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Luxus Pflege? Manches kann man sich einfach nicht aussuchen, etwa ob man sich von einem Schlaganfall wieder erholt oder noch lange Zeit Pflege benötigt. In letzterem Fall kann es durchaus passieren, ...

Luxus Pflege?

Schwerpunkt

2030 wird jeder/jede neunte ÖsterreicherIn über 75 sein, ein Teil pflegebedürftig. Es gilt, rechtzeitig vorzusorgen - durch entsprechende politische Maßnahmen.

Auch wenn manche 80-Jährige noch Marathons laufen oder die Welt bereisen, angesichts der permanent steigenden SeniorInnenquote steht schon heute fest, dass der Anteil all jener, die Pflege und Unterstützung im Alltag brauchen, in den nächsten Jahren weiter zunehmen wird. Die Frage lautet nicht nur, wer das dann übernehmen soll bzw. will, sondern auch, wie diese Pflege finanziert werden kann. Manches kann man sich einfach nicht aussuchen, etwa ob man sich von einem Schlaganfall im 76. Lebensjahr wieder fast völlig erholt oder danach noch lange Zeit Pflege benötigt. In letzterem Fall ist es durchaus möglich, dass vorhandenes Vermögen zur Finanzierung der Pflege herangezogen wird. Das mühsam Ersparte wird dann ganz schnell weniger. Pech für eventuelle Kinder und andere Erbberechtigte – außer diesen wurde das Vermögen oder ein Teil davon vielleicht schon vorher überschrieben. Pech wiederum, wenn dies alles in Kärnten oder der Steiermark passiert. Dort gibt es seit ca. einem Jahr wieder den Angehörigen-Regress.

Vorgezogene Erbschaftssteuer

Als vorgezogene Erbschaftssteuer, die nur bei Pflegebedürftigkeit eingehoben werde, bezeichnet Bernhard Achitz den Angehörigen-Regress. Der leitende Sekretär des ÖGB sieht keine Alternative zur Steuerfinanzierung des Pflegesystems: „Nur so kann verhindert werden, dass immer mehr Menschen in private Pflegeversicherungen mit Prämienaufschlägen für RisikopatientInnen abwandern – was automatisch zu einer Zwei-Klassen-Versorgung führen würde.“

Pflegefonds bis 2016 gesichert

Die Finanzierung des 2011 eingerichteten Pflegefonds ist bis 2016 gesichert. Der Fonds soll Zuschüsse von insgesamt rund 1,3 Mrd. Euro an die Länder zur teilweisen Abdeckung des Aufwands für die Sicherung sowie für den bedarfsgerechten Aus- und Aufbau des Betreuungs- und Pflegedienstleistungsangebotes in der Langzeitpflege verteilen. Die Mittel werden zu zwei Dritteln vom Bund und zu einem Drittel von den Ländern und Gemeinden aufgebracht. Mit dem Pflegefonds sollen in den Bereichen der (teil-)stationären und mobilen Betreuungs- und Pflegeeinrichtungen sowie in der Kurzzeitpflege, aber auch bei alternativen Wohnformen und im Case- und Caremanagement langfristige Sicherungs-, Auf- und Ausbaumaßnahmen durchgeführt werden. Durch die Einrichtung einer österreichweiten Pflegedienstleistungsdatenbank und -statistik sollen Transparenz und Vergleichbarkeit gewährleistet, aber ebenso bedarfsgerechte Planungen möglich werden. Die Länder sind verpflichtet, alljährlich dem Sozialministerium entsprechende Daten, Analysen und Pläne vorzulegen.
Allgemein herrscht Einigkeit darüber, dass die Kosten für Pflege und Betreuung weiter steigen werden. Nicht zuletzt durch die verstärkte Erwerbstätigkeit von Frauen, die steigende Anzahl von Singlehaushalten sowie die zunehmende Mobilität am Arbeitsmarkt (was auch größere geografische Distanzen zwischen den Familienmitgliedern bedeutet) ist eine vermehrte Nachfrage nach professionellen sozialen Diensten zu erwarten. Das Sozialministerium prognostiziert bis 2020 einen Mehrbedarf von 6.500 Pflegekräften im stationären und 6.400 Personen im mobilen Bereich. Willibald Steinkellner, stv. vida-Vorsitzender: „Wir rechnen bis dahin mit zusätzlichen Kosten von rund zwei Milliarden Euro für Pflege- und Betreuungsvorsorge. Daher haben wir gemeinsam mit der GPA-djp ein langfristiges und solidarisches Finanzierungsmodell entwickelt: Eine Milliarde sollte aus Vermögenssteuern, 450 Millionen aus der wieder einzuführenden Erbschaftssteuer kommen, der Rest aus zweckgewidmeten Lenkungssteuern sowie aus Steuern auf Stiftungen und besonders hohe Einkommen.“

