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Viele haben wenig, wenige haben viel Eine Mehrheit sieht die österreichische Gesellschaft heute als eine "Pyramide" - viele Menschen unten, wenige an der Spitze.
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Viele haben wenig, wenige haben viel

Schwerpunkt

Fast 90 Prozent der Menschen in Österreich sind der Meinung, dass die Ungleichheit bei Einkommens- und Vermögensverteilung zu groß ist.

Eine Mehrheit sieht die österreichische Gesellschaft heute als eine „Pyramide“ – viele Menschen unten, wenige an der Spitze. Dabei würde sich eine ebenso große Mehrheit eine breite Mittel- und obere Mittelschicht wünschen. Die Gesellschaft ist ungleicher, als es der Großteil der Menschen für richtig hält (ISSP 2009).
Viel stärker als die Einkommen sind dabei die Vermögen in Österreich ungleich verteilt. Der private Vermögensbesitz ist in den Händen einiger weniger, die untere Hälfte verfügt über nahezu kein Vermögen. Es gibt – im Gegensatz zu den Einkommen – beim Vermögen nur eine schmale Mittelschicht. Das zeigen die Daten aus einer groß angelegten Erhebung, die, koordiniert durch die Europäische Zentralbank, in allen Euro-Staaten durchgeführt wurde. In Österreich wurde sie von der Oesterreichischen Nationalbank 2010 vorgenommen.

Bruttovermögen privater Haushalte

Das Bruttovermögen der privaten Haushalte ist in Österreich mit etwa 1.063 Mrd. Euro über dreieinhalb Mal so groß wie das Bruttoinlandsprodukt. Im Vergleich zu den Staatsschulden ist das Vermögen privater Haushalte sogar mehr als fünf Mal so groß.
Dieses Vermögen ist aber extrem ungleich verteilt („Die Verteilung des Bruttovermögens österreichischer Haushalte“ siehe Seite 28). Die reichsten fünf Prozent aller Haushalte verfügen über 45 Prozent des Bruttovermögens. Knapp 190.000 Haushalte besitzen somit zusammen fast 500 Mrd. Euro, beinahe die Hälfte des gesamten privaten Vermögens. Jeder dieser Haushalte nennt mindestens eine knappe Million Euro sein Eigen, im Durchschnitt sind es beachtliche 2,6 Mio. Euro.

15 Prozent vermögende Haushalte

Neben diesen reichsten fünf Prozent gibt es noch 15 Prozent vermögende Haushalte. Das sind Haushalte, deren Vermögen zwischen 330.000 und 980.000 Euro liegt. Diese 15 Prozent vereinen beinahe 30 Prozent des Bruttovermögens auf sich. Somit besitzen die obersten 20 Prozent aller privaten Haushalte Österreichs drei Viertel des gesamten Bruttovermögens.
Die restlichen 80 Prozent der Haushalte teilen sich das verbliebene Vermögensviertel („Die Verteilung des Bruttovermögens österreichischer Haushalte“ siehe Seite 28). Davon entfällt der Löwenanteil des Vermögens auf Haushalte der „oberen Mitte“, die im Durchschnitt über ca. 200.000 Euro verfügen. Sie halten über 20 Prozent des Gesamtvermögens. Für die vermögensärmere Hälfte (50 Prozent) aller privaten Haushalte verbleiben somit weniger als vier Prozent des gesamten Bruttovermögens, rund 40 Mrd. Euro. Im Durchschnitt haben diese Haushalte ein Bruttovermögen von 22.000 Euro. Die untersten 25 Prozent der österreichischen Haushalte halten nur noch ein Vermögen von unter 11.000 Euro.
Die Vermögenskonzentration ist aber aller Wahrscheinlichkeit nach noch extremer als in der Studie dargestellt. Denn bei der Erhebung der Oesterreichischen Nationalbank ist kein einziger Milliardärshaushalt erfasst worden. Vermögende Haushalte lehnen eine Teilnahme an Untersuchungen zu Einkommen und Vermögen häufiger ab, verweigern öfter Antworten und unterschätzen ihr Vermögen. So floss kein Vermögen aus Privatstiftungen in die Erhebung mit ein. Die dargestellten Zahlen und Verhältnisse stellen also eine Untergrenze der Ungleichverteilung des Vermögens dar. Bei einer erneuten Erhebung ist es deshalb unbedingt notwendig, so wie international üblich, gezielt mehr vermögensreiche Haushalte zu befragen, um auch die extrem reichen Haushalte zu erfassen.

