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Armut weltweit und Chinas Einfluss Und trotz der positiven Zahlen Chinas ist zu bedenken, dass dort zwar der Mittelstand wächst, die Schere zwischen Arm und Reich aber gleichzeitig auseinandergeht.

Armut weltweit und Chinas Einfluss

Schwerpunkt

Millionen von Menschen weltweit sind von extremer Armut und Hunger betroffen. Bis 2015 soll ihre Anzahl halbiert werden.

Die menschliche Entwicklung hat in den vergangenen Jahren viele Fortschritte gemacht, wie aus dem Bericht der Vereinten Nationen aus 2011 hervorgeht. Dennoch hat sich auch die Ungleichverteilung des Einkommens verschärft, und trotz Rückgang der Armut leiden Millionen von Menschen Hunger. Sind die Fortschritte über alle Gebiete gleich verteilt oder herrscht ein globales Ungleichgewicht?

Verminderung von extremer Armut

Wer weniger als 1,25 USD pro Tag zur Verfügung hat, gilt laut Weltbank als extrem arm. Ein Millenniumsziel ist, den Anteil jener, die unter extremer Armut und Hunger leiden, zu halbieren. Zwischen 1990 und 2008 konnte der Anteil der Armen von 47 auf 24 Prozent verringert werden, was eine Reduktion in absoluten Zahlen von über 2 Mrd. auf 1,4 Mrd. Menschen brachte. Viel von dieser positiven Entwicklung ist dem Fortschritt in China zuzuschreiben. Ein Land, welches es geschafft hat, innerhalb weniger Jahre mehr als 400 Mio. Menschen aus der Armut zu befreien.
Wie es scheint, wird dieses Millenniumsziel bis 2015 erreicht werden. Die positiven Zahlen der Armutsreduktion sind jedoch mit einer gewissen Vorsicht zu genießen, denn nur weil sich einzelne Staaten entwickeln, bedeutet dies bei Weitem noch nicht, dass es weltweit zu Verbesserungen gekommen ist. Vier von fünf extrem armen Menschen werden bei Erreichung des Ziels aus einer Region südlich der Sahara bzw. aus Südasien kommen.
Jeder achte Mensch weltweit muss hungrig schlafen gehen. Trotz einer schrittweisen Eindämmung des Problems seit 1990 leiden heute noch immer rund 870 Mio. Menschen Hunger. Wobei hier wiederum die Menschen in Südasien und in Afrika südlich der Sahara am meisten betroffen sind. Nach Einschätzung der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) würden die weltweit verfügbaren Ressourcen ausreichen, um die gesamte Weltbevölkerung zu ernähren. Ein Grund für den Hunger sind die steigenden Lebensmittelpreise, wofür die Welthungerhilfe drei Hauptursachen nennt: die Agrarproduktion zur Herstellung von Treibstoffen, die Zunahme extremer Wetterereignisse aufgrund des Klimawandels und ein Anstieg der Warentermingeschäfte mit Agrargütern. Der Anteil der Ausgaben für Nahrungsmittel liegt in einem Entwicklungsland bei ca. 70 Prozent des Einkommens, während eine durchschnittliche deutsche Familie lediglich 14 Prozent ihres Einkommens dafür ausgibt.

Armut trotz Beschäftigung

Der Fortschritt einer rückläufigen Erwerbsarmut hat sich seit der Wirtschaftskrise 2008 leider nur langsam entwickelt. Auch wenn sich die Anzahl der Erwerbstätigen, die unter der Armutsgrenze leben, verringert hat, waren im Jahr 2011 laut Internationaler Arbeitsorganisation (ILO) 456 Mio. Menschen davon betroffen. Erwerbsarm sind jene Erwerbstätigen, die mit weniger als 1,25 USD pro Tag ihr Auslangen finden müssen, das heißt, trotz Arbeit ist kein Leben in Würde möglich. Vom Rückgang der Erwerbsarmen um 233 Mio. seit dem Jahr 2000 sind alleine 158 Mio. dem Wirtschaftswachstum in China zuzuschreiben.
Ob Chinas wirtschaftliche Entwicklung wohl auch fähig ist, die Zielvorgabe der Millenniumserklärung – „Produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle, einschließlich Frauen und junger Menschen, verwirklichen“ – zu erfüllen? Millonen von WanderarbeiterInnen in den Fabriken erhalten keine existenzsichernde Bezahlung, sie müssen unmenschliche Wochenarbeitsstunden leisten und unzureichende Sicherheitsmaßnahmen schützen sie nicht vor chronischen Erkrankungen. Das überstrenge Management stellt hierbei oft eine zusätzliche psychische Belastung dar. In diesem Zusammenhang sei an die Selbstmordserie beim Apple-Zulieferer Foxconn im Jahr 2010 erinnert, bei der zehn junge Menschen ihr Leben ließen. Ein hoher Preis für das Wachstum! Derartige Vorfälle zeigen, wie fern das Ziel der menschenwürdigen Arbeit trotz verheißungsvoller Zahlen noch ist.

