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Symbolbild zum Bericht Das sozialphilosophische Fundament des Neoliberalismus besteht in einem radikalen Individualismus, den Menschen als soziales Wesen gibt es nicht. Margaret Thatcher bringt es auf den Punkt: "There is no such thing as society."

Hayek - der wirkungsmächtige Neoliberale

Schwerpunkt

Der Österreicher erhielt 1974 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften.

Friedrich August von Hayek wird 1899 in Wien geboren. Seine wissenschaftlichen und politischen Aktivitäten entfalten sich in Wechselwirkung zur gesellschaftlichen Entwicklung im 20. Jahrhundert. So wird sein lebenslanges Interesse an der Rolle des Geldes durch die Hyperinflation mit-geprägt: Nach Kriegsdienst und Jus-Studium steigt Hayeks erstes Gehalt in wenigen Monaten von 5.000 auf 1,000.000 Kronen.

Steuerbare Ökonomie

Die Verstaatlichungen in der jungen Sowjetunion lenken Hayeks Interesse auf sein zweites „Lebensthema“: die Steuerbarkeit eines ökonomischen Systems. Sein wichtigster Förderer Ludwig von Mises argumentiert, dass eine zentrale Planbehörde das Problem, was wie für wen produziert werden soll, nicht einmal näherungsweise lösen könne. Eine Marktwirtschaft bringe hingegen durch die Bildung von Preisen laufend neue Signale über Angebot und Nachfrage in Umlauf.

Mises gründet 1927 das Österreichische Institut für Konjunkturforschung (heute WIFO), Hayek wird sein erster Direktor. Monatlich berichtet er über die Wirtschaftsentwicklung, daneben arbeitet er an seiner Konjunkturtheorie: Übersteigerte Geldschöpfung der Notenbanken und ein (daher) zu niedriges Zinsniveau entfachen einen Investitionsboom und damit einen Konjunkturaufschwung. Ein Wirtschaftseinbruch ist unvermeidliche Folge der Überinvestition. Er darf daher nicht bekämpft werden.

Mit dieser Theorie erregt Hayek 1931 bei einem Gastvortrag an der London School of Economics (LSE) großes Aufsehen. Dort entsteht ein „Gegenpol“ zum Kreis um Keynes an der Cambridge University. Wir sind mitten in der Weltwirtschaftskrise und Keynes befürwortet massive Interventionen des Staates. Mit seiner Gegentheorie wird Hayek zum Shootingstar der LSE, er erhält sogleich einen Lehrstuhl und kämpft im Ökonomen-Krieg gegen eine Politik der Krisenbekämpfung.

Aus dieser Auseinandersetzung geht Keynes nach Publikation seiner „General Theory“ (1936) als überragender Sieger hervor – um Hayek wird es still. Der Krieg isoliert ihn zusätzlich in London. In dieser Zeit schreibt er sein wirkungsvollstes Buch, „Der Weg zur Knechtschaft“ (1944), eine Abrechnung mit jenen (gut meinenden) Ökonomen und Intellektuellen, welche die Grundübel in Wirtschaft und Gesellschaft auf „konstruktivistische“ Weise zu überwinden trachten, die also das Design einer Gesellschaft entwickeln und umsetzen wollen.

Vordergründig geht es Hayek um einen Fundamentalangriff gegen alle Formen totalitärer Herrschaft. Dadurch kann er sowohl die GegnerInnen der faschistischen Diktaturen ansprechen als auch die – besonderes in den USA – wachsende Zahl der Antikommunisten. Hintergründig greift Hayek auch die Planer des Wohlfahrtsstaats an, gewissermaßen die sanfte Form von Knechtschaft.

Gleichzeitig distanziert sich Hayek – vage – vom alten „Laissez-faire-Denken“, die Märkte sich selbst zu überlassen: „Es gibt schließlich das äußerst wichtige Problem der Bekämpfung der Konjunkturschwankungen und der periodischen Massenarbeitslosigkeit …“ Auf diese Weise lässt Hayek verschiedene Lesarten offen: Für Konservative wird „Der Weg zur Knechtschaft“ zum wichtigsten Pamphlet gegen den Wohlfahrtsstaat, BefürworterInnen des Letzteren sehen im Buch in erster Linie eine Streitschrift gegen jeglichen Totalitarismus.

Neoliberale Langfriststrategie

Einen wirtschaftspolitisch aktiven Staat lehnt Hayek deshalb nicht gänzlich ab, weil er sich sonst zu sehr im „rechten Eck“ positionieren würde. Er will ja mit seinem Buch möglichst viele Menschen erreichen und dies zum Ausgangspunkt für eine langfristige Offensive gegen Sozialismus, Gewerkschaften, Sozialstaat und den Keynesianismus machen.

