nachtarbeit ab 22 Uhr zur Normalität ihres Berufslebens.
Die gängige Gleichsetzung von Teilzeit und guten Vereinbarkeitsmöglichkeiten zwischen Betreuungspflichten und Erwerbsarbeit trifft hier auf eine Arbeitsrealität, die oft weit davon entfernt ist. Teilzeitarbeitsverhältnisse, die keinen Gestaltungsspielraum ermöglichen, zusätzlich in vielen Fällen vom Arbeitgeber einseitig angeordnet werden, etwa durch wechselnde Arbeitszeitlagen, stellen Frauen häufig vor mehr Herausforderungen, Erwerbstätigkeit und Kinderbetreuung unter einen Hut zu bringen, als eine Vollzeitbeschäftigung zu den üblichen Tagesarbeitszeiten, die mit den Öffnungszeiten der Betreuungseinrichtungen zusammenpassen. Lage und Planbarkeit der Arbeitszeiten seitens der Beschäftigten sind Faktoren, die für die Vereinbarkeit mindestens ebenso wichtig sind wie das Ausmaß der Arbeitszeit.
Teilzeit erweist sich auch oft als Sackgasse, nicht nur weil Teilzeitbeschäftigte deutlich weniger in Weiterbildungen eingebunden sind und kaum Aufstiegsmöglichkeiten haben, sondern weil sich Umstiegsmöglichkeiten auf mehr Stunden und Vollzeit in der Regel als schwierig erweisen. Ausdruck davon ist, dass mittlerweile im Handel bereits mehr Teilzeitbeschäftigte in Vollzeit wechseln wollen als umgekehrt. Ein Arbeitgeberwechsel bleibt häufig die einzige Möglichkeit, um zu einer Vollzeitbeschäftigung zu kommen, denn erst diese ermöglicht in vielen Fällen eine existenzsichernde Beschäftigung.
Dazu kommt noch, dass Beschäftigte oft um ihre gearbeiteten Stunden „umfallen“, weil die Stunden nicht korrekt abgerechnet werden und Mehr- und Überstunden nur zum Teil entgolten werden. Davon dürften insbesondere geringfügig Beschäftigte stark betroffen sein. Es zeigt sich in beiden Branchen, dass die Mehrheit mehr – oft auch deutlich mehr – Stunden wöchentlich arbeitet als im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung möglich ist.
Ansatzpunkte zur Verbesserung der Einkommens- und Berufsperspektiven von Frauen in diesen Branchen gibt es viele, allein wenig passiert auf betrieblicher Ebene: angefangen von Ausbildungsprofilen in der Lehrausbildung, die stärker in Richtung von Flächenberufen gehen sollen, über stärkere Mitbestimmungsmöglichkeiten bei der Arbeitszeit (insbesondere auch Richtung Erhöhung der Arbeitszeit) bis zu einem Ausbau der Weiterbildungsaktivitäten, mit dem Ziel einer aktiven gleichberechtigten Einbindung von Frauen in Weiterbildung und Führungskräfteaufbau.

Arbeitsmarktpolitische Angebote

Umso wichtiger sind arbeitsmarktpolitische Angebote, die speziell Beschäftigten in diesen Branchen neue berufliche Möglichkeiten eröffnen können. Hier gibt es neue innovative Projekte des Arbeitsmarktservice, wie die Frauenberufszentren des AMS oder die modulartig aufgebauten Kompetenz-mit-System-Angebote, die besonders auch Frauen, die oft von Jobwechsel betroffen sind, Qualifikationsmöglichkeiten bieten. Wichtig wären zudem Beratungsangebote speziell für im Niedriglohnsektor beschäftigte Frauen und Teilzeitbeschäftigte mit dem Ziel der Verbesserung der beruflichen Situation.

1 Inklusive dem anteiligen Urlaubs- und Weihnachtsgeld, Abgeltungen für Überstunden bzw. Mehrstunden sowie Boni und Vergütungen (regelmäßige Fahrtkostenzuschüsse, Trinkgeld und Provisionszahlungen etc.)

"Tourismus in Österreich“als PDF downloadbar unter: tinyurl.com/d6k2tls
Studie zu Beschäftigung im Handel unter: tinyurl.com/dycyl34

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin gerlinde.hauer@akwien.at
oder die Redaktion aw@oegb.at

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