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Wo die Millionen wohnen … Die Relation zwischen der EinwohnerInnenzahl und der Anzahl von Unternehmen in einem Land gibt Hinweise auf Briefkastenfirmen. Auf den britischen Virgin Islands kommen auf einen Einwohner bzw. eine Einwohnerin 34 Unternehmen.

Wo die Millionen wohnen …

Schwerpunkt

Steuerflucht und Steuerhinterziehung sind für viele Superreiche nach wie vor ein Kavaliersdelikt. Mehr als 70 Steueroasen weltweit profitieren davon.

Gründen Sie Ihre Offshore Firma noch heute … um nur 690 Euro“, werben Websites von Offshore-Anbietern. Anonymität, Büroservice und Bankkonto werden in allen renommierten Zentren zur Verfügung gestellt – „einfach, bequem, online“. Sichere Gesetzgebung sorgt dafür, dass keine Geschäftsinformationen ausforschbar sind, es gibt keine Besteuerung und daher keine Buchführungs- und Belegaufbewahrungspflichten, laut Anzeige der Website von Coldwell (tinyurl.com/ankke7f).

70 Steueroasen

In den vergangenen Jahrzehnten stieg die Anzahl der Steueroasen sprunghaft an und das Tax Justice Network (TJN) nennt bereits über 70 solcher Staaten. Die Vielzahl der beteiligten Firmen, Hedgefonds, Banken, Lizenzen oder Stiftungen und ihre enorm hohen Vermögenswerte beweisen weiters, dass die Konstruktionen keineswegs Ausnahmeerscheinungen darstellen. Daraus konnte sich ein paralleles System zugunsten von Eliten entwickeln – mit weitreichenden negativen Effekten.1 Die entstandenen Parallelökonomien in den Steueroasen können allerdings ohne bedeutende Finanzplätze wie London, Frankfurt, Zürich oder New York nicht funktionieren. Banken, Treuhänder und Unternehmen errichten in Steueroasen Stiftungen bzw. Trusts, die Vermögensverwaltung erfolgt aber in den dazugehörigen Ländern. Privatbanken und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften unterstützen die Kapitalflucht. Auch hier besteht eine starke Konzentration von Vermögenswerten bei den zehn größten Banken, die mehr als die Hälfte der Vermögenswerte der besten 50 Banken auf sich vereinen. Die Top Drei sind UBS, Credit Suisse und Goldman Sachs.
Auch Privatpersonen (die sogenannten HNWIs, High Net Worth Individuals) nutzen für ihr Privatvermögen diese Systeme zur Steuerflucht. Aktuelle Schätzungen2 gehen von einem unversteuerten Finanzvermögen von mindestens 26.230 Mrd. Euro aus. Eine Gegenüberstellung der Daten von 2005 und 2010 zeigt einen Anstieg von knapp zehn Prozent. Unter der Annahme einer moderaten Rendite von drei Prozent und einem Einkommenssteuersatz von 30 Prozent ergibt sich ein Steuerausfall von bis zu 230 Mrd. Euro. Obwohl genaue Daten fehlen, sind die Ergebnisse konsistent mit anderen Studien.3
Innerhalb von Konzernen ist der Einsatz von Transferpreisen ein attraktives Instrumentarium. In Niedrigsteuerländern ansässigen Konzerntöchtern werden überhöhte Preise für deren Güter und Dienstleistungen bezahlt und umgekehrt. Dadurch werden Gewinne buchhalterisch in das Land mit niedrigen Steuern und Verluste in jenes mit hohen Steuern verschoben. Fehlende Offenlegungspflichten in den Unternehmensbilanzen erleichtern Gewinnverlagerungen. Folglich sind auch keine Daten hinsichtlich des Ausmaßes vorhanden. Dass die Steuerausfälle beträchtlich sind, zeigen Schätzungen der OECD und anderer Expertinnen und Experten. Demnach werden bis über 70 Prozent des Welthandels innerhalb von Unternehmensgruppen getätigt. Nach einer Befragung von Ernst&Young legen von den befragten 850 Unternehmen 77 Prozent ein Hauptaugenmerk auf Transferpreise.

Cayman Islands: 732 Unternehmen

Die Relation zwischen der EinwohnerInnenzahl und der Anzahl von Unternehmen in einem Land gibt Hinweise auf Briefkastenfirmen. Auf den britischen Virgin Islands kommen auf einen Einwohner bzw. eine Einwohnerin 34 Unternehmen. Laut dem US-amerikanischen Rechnungshof befinden sich auf den Cayman Islands 732 börsennotierte Unternehmen. Weiters schätzt der Rechnungshof, dass 83 der 100 größten Unternehmen Töchter in Steueroasen haben. Eine Analyse von 95 Prozent der börsennotierten britischen, niederländischen und französischen Unternehmen ergibt, dass 99 Prozent derselben, allen voran jene aus der Bankenbranche, verstärkt in Steueroasen operieren.4 Im Zuge der Insolvenz des Energiekonzerns Enron wurde bekannt, dass 881 Töchter in Steueroasen ansässig sind. Auch der sogenannte Umsatzsteuer-Karussellbetrug hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen und eine beachtliche Komplexität erreicht. Für das Karussell ist lediglich der Aufbau einer grenzüberschreitenden Lieferkette notwendig.5 Maßnahmen zur Betrugsbekämpfung wurden bereits ergriffen,6 jedoch nur zaghaft. Die Einschränkung auf in der Vergangenheit betrugsanfällige Branchen bewirkt eine Verlagerung auf andere, davon nicht betroffene Gegenstände und Dienstleistungen. Schätzungen potenzieller Umsatzsteuerausfälle in Österreich liegen zwischen zwei und vier Mrd. Euro.

