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Unbezahlbarer Reichtum Wichtig dabei ist auch, herauszufinden, in welchen Bereichen es eventuell verdrängte Bedürfnisse gibt. Der Schlüssel dazu ist, sich für solch vermeintlich einfach wirkende Reflexionen Zeit zu nehmen, ...
Buchtipp

Unbezahlbarer Reichtum

Schwerpunkt

Nicht alle Rechnungen, die das Leben uns ausstellt, können mit Geld beglichen werden. Manche kosten uns Kraft und Gesundheit.

Belastungssituationen im Leben können zu schweren Krisen führen, die sich körperlich oder psychisch mitunter schwer zu Buche schlagen: Vergleichbar mit einem Konto, das bereits bis zum letzten Cent ausgereizt wurde – ohne dass irgendwo anders Reserven verfügbar sind –, kann ein unerwarteter Härtefall ein scheinbar stabil wirkendes Gleichgewicht stark ins Schwanken bringen. Mit Druck am Arbeitsplatz, Schicksalsschlägen und Krisen umzuge-hen ist eine Herausforderung, die nahezu jede/r kennt – und die langfristig nicht nur mit Geldmitteln zu bewältigen ist.

Gesellschaftliche Relevanz

Wie teuer es wird, wenn Belastungen des täglichen Lebens nicht mehr getragen werden können, wird wohl besonders daran deutlich, dass viele Menschen nicht bis zum gesetzlichen Pensionsalter arbeiten können. So ist etwa ein Drittel der Neuzugänge auf Invalidität bzw. Berufsunfähigkeit zurückzuführen, insbesondere psychische Erkrankungen liegen dabei im Spitzenfeld. Die Krankenstände aufgrund von psychischen Problemen sind in den vergangenen Jahrzehnten ebenfalls stark gestiegen. Zudem gilt mittlerweile als erwiesen, dass viele körperliche Beschwerden (z. B. Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Muskelverspannungen, Rückenschmerzen) psychosoziale Hin-tergründe haben. Es gibt Studien, die einen Zusammenhang zwischen bestimmten Faktoren im Arbeitsumfeld (Monotonie, schlechte Arbeitsbeziehungen etc.) und körperlichen Beschwerden belegen. Demnach könnte durch entsprechendes Gegensteuern auch ein beträchtlicher Teil dieser Erkrankungen gemildert werden. Laut dem österreichischen Arbeitsgesundheitsmonitor der AK OÖ sind knapp 40 Prozent der ArbeitnehmerInnen stark psychisch belastet. Insofern dürfte jede Maßnahme, die diesem Trend entgegensteuert, sowohl für das Individuum als auch für die österreichische Volkswirtschaft von Vorteil sein.

Risikofaktor Ungerechtigkeit

Die soziale Mobilität ist in Österreich besonders schlecht ausgeprägt. So hat der Bildungsgrad der Eltern einen enormen Einfluss auf die Zukunft ihrer Kinder: Die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder einen akademischen Abschluss erreichen, wenn deren Eltern nur die Pflichtschule absolviert haben, liegt bei nur 4,5 Prozent. Der Bildungsgrad wiederum hat sehr starken Einfluss darauf, ob man arbeitslos wird oder nicht. So sind über 82 Prozent der Arbeitslosen im Bildungssegment Pflichtschulabschluss (46,7 Prozent) und Lehrabschluss (35,9 Prozent) zu finden. Vereinfacht ausgedrückt: Je höher der Bildungsabschluss, umso geringer ist die Gefahr arbeitslos zu werden. Arbeitsplatzverlust bedeutet in vielen Fällen jedoch nicht nur Einkommensausfall. Es kann auch zu Verlust von sozialen Kontakten, gesellschaftlichem Status etc. kommen. Dies kann wiederum das Gleichgewicht der Betroffenen stark beeinträchtigen. In einer Studie konnte beispielsweise belegt werden, dass sich durch Arbeitslosigkeit die Ausgaben für Antidepressiva und Krankenhausauf-enthalte wegen psychischer Probleme bei Männern erhöhen.

Barrieren beginnen früh

Dies ist nur ein Beispiel für eine Kausalkette, das aufzeigt, dass Barrieren, die in frühen Lebensjahren aufgebaut werden, später schwer korrigierbar sind bzw. sich sogar noch verstärken. So erfolgt bereits nach der Volksschule eine Entscheidung für zehnjährige Kinder, die richtungsweisend wirkt, da es praktisch keine Durchlässigkeit von der Hauptschule in das Gymnasium gibt. Damit wird deutlich, dass Kinder mit einem schlechter ausgestatteten Ressourcen-Rucksack viel eher in einen für sie ungünstigen Kreislauf kommen. Frühe Förderung mit dem Prinzip „Stärken stärken“ und „Schwächen schwächen“ könnte hingegen nachhaltig positiv auf die Entwicklung einwirken (z. B. Kindergarten für sozialen und sprachlichen Kompetenzerwerb, Gesamtschule als Maßnahme gegen frühe soziale Selektion).
Abgesehen vom Gerechtigkeitsfaktor „Chancengleichheit“ ist auch der gesellschaftliche Nutzen zu beachten. Es besteht nämlich die Gefahr, dass menschliche Ressourcen verschwendet werden. So könnten vorhandene Talente – z. B. aus bildungsferneren Schichten, von Menschen mit Migrationshintergrund – verloren gehen. Auch wenn hier strukturelle Veränderungen unumgänglich scheinen, so kann das Aufdecken solcher Mechanismen auf der individuellen Ebene hilfreich sein und entsprechendes Gegensteuern ermöglichen.

