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Ein Blick über den Tellerrand Seit 1958 findet in Deutschland das Einkommensteuermodell des Ehegattensplittings Anwendung. Dieses begünstigt eine traditionelle Rollenverteilung von Mann und Frau, ...

Ein Blick über den Tellerrand

Schwerpunkt

In Deutschland, den Niederlanden und Dänemark kommen drei sehr unterschiedliche Modelle der Familienpolitik zum Einsatz.

Wer die österreichische familienpolitische Debatte verfolgt, wird feststellen: Ideen und Forderungen kehren immer wieder. Da macht ein Blick über den Tellerrand Sinn, um zu schauen, wie andere Länder mit familienpolitischen Herausforderungen umgehen und welche Erfolge und Probleme sie dabei haben.
Vergleichen wir Dänemark, die Niederlande und Deutschland – drei sehr unterschiedliche Länder im Hinblick auf ihre Familienpolitik. Sowohl in Bezug auf direkte Geldleistungen als auch bei Begünstigungen im Steuerrecht und Ausgaben für Kinderbetreuung gehen diese drei Nationen sehr verschiedene Wege.

Konservatives Deutschland

Das familienpolitische Modell Deutschlands fußt auf einem konservativen Familienverständnis. Seit 1958 findet in Deutschland das Einkommenssteuermodell des Ehegattensplittings Anwendung. Dieses begünstigt eine traditionelle Rollenverteilung von Mann und Frau, da die Steuervergünstigung mit zunehmendem Einkommensunterschied zwischen den EhepartnerInnen ansteigt und in Alleinverdienerhaushalten am größten ist.
Bei den Kosten für die Kinder setzt das deutsche System auf großzügige Steuer- oder Geldleistungen. Je nachdem was günstiger ist, besteht die Möglichkeit die Kosten abzusetzen oder Kindergeld zu beziehen.
Seit 2007 gibt es in der Babypause das Elterngeld. Zwei Drittel des wegfallenden Nettoeinkommens (mindestens 300 Euro, maximal 1.800 Euro monatlich) werden für zwölf Monate ausbezahlt – plus zwei Monate für den zweiten Elternteil. Das ist relativ fortschrittlich, das „traditionelle“ Familienverständnis schlägt sich jedoch in den sehr geringen Ausgaben für Kinderbetreuung nieder: Nur knapp 0,4 Prozent der Wirtschaftsleistung (also des Bruttoinlandsprodukts, kurz: BIP) werden dafür aufgebracht. Jüngst mahnte sogar die EU-Kommissarin für Gleichstel-lung Viviane Reding, dass es in diesem Bereich dringend größere Anstrengungen braucht.

Sparsame Niederlande

Die Ausgaben für Familien liegen in den Niederlanden deutlich unter dem europäischen Durchschnitt. Niederländische Familienpolitik verzichtet nämlich soweit möglich auf direkte Eingriffe und setzt stattdessen in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik an.
Das Kindergeld in den Niederlanden ist vom Einkommen der Eltern unabhängig, variiert jedoch mit dem Alter der Kinder. Zum Teil fällt es deutlich geringer aus als die Familienbeihilfe in Österreich, die bisweilen mehr als das Doppelte beträgt. Allerdings existieren zusätzliche Absetzbeträge, die an geringe Einkommen gekoppelt sind bzw. nur an Alleinerziehende ausbezahlt werden. Damit werden Anreize für Erwerbstätigkeit gesetzt – ganz anders als beim österreichischen Alleinverdienerabsetzbetrag, der Frauen ermuntert zu Hause zu bleiben.
Zusätzlich gibt es eine Vielzahl von Arbeitsfreistellungen. Das Arbeitskontenmodell erlaubt es, durch Überstunden bis zu zwölf Prozent der Arbeitszeit anzusparen, die zu einem späteren Zeitpunkt für Weiterbildung, Pflege oder Kinderbetreuung eingesetzt werden kann. Ein Absetzbetrag unterstützt die Nutzung des Arbeitskontenmodells. Für Eltern besteht nach der Geburt eines Kindes Anspruch auf bis zu sechs Monate unbezahlte Freistellung. Da es aber keine staatliche Geldleistung gibt, verzichteten 75 Prozent auf diese Elternzeit. Daneben besteht maximal drei Mal jährlich für höchstens zwei Wochen die Möglichkeit der Freistellung zur Betreuung kranker Kinder oder pflegebedürftiger Familienangehöriger.
Ausbau der Kinderbetreuung
Erst seit Anfang der 1990er-Jahre forciert die Regierung der Niederlande den Ausbau von Kinderbetreuung, um das Erwerbspotenzial der Mütter auszuschöpfen. Mittlerweile werden mehr als 0,7 Prozent des BIP dafür aufgewandt – mehr als doppelt so viel wie in Österreich! Das Besondere in den Niederlanden ist dabei die Dreiteilung der Kostentragung zwischen Arbeitgebern, Eltern und der öffentlichen Hand.
Diese dargestellten Rahmenbedingungen führen dazu, dass Kinder in den Niederlanden typischerweise an zwei Tagen von der nur Teilzeit beschäftigten Mutter betreut werden, an zwei weiteren Tagen durch Institutionen und am fünften Tag der Arbeitswoche durch den Vater.