Regulierung zögerlich bis gelassen

Es gibt keine einheitliche Definition des Begriffes Steueroase. Die OECD entwickelte 1998 charakteristische Merkmale zur Kennzeichnung von Steueroasen:

  • Keine oder nur geringe Besteuerung von Kapitaleinkünften
  • Keine oder ungenügende Offenlegungs- und Aufsichtspflichten
  • Eigene steuerliche Regelungen für sogenannte Briefkastenfirmen ohne einen notwendigen Nachweis einer tatsächlichen unternehmerischen Tätigkeit
  • Fehlender Informationsaustausch mit Finanzverwaltungen anderer Staaten

Andere Institutionen, wie etwa der IWF, verwenden ähnliche Definitionen und Listen. Das TJN kritisiert jedoch das Fehlen näherer Kriterien. Grundsätzlich aber werden Steuerumgehung und -flucht durch entsprechende gesetzliche Regelungen und andere Rahmenbedingungen in den Steueroasen gedeckt. Um solche Staaten aufzuspüren, entwickelte das TJN 2009 einen Schattenfinanzindex. Neben der Größe und Bedeutung des Finanzplatzes wird auch Intransparenz, etwa durch das Bankgeheimnis, als Kriterium genannt. Die Spitze der Liste wird von den USA, Luxemburg, der Schweiz, den Cayman Islands und London angeführt. Österreich liegt bereits an zwölfter Stelle. Bisher unverdächtige Staaten wie Japan oder Deutschland rücken in diesem Index weit nach vorne.
Versuche, steuerschädliche Praktiken von Steueroasen gegenüber anderen Staaten zu unterbinden, Steuerflucht zu verhindern sowie steuerflüchtige Personen und Firmen der Strafverfolgung auszusetzen, werden auf vielfache Weise unterlaufen. So nahm beispielsweise die OECD auf politischen Druck der Kapitallobby ihre ursprüngliche Forderung nach einem automatischen Informationsaustausch zugunsten einer „Information auf Anfrage“ bei nachweisbarem Verdacht wieder zurück. Wenn aber das Recht auf Information erst dadurch begründet wird, dann wird dieses Recht in Ermangelung vorhandener Vorabinformation ad absurdum geführt. Ebenso konterkarieren die jüngsten Doppelbesteuerungsabkommen der Schweiz mit Deutschland, Großbritannien und Österreich die ab 2013 geltende EU-Amtshilferichtlinie (RL 2011/16/EU) zum gegenseitigen Informationsaustausch. In diesen Abkommen verzichten die Vertragspartner mit der Schweiz auf Informationen und in weiterer Folge auf Strafverfolgung von Personen, die ihr Vermögen in ungesetzlicher Weise steuerschonend in der Schweiz veranlagen. James Henry, Mitglied des TJN, kritisiert auch, dass die offiziellen Institutionen wie IMF, Weltbank, Bank für internationalen Zahlungsausgleich, Zentralbanken oder OECD und G20 kaum Forschung in diesem Bereich betrieben haben, zumal sie aufgrund ihrer verfügbaren Daten einen wesentlichen Beitrag leisten könnten.

Das System wird ausgebaut

Viele Länder verweigern oder erschweren nach wie vor den Datenaustausch zwischen den Finanzbehörden. Die Forderung besteht folglich darin, den Austausch von Informationen als Standard automatisch durchzuführen. Nur so kann gewährleistet werden, dass die Vermögenswerte in den Wohnsitzländern der Steuerpflichtigen überhaupt bekannt sind. Die G20-Länder haben 2009 erklärt, die Ära des Bankgeheimnisses gehe zu Ende. Vorliegende Studien belegen jedoch gerade das Gegenteil: Das System der „versteckten Vermögenswerte“ funktioniert bestens und wird weiter ausgebaut.

Mehr Infos unter: www.taxjustice.net

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin gertraud.lunzer@akwien.at oder die Redaktion aw@oegb.at


1
Ötsch: Die Normalität der Ausnahme: Finanzoasen als Parallelökonomie von Eliten und die ausbleibende Regulierung, 2012.
2 Henry: The Price of Offshore Revisited, 2012.
3 Scorpio 2005; Piketty und Zucman 2012 oder Atkinson und Saez 2011.
4 Christensen: The Spectre of Tax Havens. Secrecy, global crisis and poverty, 2009.
5 EU-Kommission 2004, 260.
6 EU-Kommission 2007, 758.

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