Wie viel Vermögen wurde geerbt?

Erbschaften spielen eine wichtige Rolle in der Vermögensverteilung in Österreich. Etwa 15 Prozent aller Haushalte erbten ihren Hauptwohnsitz. Bewertet nach dem Gegenwartswert 2010 summieren sich alle Erbschaften auf über 320 Mrd. Euro, also knapp ein Drittel des Gesamtvermögens. („Erbschaften österreichischer Haushalte“ siehe Seite 28)
Insgesamt hatten zum Befragungszeitpunkt 35 Prozent aller Haushalte Vermögen geerbt, vermögensreiche Haushalte erbten allerdings wesentlich häufiger. Während von den vermögensärmsten 20 Prozent der Haushalte unter zehn Prozent erbten, waren es bei den reichsten 20 Prozent schon fast zwei Drittel. Noch deutlicher wird der Unterschied bei der Höhe der Erbschaften. Für die vermögensärmsten 40 Prozent betrug das Erbe in der Mitte etwas über 14.000 Euro, während sich die mittleren Erbschaften der vermögensreichsten 20 Prozent um 240.000 Euro bewegten.
Es kann nicht präzise festgestellt werden, wie viel Ungleichheit eine Gesellschaft tatsächlich aushält oder als akzeptabel ansieht. Jedoch ist klar, in welche Richtung sich Österreich nach Meinung der Mehrheit der Menschen bewegen sollte: hin zu weniger Ungleichheit.
Eine Vielzahl von Maßnahmen sind hier anzudenken. Auf der steuerlichen Seite besteht besonderer Reformbedarf: Eine Vermögenssteuer auf hohe Vermögen könnte einen Beitrag leisten, das Aufgehen der Schere zwischen Arm und Reich zu bremsen. Die Einführung einer reformierten Erbschafts- und Schenkungssteuer mit Freibeträgen und einer Staffelung für nahe Verwandte könnte als Finanzierung der steigenden Kosten der Pflegeleistungen dienen. Unumgänglich sind auch eine umgehende Einführung der Finanztransaktionssteuer, die Regulierung des Finanzsektors, die Schließung von Steueroasen und effektive Maßnahmen gegen Steuerhinterziehung und -umgehung.
Zweitens braucht es einen Ausbau des Wohlfahrtsstaats und des Sozialsystems: Diese sind für die Beschränkung der Ungleichheit in Österreich unerlässlich. Zudem haben sie sich beim relativ glimpflichen Verlauf der Finanz- und Wirtschaftskrise in Österreich als tragende Säulen der wirtschaftlichen Stabilität erwiesen. Der Zugang aller Bevölkerungsgruppen zum Gesundheits- und Bildungssystem ist essenziell für eine gerechte Verteilung von Lebenschancen. Vor allem bei Kinderbetreuung und Pflege besteht Nachholbedarf.
Drittens braucht es eine gerechtere Verteilung der volkswirtschaftlichen Wertschöpfung: Der fallende Anteil von Arbeitseinkommen am gesamtwirtschaftlichen Einkommen kann nicht alleine durch steuerliche Maßnahmen wettgemacht werden. Es braucht Politiken, die eine Abkehr vom Shareholder-Value begünstigen, wie zum Beispiel niedrigere Ausschüttungen von Dividenden zugunsten von Realinvestitionen und Löhnen.
Dies begünstigt eine stabilere Entwicklung der Wirtschaft, trägt dazu bei, dass der Finanzsektor die ökonomische Entwicklung unterstützt anstatt sie zu dominieren, ermöglicht eine gerechtere Verteilung des Wohlstandes und schützt die Demokratie vor ungesunder Vermögens- und Machtkonzentration.

Unterlagen zur Haushalts-, Finanz und Konsumerhebung (HFCS):
Österreich:
www.hfcs.at
Eurozone:
tinyurl.com/bdt3lty

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorinnen christa.schlager@akwien.at miriam.rehm@akwien.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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