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Wehren wir uns Arbeitszeiten wurden in GR, ES und PT verlängert: neben der Streichung von vier nationalen Feiertagen in PT kam es in den beiden anderen Ländern zu einer Anhebung der wöchentlichen Arbeitszeit für öffentlich Bedienstete (um je 2,5 Stunden/Woche).

Wehren wir uns

Schwerpunkt

Im Gefolge der Sparpolitiken kommt es in der EU zu immer mehr Veränderungen von Arbeitsbeziehungen und Arbeitsrecht.

Die Abteilungen EU-Internationales und Sozialpolitik der AK Wien haben 2012 eine Studie zu den Folgewirkungen der Sparpolitiken im Gefolge der Finanzkrise auf die Arbeitsbeziehungen und das Arbeitsrecht in Auftrag gegeben. Untersucht wurden dabei die Spar- und Strukturmaßnahmen in elf Ländern: Großbritannien (GB), Irland (IE), Ungarn (HU), Rumänien (RO), Estland (EE), Litauen (LT) und Lettland (LV) sowie Griechenland (GR), Italien (IT), Portugal (PT) und Spanien (ES). Viele dieser Länder sind von der Finanzkrise massiv betroffen und die in diesem Zusammenhang ergriffenen Maßnahmen haben langfristig negative Folgewirkungen für breite Bevölkerungsschichten.

Arbeitszeiten wurden verlängert

Neben einem teils tief greifenden Beschäftigungsabbau im öffentlichen Dienst sowie Eingriffen in Löhne und Kollektivvertragssysteme wurden in den untersuchten Ländern vor allem Arbeitszeitregelungen geändert, atypische Beschäftigungsverhältnisse gefördert und ArbeitnehmerInnenrechte eingeschränkt.
Arbeitszeiten wurden in GR, ES und PT verlängert: neben der Streichung von vier nationalen Feiertagen in PT kam es in den beiden anderen Ländern zu einer Anhebung der wöchentlichen Arbeitszeit für öffentlich Bedienstete (um je 2,5 Stunden/Woche). Die Flexibilisierung der Arbeitszeit erfolgte durch die Einführung bzw. Verlängerung von Durchrechnungszeiträumen (ES, GR, HU, LT, RO), die Ausweitung von Überstundenlimits (LT, HU) sowie die Einführung und Ausweitung von Arbeitszeitkonten (PT, RO). Für die Beschäftigten ist damit vor allem ein Verlust von Überstundenzuschlägen verbunden. In den meisten Ländern wird zudem die Ausweitung atypischer Beschäftigungsverhältnisse forciert – mit der Konsequenz der Verstetigung der Sorge um den Arbeitsplatz und die Sicherung der Existenz für die Betroffenen. In EE, LT, GR, RO und PT wurden die Regeln für die befristete Beschäftigung gelockert: so wurde etwa in PT die maximale Länge einer befristeten Beschäftigung von sechs auf 36 Monate, in GR und RO von 24 auf 36 Monate erhöht.
Zu den atypischen Beschäftigungsformen zählt auch die Leiharbeit. In RO und GR wurden sämtliche Restriktionen hinsichtlich des Einsatzes von LeiharbeitnehmerInnen beseitigt. In PT wurde auch der öffentliche Dienst für die Leiharbeit geöffnet. Eine Einschränkung von ArbeitnehmerInnenrechten bedeutet die Einführung neuer Arbeitsverträge mit geringeren Beschäftigungsstandards in GR (für unter 25-Jährige) und in ES (für unter 30-Jährige). Auf dieser Basis können junge Menschen in GR für zwei Jahre und zu einem Lohn beschäftigt werden, der nur 80 Prozent des Mindestlohnes entspricht. Die davon Betroffenen sind gleichzeitig nicht arbeitslosenversichert, während im Gegenzug den Arbeitgebern die Sozialversicherungsbeiträge erlassen wurden. Eine andere Form der Verstärkung von Unsicherheiten am Arbeitsmarkt stellt die teils drastische Verlängerung von Probezeiten in EE, GR und RO dar. Die griechischen Gewerkschaften haben gegen die Verlängerung der Probezeit von zwei auf zwölf Monate vor dem Europarat geklagt und von diesem Recht bekommen: er stellte fest, dass diese Regelung der Europäischen Sozialcharta widerspricht.
Auch im Bereich des Kündigungsschutzes sind einschneidende Änderungen implementiert worden. Ziel ist, individuelle Kündigungen wie auch Massenentlassungen für die Arbeitgeber formal einfacher und finanziell günstiger zu gestalten. Dazu zählen Maßnahmen zur Aufweichung des Kündigungsschutzes für bestimmte Gruppen von Beschäftigten, wie etwa öffentlich Bedienstete (GR), schwangere Frauen (EE) und GewerkschafterInnen (EE, HU, RO), sowie zur Verkürzung von Kündigungsfristen (GR, ES). Darüber hinaus wurden Massenentlassungen formal erleichtert (EE, ES, GR, RO) und gleichzeitig Abfertigungszahlungen verringert (ES, EE, GR, PT). In einigen Ländern wurde die Definition dessen, was eine gerechtfertigte Kündigung ist, ausgeweitet und – umgekehrt – die Definition von ungerechtfertigten Kündigungen eingeschränkt. Während also einerseits individuelle und kollektive Kündigungen für die ArbeitgeberInnen leichter gemacht werden, wird es andererseits für die Beschäftigten schwieriger, sich gegen Kündigungen zu wehren. Dies geschieht in erster Linie durch den erschwerten Zugang zu Gerichtsverfahren. So muss man in GB zwei Jahre – statt bisher ein Jahr – beschäftigt sein, um gegen eine Kündigung überhaupt klagen zu können. Laut Schätzungen ersparen sich die Arbeitgeber in GB dadurch 4,7 Mio. Pfund pro Jahr. Zudem wurden die Strafen bei ungerechtfertigten Kündigungen (GB, HU) reduziert und das Recht auf Wiedereinstellung im Falle einer ungerechtfertigten Kündigung (ES, IT, RO) wurde aufgeweicht bzw. abgeschafft. Hand in Hand damit gehen Lohnkürzungen und weitreichende Eingriffe in die Arbeitsbeziehungen in den jeweiligen Ländern.