Zahlungsmittel: Ressourcen

Ressourcen sind bewusst oder unbewusst zur Verfügung stehende Potenziale zur Lebensbewältigung. Grundsätzlich kann grob unterschieden werden: Einerseits gibt es persönliche Ressourcen, wie Talente, Stärken, Fähigkeiten (z. B. handwerkliches Geschick, Kommunikations- und Konfliktfähigkeit, Reflexionsfähigkeit und Bewältigungsstrategien, Humor, Gesundheit, Bildung und Neugier, Interessen, Bindungsfähigkeit und Autonomie etc.). Auf der anderen Seite stehen materielle Ressourcen, wie beispielsweise ein Arbeitseinkommen, Wohnung/Haus, Ersparnisse etc. Wichtig sind aber auch die sozialen Ressourcen, zu denen Zugehörigkeit, Bindungen bzw. Beziehungen zu Familie, FreundInnen, Klubs, Nachbarschaftskontakte etc. zählen. Da nicht alle Rechnungen des täglichen Lebens mit Geld bezahlt werden können, ist es günstig, breit gestreute Ressourcen zu haben. Nur in einem Bereich auf Ressourcen fixiert zu sein (z. B. Job), bedeutet im Härtefall (z. B. Jobverlust), dass es zu schweren persönlichen Krisen kommen kann, da eine Kompensation (z. B. Interessen-Umorientierung) schwierig wird. Das Gute ist, dass meist eine ganze Palette verborgener Ressourcen vorhanden ist, die sich noch entwickeln können.
Aus der Psychotherapie ist bekannt, dass es sinnvoll ist, sich diese bewusst zu machen. Häufig stehen damit Selbstachtung und Selbst-Bewusstsein in Zusammenhang: Je besser man sich selbst kennt und achtet, umso größer wird die Wahrscheinlichkeit, seine eigenen Ressourcen realistisch einschätzen und danach handeln zu können – eine erlernbare Grundkompetenz, die das Austarieren des persönlichen Gleichgewichts auch in herausfordernden Zeiten erleichtert. Das Phänomen „Burn-out“ ist ein gutes Beispiel dafür, was passiert, wenn Grenzen nicht akzeptiert werden konnten. Die Folge ist ein Erschöpfungszustand mit massiven Auswirkungen. Eine chronische Überforderung kann in der Symptomatik von schweren körperlichen Beschwerden bis hin zur manifesten Depression reichen.

Wie selber vorsorgen?

Der Schatz an persönlichen Ressourcen kann im Grunde jeden Tag erweitert werden. Wichtig dabei ist auch, herauszufinden, in welchen Bereichen es eventuell verdrängte Bedürfnisse gibt. Der Schlüssel dazu ist, sich für solch vermeintlich einfach wirkende Reflexionen Zeit zu nehmen, beispielsweise regelmäßig aus dem persönlichen Hamsterrad herauszutreten und sich zu überlegen, ob das denn alles noch so für einen passt. Es geht darum, kritisch zu hinterfragen, ob neue Priorisierungen oder etwaige Anpassungen im Lebensstil vorteilhaft wären, Signale des Körpers wahrzunehmen und die entsprechenden Adaptierungen vorzunehmen.
Diese banal wirkenden Überlegungen können in einer Alltagsroutine doch einiges an Überwindung kosten. Schließlich können in erster Konsequenz mögliche Veränderungen anstrengend sein. Zumal Routinen für den Menschen auch eine stabilisierende Qualität haben. Häufig liegt jedoch den Angewohnheiten viel mehr Bequemlichkeit zugrunde, als tatsächliche Bedürfnisse. Die wichtige Frage dabei ist, ob die eigenen Bedürfnisse zu kurz kommen und welche Ressourcen gegebenenfalls mobilisiert und entwickelt werden müssten. Je mehr Klarheit darüber vorhanden ist, umso größer wird auch die Chance, die eigenen Ressourcen – den persönlichen Reichtum – frei entfalten zu können.

1 Studie „The Public Health Costs of Job Loss“ von Andreas Kuhn, Rafael Lalive, Josef Zweimüller, www.labornrn.at.

Arbeitsgesundheitsmonitor:
www.ifes.at

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