Diese Offensive plant Hayek – ganz im Gegensatz zu seiner eigenen Theorie – mit größter Gründlichkeit. Es ist ihm klar, dass die Hochblüte von Keynesianismus und Sozialstaatlichkeit noch bevorsteht. Vorbild für die Planung der Gegenoffensive ist ihm der Erfolg der sozialistischen Ideen seit dem 19. Jahrhundert. Eine neoliberale Langfriststrategie braucht daher mehrere Komponenten:

  • Ideale, welche auch die Gefühle der Menschen mobilisieren (im Gegensatz zu Forderungen nach freiem Kapitalverkehr etc.);
  • einen theoretischen Rahmen für das Programm;
  • ein internationales Netzwerk, gewissermaßen eine „Neoliberale Internationale“;
  • „Stützpunkte“ an den wichtigsten Universitäten sowie Thinktanks, welche Intellektuelle aller Schattierungen (Journalistinnen und Journalisten, LehrerInnen etc.) mit Argumentationsmaterial versorgen;
  • konkrete Konzepte für die Wirtschaftspolitik als Alternativen zu den keynesianischen Lösungen.

Ideal: „Die Freiheit von ...“

Das wichtigste Ideal wird „die Freiheit“, wobei dieser Begriff immer negativ verstanden wird als Freiheit von Zwang aller Art – im Kalten Krieg besonders attraktiv. (Freiheit kann aber erst dann gelebt werden, wenn ein Mindestlebensstandard gesichert ist, und dazu braucht es den Sozialstaat.)

Das sozialphilosophische Fundament des Neoliberalismus besteht in einem radikalen Individualismus, den Menschen als soziales Wesen gibt es nicht. Margaret Thatcher bringt es auf den Punkt: „There is no such thing as society.“

Das ökonomisch-theoretische Fundament von Hayeks Programm besteht in der These, dass Marktprozesse als „Entdeckungsverfahren“ die bestmögliche Lösung der wirtschaftlichen Grundprobleme ermöglichen. Hayeks Trick: Er geht von einer richtigen Beobachtung aus (Effizienz dezentraler Informations- und Entscheidungsprozesse bei Erstellung privater Güter), stilisiert sie zu einer allgemeinen Wahrheit hoch (tatsächlich ist etwa ein sozialstaatliches Gesundheitswesen effizienter als ein privates) und rechnet dies den Marktprozessen zu (tatsächlich betreffen die Prozesse der Entwicklung, Produktion und Vermarktung von Gütern nicht primär die Preise).

Als transatlantisches Netzwerk gründet Hayek 1947 die „Mont Pelerin Society“ mit dem Ziel, die absehbare Ausweitung des Sozialstaats, der Sozialpartnerschaft und des Staatseinflusses wieder rückgängig zu machen und den Keynesianismus von den Universitäten zu vertreiben. Alle bedeutenden neoliberalen Ökonomen der vergangenen 50 Jahre waren (und sind) Mitglied dieser Gesellschaft.

Mithilfe der (Super-)Reichen werden in den 1950er- und 1960er-Jahren viele Thinktanks gegründet und ausgebaut (insbesondere in England und den USA), Hunderte Ökonomen arbeiten dort an neoliberalem Argumentationsmaterial und leiten dieses an Intellektuelle in den Medien, in den Schulen etc. weiter (Hayeks „second-hand dealers“).

„Kommandozentrale“ für den Kampf gegen den Keynesianismus wird die Universität Chicago. Dort werden die wichtigsten Modelle entwickelt gegen die Regulierung der Finanzmärkte, gegen Vollbeschäftigungspolitik, gegen den Sozialstaat, gegen die Gewerkschaften.

Diese Konzepte ziehen die neoliberalen „master minds“ aus dem Talon, als Ende der 1960er-Jahre ihre Zeit gekommen ist: Offensive Gewerkschaften, der Aufstieg der Sozialdemokratie und die Linkswende der Intellektuellen hatten die Vermögenden provoziert, gleichzeitig wurden Schwächen der (pseudo)keynesianischen Wirtschaftsordnung offenkundig.

Wie bewundernswert die Leistung von Hayek und Co. war, kann man am Versagen der linken Ökonomen in den nachfolgenden Jahrzehnten ermessen. Sie haben im Abseits keine über Keynes hinausgehenden Alternativen zur neoliberal-finanzkapitalistischen Ordnung entwickelt. Als diese dann in eine schwere Krise führte, konnten die vielen „aufgelegten Elfmeter“ nicht eingeschossen werden. Im Gegenteil: Die vom Neoliberalismus verursachte Krise wird so zum Turbo für die finale Durchsetzung seiner Forderungen.

Gegenoffensive mit Chancen

Hayek hat viel gelernt von der Ausbreitung des Sozialismus in den Köpfen (und Herzen) der Intellektuellen und der (sonstigen) BürgerInnen, soziale Ökonominnen und Ökonomen könnten viel von Hayeks Strategien lernen. Inhaltlich hat eine Gegenoffensive gute Chancen: Die neoliberale Theorie ist „im Ganzen“ falsch und wird die Krise immer mehr vertiefen.

Wikipedia über Hayek

Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor stephan.schulmeister@wifo.ac.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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