Vorbild Dänemark

Im dänischen Einkommenssteuersystem werden EhepartnerInnen wie auch in Österreich individuell besteuert, doch gibt es kleinere steuerliche Begünstigungen für Paare. Ansonsten werden keine familienbezogenen Steuererleichterungen gewährt. Stattdessen erfolgt die finanzielle Unterstützung von Familien mit Kindern vor allem durch das Kindergeld. Anders als im Nachbarland Schweden bemisst sich die Höhe in Dänemark jedoch nicht nach der Kinderzahl, sondern dem Alter eines Kindes.
Wie das schwedische setzt auch das dänische System auf vergleichsweise kurze, aber hohe Zahlungen während Mutterschutz und Elternzeit: vier Wochen vor der Geburt besteht Anspruch auf Mutterschutzgeld, in den 24 darauffolgenden Wochen auf Elterngeld. Gesetzlich festgeschrieben ist nur eine Zahlung in Höhe des Arbeitslosengeldes, allerdings ist in vielen Kollektivvereinbarungen der hundertprozentige Ersatz des Nettogehalts vorgesehen. Zudem können in Ergänzung zum Elternurlaub zwischen 13 und 52 Wochen Kinderbetreuungsgeld bezogen werden, mit deutlich niedrigeren Zahlungen.
Dänemark ist mit seinen Ausgaben für Kinderbetreuung mit 1,3 Prozent OECD-Spitzenreiter. Wie in Schweden haben Eltern auch hier einen gesetzlichen Anspruch auf institutionelle Betreuung ab dem siebten Lebensmonat des Kindes. Dabei müssen mindestens zwei Drittel der allfälligen Kosten von den Gemeinden übernommen werden. Das schlägt sich auf die soziale Durchlässigkeit des Bildungssystems ebenso positiv nieder wie auf die Erwerbstätigkeit beider Eltern.

Wohin soll’s gehen?

Wo steht nun Österreich in Relation zu den drei dargestellten Ländern? Deutlich schlechter im Vergleich zu Dänemark und den Niederlanden: Sie haben eine höhere Erwerbstätigenquote von Müttern mit Kindern unter 15 Jahren, und in beiden Ländern ist der Wunsch nach Kindern bei Frauen und Männern sehr viel größer als hierzulande.
Offenbar stehen dort junge Paare weniger unter Druck, sich für Familie oder Erwerbskarriere entscheiden zu müssen. Dafür spricht, dass die Ausgaben für Kinderbetreuung in den beiden nördlichen Ländern ein Vielfaches der österreichischen Ausgaben betragen. Zudem hat Dänemark die geringste Kinderarmut in ganz Europa! Jene in den Niederlanden liegt unter dem OECD-Schnitt, aber über der in Österreich. Allerdings ist der Unterschied angesichts der viel niedrigeren Familienausgaben erstaunlich gering: Österreich gibt nämlich fast viermal so viel wie die Niederlande für Geldleistungen aus.
Erfolgreiche Familienpolitik
Besser schaut es im Vergleich zu Deutschland aus. Obwohl der große Nachbar etwas mehr für Kinderbetreuung ausgibt als Österreich, arbeiten Frauen dort seltener, was vor allem auf das Steuersplitting zurückzuführen ist.
Das Einkommen der Frauen fehlt den Familien und das schlägt sich in einer höheren Kinderarmut nieder. Dennoch ist der Wunsch nach Kindern in Österreich noch geringer also dortzulande. Mut zum Kind, wie sich das hiesige konservative PolitikerInnen wünschen, macht österreichische Familienpolitik also nicht.
Insgesamt ist fraglos Dänemark das Vorzeigeland erfolgreicher Familienpolitik. Dort wünschen sich junge Menschen Kinder, können trotzdem ihrem Beruf nachgehen und die Kinder dürfen in Wohlstand aufwachsen. Soll Österreich in diese Richtung gehen, braucht es weiterhin großzügige Mittel für Familien, aber weniger Steuererleichterungen und stattdessen viel mehr Geld für Kinderbetreuung.

LESEtipp
Genauere Infos zu den angeführten Länderbeispielen und weiteren Staaten finden Sie in der WIFO-Studie „Mögliche Ansätze zur Unterstützung von Familien“ von Eva Festl, Hedwig Lutz und Margit Schratzenstaller (Mai 2009).
Download unter: tinyurl.com/bsbvkyn

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin sybille.pirklbauer@akwien.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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