Lohnkürzungen im öffentlichen Dienst

Außer in GB kam es in allen untersuchten Staaten in den vergangenen Jahren zu Lohnkürzungen im öffentlichen Dienst. Das Ausmaß der Lohnkürzungen beträgt in GR, RO, HU und LV zwischen 15 Prozent und 30 Prozent. In GR und IE wurden auch die Mindestlöhne in der Privatwirtschaft gekürzt, in ES, PT, RO und LV wurden sie eingefroren – mit der Folge von Reallohnverlusten. Im Hinblick auf die Kollektivvertragssysteme in den einzelnen Ländern finden einschneidende Eingriffe auf mehreren Ebenen statt: es erfolgt eine Dezentralisierung von KV-Systemen, unter anderem durch die Abschaffung bzw. Aussetzung nationaler Kollektivverträge (IE, RO), die Abschaffung des Günstigkeitsprinzips (GR, ES) und die Zulassung von Ausnahmen und Abweichungen (IT). Auch die Stärkung von nicht-gewerkschaftlichen Vertretungen auf betrieblicher Ebene zulasten der Gewerkschaften (GR, HU, PT) fällt in diesen Maßnahmenbereich. Zudem sind in RO strengere Repräsentationskriterien für Gewerkschaften eingeführt worden. Die Schwächung von KV-Systemen erfolgt auch über die Aussetzung/Reduzierung von Allgemeinverbindlichkeitserklärungen (GR, HU, PT, RO), die Limitierung der Nachwirkungen von Kollektivverträgen (EE, ES, GR) und die Einschränkung von Schlichtungsverfahren. Darüber hinaus wurden geltende Kollektivverträge ausgesetzt (GR) und die Dauer von Kollektivverträgen wurde limitiert (GR, RO).
Deregulierung und Flexibilisierung der Arbeitsmärkte sowie die Eingriffe in die Arbeitsbeziehungen, die vor allem in den krisengeschüttelten Ländern auch auf massiven Druck der „Troika“ (bestehend aus Europäischer Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds) durchgeführt werden, ziehen eine Reihe von langfristig negativen Implikationen nach sich. Dabei werden viele der Maßnahmen nicht direkt budgetwirksam, laufen allerdings darauf hinaus, die Position von Beschäftigten, arbeitslosen Menschen und Gewerkschaften zu schwä
chen. Wie aus einem aktuellen Bericht der Europäischen Kommission (DG ECFIN 2012, Labour Market Developments in Europe 2012, S. 103 f.) hervorgeht, ist dies auch dezidiertes Ziel der europäischen Krisenintervention: Abbau des Kündigungsschutzes, Dezentralisierung der Kollektivvertragsverhandlungen, Aufhebung des Günstigkeitsprinzips, Reduzierung der Tarifbindung und eine allgemeine Schwächung der Verhandlungsmacht der Gewerkschaften. Eine besonders prekäre Folgewirkung ist der Anstieg der Arbeitslosigkeit. Im Jänner 2013 waren in der EU-27 rund 26,2 Mio. Menschen arbeitslos. Besonders die Arbeitslosigkeit von jungen Menschen hat sich dramatisch zugespitzt und stieg in GR und ES auf über 55 Prozent!

Widerstand ist notwendig

Angesichts dieser Entwicklungen ist Widerstand der europäischen Gewerkschaften dringend erforderlich. Der Europäische Gewerkschaftsbund warnte anlässlich des Treffens von Europäischem Rat, Kommission, EZB und den Europäischen Sozialpartnern Anfang März 2013 im Rahmen des Makroökonomischen Dialogs vor den Folgen dieses Sparkurses und forderte einen Kurswechsel hin zu einer Politik, in deren Zentrum Investitionen, Arbeitsplätze und Wachstum stehen.

Die Langfassung der Studie zum Download:
tinyurl.com/crxoqm8

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin ursula.filipic@akwien.at 
oder die Redaktion
aw@oegb.at

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