Die Sorge um die Umwelt

Großes Sorgenkind ist der Klimaverbrauch einzelner Länder. Jetzt, wo etwa China, Indien, Brasilien etc. aufholen und immer mehr Energie verbrauchen, ist die Angst vor einer Klimakatastrophe groß. Wie soll mit den noch vorhandenen Ressourcen umgegangen werden und wie kann der Energiebedarf reduziert werden? Führender Bösewicht bei den Top 15 Treibhaussündern ist China, gefolgt von den USA, Indien, Russland, Japan Deutschland, Südkorea, Kanada, Iran, Großbritannien, Saudi-Arabien, Mexiko, Indonesien, Italien und Brasilien. Wenn man aber den Pro-Kopf-Ausstoß betrachtet, schaut es schon ganz anders aus: Schwellenländer wie China oder Indien sind in dieser Liste weiter hinten angesiedelt. Geführt wird hier das Ranking von Katar, Kuwait, Trinidad und Tobago.
CO2-Emissionen waren in den letzten Jahrzehnten eng mit dem Wachstum des Nationaleinkommens in Ländern wie China, Indien, Brasilien etc. verbunden. Die Entwicklung erfolgt zulasten der Umwelt und saubere Luft wird in vielen Großstädten zunehmend zum Luxusgut, wie gerade jüngst über Peking in den Medien zu lesen war. Die Smog-Belastung erreichte eine Dimension, die über das menschlich verträgliche Maß hinausging.
Die Zerstörung der Umwelt trifft die ärmsten Haushalte besonders hart. Existenzgrundlagen werden vor allem in Entwicklungsländern zum Beispiel durch die Rodung der Wälder und die damit einhergehende Arten- und Bodenzerstörung und Gewässerverschmutzung vernichtet. Laut dem Bericht der Vereinten Nationen 2011 ist Mangelernährung zur Hälfte auf Umweltfaktoren zurückzuführen.
Die Wälder spielen im Kohlenstoffkreislauf eine wichtige Rolle. Der globale Waldverlust beträgt jährlich gut fünf Mio. Hektar. Kompensiert werden diese Regenwald-Rodungen – vor allem in Südamerika und Afrika – durch Aufforstungsprogramme in China, Indien und Vietnam. Asien konnte somit in den letzten zehn Jahren einen Nettozugewinn an Wäldern von jährlich 2,2 Mio. Hektar verzeichnen.

Statistiken reichen nicht aus

Ein Land wie China trägt statistisch zur Verringerung der weltweiten Armut, zur Verlangsamung des Waldverlusts, zur rückläufigen Erwerbsarmut etc. bei. Aber im Grunde genommen reicht es nicht, sich lediglich weltweite Statistiken anzusehen. Wenn ein Bericht sagt, das Ziel der Verminderung der extremen Armut wird höchstwahrscheinlich erreicht, ist genau hinzuschauen. Sind es nur die aufstrebenden Wirtschaftsmächte, die es innerhalb weniger Jahre geschafft haben, hunderte Millionen aus der Armut zu befreien, oder spielen auch Afrikas Länder südlich der Sahara bei diesen Zahlen eine Rolle?
Und trotz der positiven Zahlen Chinas ist zu bedenken, dass dort zwar der Mittelstand wächst, die Schere zwischen Arm und Reich aber gleichzeitig auseinandergeht. Obwohl sich das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in gut 30 Jahren nach Kaufkraft mehr als verdreißigfacht hat, landet die zweitstärkste Wirtschaftsmacht der Welt damit im Jahr 2011 lediglich auf dem 93. Platz und gut jede/r zehnte Chinesin/Chinese im Land lebt weiterhin unterhalb der Armutsgrenze.

Info&News
Im September 2000 verabschiedeten 189 Länder auf einem Gipfel der Vereinten Nationen in New York die Millenniumserklärung. Sie umfasst acht Entwicklungsziele für das Jahr 2015:
Den Anteil der Weltbevölkerung, der unter extremer Armut und Hunger leidet, halbieren.
Allen Kindern soll eine Grundbildung ermöglicht werden.
Die Gleichstellung der Geschlechter und die Stärkung der Rolle der Frauen.
Die Senkung der Kindersterblichkeit.
Die Verbesserung der Gesundheitsversorgung der Mütter.
HIV/Aids, Malaria und andere schwere Krankheiten bekämpfen.
Die ökologische Nachhaltigkeit sichern.
Eine weltweite Entwicklungspartnerschaft aufbauen.

Lesetipp
Neu erschienen:
Von der Werkbank zur Weltbank – Chinas neue Rolle verändert die Welt
Erfahrungsberichte und Reflexion einer gewerkschaftlichen Chinareise II.
Der Ergebnisbericht der gewerkschaftlichen Begegnungsreise kann unter www.weltumspannend-arbeiten.at bestellt werden.

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin eva.prenninger@oegb.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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