Gezwungen, den Beruf aufzugeben

Abgesehen von der Finanzierung besteht aber auch in einigen anderen Bereichen dringender Handlungsbedarf. Denn derzeit werden noch 80 Prozent der Pflegearbeit innerhalb der Familie und überwiegend von Frauen erbracht. Achitz: „Viele Frauen sind praktisch gezwungen, ihren Beruf aufzugeben, wenn sie mit einem Pflegefall in der Familie konfrontiert sind. Aus diesem Grund fordert der ÖGB einen Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit für jene Menschen, die vorübergehend einen nahen Angehörigen pflegen müssen.“
Das WU-Forschungsinstitut für Altersökonomie hat in einem Forschungsprojekt rund 900 Erwerbstätige in Wien mit und ohne Betreuungsverpflichtungen für pflegebedürftige alternde Angehörige befragt. Es stellte sich heraus, dass erwerbstätige pflegende Angehörige zum Teil produktiver als ihre Kolleginnen und Kollegen arbeiten – solange sich die Belastungen in Grenzen halten. Das könnte damit erklärt werden, dass informelle Pflege organisatorische Fähigkeiten, Selbstmanagement und das Vertrauen in die eigenen Kompetenzen erhöht. Auch hier könnten von Maßnahmen für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie alle Beteiligten profitieren.

Pflegende inhomogene Gruppe

Allerdings sollten pflegende Angehörige nicht einfach als homogene Gruppe betrachtet werden, die Auswertungen nach Geschlecht etwa ergaben ein differenziertes Bild. Bei zeitlich hoher Beanspruchung durch die Pflege denken Frauen, aber nicht pflegende Männer, dass sie den Arbeitsplatz binnen zwei Jahren wechseln werden. Flexible Arbeitszeiten erhöhen also die Bindung von Frauen an ihren Arbeitsplatz. Im Gegensatz dazu zeigte die Studie, dass pflegende Männer, die die Situation körperlich besonders anstrengend empfinden, damit rechnen, in den folgenden zwei Jahren ganz aus dem Arbeitsmarkt auszusteigen.
Pflegearbeit kann krank machen – das wissen nicht nur pflegende Angehörige, sondern besonders all jene, die in Betreuung und Pflege beruflich tätig sind. Laut Österreichischem Arbeitsgesundheitsmonitor der AK Oberösterreich sind Pflegekräfte zwar mit Berufssituation und Einkommen zufriedener als durchschnittliche ArbeitnehmerInnen, aber überdurchschnittlich viele finden es sehr unwahrscheinlich, den Beruf bis zur Pensionierung ausüben zu können. Zu den körperlichen Anstrengungen kommt die fast durchwegs alltägliche Überschreitung der vereinbarten Arbeitszeiten.
In der 24-Stunden-Betreuung zu Hause sind derzeit vorwiegend selbstständige PersonenbetreuerInnen tätig, die über Agenturen vermittelt und von den KlientInnen bezahlt werden. In der Regel handelt es sich dabei um Scheinselbstständigkeit, denn es besteht eine persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit der BetreuerInnen. Um den vor rund zwei Jahren eingeführten Gewerbeschein als PersonenbetreuerIn zu erhalten, ist im Übrigen keinerlei Qualifikation erforderlich. Durch diese Möglichkeit wurde die Situation für die meist aus ehemaligen Ostblockländern kommenden BetreuerInnen zwar verbessert, zufrieden ist damit aber fast niemand.

Forderungen

Zusammengefasst ergeben sich folgende Forderungen:

  •  Anstellung der PersonenbetreuerInnen in entsprechenden Trägerorganisationen und entsprechende Ausbildung,
  •  leistungsgerechte Bezahlung für Pflegepersonal,
  •  alternsgerechte Gestaltung von Arbeitsplätzen im Bereich Pflege und Betreuung,
  •  verbindliche Qualitätskriterien in der Ausbildung,
  •  Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit für Pflegende,
  •  Valorisierung des Pflegegeldes,
  •  besserer Informationsfluss sowohl zwischen den einzelnen Organisationen/Institutionen als auch zu den Betroffenen und deren Angehörigen.

„Wege aus der Krise“

Die Initiative „Wege aus der Krise“ hat für 2013 ein sozial gerechtes und nachhaltiges Zivilgesellschaftliches Zukunftsbudget erarbeitet. Darin werden auch Investitionen zur Verbesserung der Pflege berücksichtigt. Maßnahmen wie Valorisierung bzw. Erhöhung des Pflegegeldes, Anpassung der Einkommen von Pflegekräften, verbesserte Ausbildung, Ausbau mobiler Pflege werden darin mit 332 Mio. Euro budgetiert. Gleichzeitig wurde ein positiver Beschäftigungseffekt im Wert von sieben Mrd. Euro errechnet.

Mehr Infos unter:
www.wege-aus-der-krise.at

Forschungsinstitut für Altersökonomie:
www.wu.ac.at/altersoekonomie

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