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Mythen zur Steuer- und Abgabenlast Da die BezieherInnen von Sozialleistungen oft ein geringes Einkommen und eine hohe Konsumquote haben, kann der Effekt einer reduzierten Abgabenquote in einer Dämpfung des privaten Konsums bestehen.
Buchtipp

Mythen zur Steuer- und Abgabenlast

Schwerpunkt

Wir spüren es doch alle, die Abgaben sind zu hoch - überall anders ist es besser. Oder?

Österreich ist einer der größten Schröpfer“, betitelt das Nachrichtenmagazin News in gewohnt seriöser Aufmachung einen Artikel zur Abgabenlast. Die OECD konstatiert für Österreich eine Abgabenquote von 42 Prozent und ordnet es damit ins obere Drittel der verglichenen Länder ein. H.C. Strache sagt, dass wir durch das Konsolidierungspaket 2012 eine Abgabenquote von 46 Prozent bekommen. Die WKÖ prognostiziert dagegen nur einen sanften Anstieg auf 42,9 Prozent. Wer bietet mehr/weniger?
In Wirklichkeit ist es – wie in vielen Dingen – einfach Definitionssache. Die Abgabenquote wird zwar gemeinhin als eine Kennzahl definiert, die den Anteil von (öffentlichen) Steuern und Sozialabgaben an der Wirtschaftsleistung (BIP) eines Landes in Prozent ausdrückt.
In der Praxis liegt der Teufel aber im Detail: Fügt man zur oben angeführten Definition nämlich zum Beispiel die sogenannten „imputierten Sozialbeiträge“ hinzu, erhöht sich die Abgabenquote gleich um circa zwei Prozentpunkte. Unter „imputierten Sozialbeiträgen“ versteht man vor allem die öffentlichen Zuzahlungen für die Sozialleistungen der Beamtinnen und Beamten. Die Abgabenquote verändert sich auch, wenn man etwa Einnahmen aus Staatsunternehmen hinzuzählt – oder eben nicht.


Mythos 1: Die Abgabenlast in Österreich ist im internationalen Vergleich unerträglich hoch.

Wahrheit: Wir liegen im oberen Mittelfeld, abgesehen davon sagen Abgabenquoten jedoch wenig aus und sind international nur sehr, sehr schwer vergleichbar.

Das bedeutet konkret: Es gibt Länder, wo der Gesetzgeber vorschreibt, dass ArbeitnehmerInnen und ArbeitgeberInnen Beiträge in eine private Versicherung einzuzahlen haben. Diese Versicherung muss aber gleichzeitig staatliche Mindeststandards erfüllen (sowohl was Zugang als auch Leistungsniveau betrifft) und entspricht daher vom Konstrukt her einer öffentlichen Kranken- oder Pensionsversicherung.
Man denke dabei etwa an die Gesundheitsversorgung in den Niederlanden oder die sogenannte Superannuation Guarantee (verpflichtende private Pensionssäule) in Australien. Dennoch spiegeln sich diese ArbeitnehmerInnen- und ArbeitgeberInnenbeiträge nicht in der Abgabenquote der entsprechenden Länder wider.
Niedrige Steuern und Sozialabgaben sind demnach nicht automatisch mit geringen Aufwendungen für die Bereiche Arbeitslosigkeit, Gesundheit, Alter und Pflege gleichzusetzen. Sie besagen lediglich, dass die Ausgaben in diesen Bereichen in geringerem Maße über die öffentlichen Haushalte organisiert werden als in anderen Staaten. Die Lohnnebenkosten weisen dann folglich eben einen höheren Anteil an Privatversicherungen für Alter, Gesundheit etc. auf (gerade im Bereich der Mittelschichtslöhne).

Österreich und Schweiz

Der große Unterschied, der beispielsweise immer wieder zwischen der Schweiz und Österreich signalisiert wird, existiert in Wirklichkeit so nicht. Die Unterschiede zwischen den Abgabenquoten der beiden Länder sind vor allem das Ergebnis eines anders strukturierten Pensionssystems in der Schweiz, wo die Beiträge nicht als Abgaben definiert werden. Bei einer entsprechenden Berücksichtigung dieser Beiträge liegen die Abgabenquoten beider Länder sehr nahe beieinander.

Mythos 2: Überall werden vernünftigerweise die Abgabenquoten gesenkt, nur bei uns tut sich nichts.

Wahrheit:
Angesichts der Finanzkrise und ihrer schweren Folgen mussten viele Länder ihre Abgabenquoten zum Teil deutlich erhöhen, Österreich hat seine Abgabenquote dagegen in den vergangenen vier Jahren jährlich gesenkt. Nicht alle Länder haben ihre Abgabenquote während der Finanzkrise verringert, einige (nicht Österreich) haben sie sogar ausgeweitet. Ein deutlicher Anstieg zwischen 2007 und 2010 war etwa in der Schweiz, in Deutschland, in Belgien, in Luxemburg und in Estland festzustellen.
Dagegen wurde die Abgabenquote in Österreich bereits wiederholt abgesenkt. Man denke nur an die Einführung der Gruppenbesteuerung und die Herabsenkung der Körperschaftssteuer von 34 Prozent auf 25 Prozent im Jahr 2005 sowie die Einkommens- und Unternehmenssteuersenkungen 2009 (Kinderbetreuungskosten, Tarifreform, Gewinnfreibetrag etc.). Vom Hauptteil der Steuersenkungen profitierten leider Unternehmen und Besserverdienende, was das Grundproblem des österreichischen Steuer- und Abgabensystems noch verschärfte.

Ungerechte Verteilung

Unser Problem ist nicht eine zu hohe Abgabenquote, sondern vielmehr eine ungerechte Verteilung der Steuer- und Abgabenlast zuungunsten der ArbeitnehmerInnen.

Mythos 3: Eine hohe Abgabenbelastung schwächt die Wirtschaft und das Wachstum.

Wahrheit: Vielmehr gefährden ein geringes Steueraufkommen und der da-mit einhergehende Mangel an öffentlichen Investitionen die Wettbewerbsfähigkeit. Es zeigt sich, dass es für eine erfolgreiche wirtschaftspolitische Strategie nicht ausreicht, dass sich der Staat zurückzieht und möglichst geringe Steuern einhebt. Der Mangel an öffentlichen Investitionen gefährdet vielmehr die Wettbewerbsfähigkeit.
Ein Blick auf die Staaten mit besonders hohen oder niedrigen Abgabenquoten zeigt, dass es einen Zusammenhang zwischen hoher Abgabenbelastung und Wirtschaftswachstum so überhaupt nicht gibt. Länder mit hohem BIP je EinwohnerIn haben meist auch eine hohe Abgabenquote. Das bedeutet, dass der wirtschaftliche Fortschritt mit sozialem Fortschritt in diesen Staaten einhergegangen ist.
So haben etwa die skandinavischen Staaten eine hohe Abgabenquote und stehen gleichzeitig im internationalen Vergleich sowohl in wirtschaftlichen als auch in sozialen Belangen sehr gut da. Die niedrigsten Abgabenquoten in der EU weisen neben Rumänien die baltischen Staaten, Irland und Griechenland auf – Länder, die derzeit mit massiven wirtschaftlichen Schwierigkeiten kämpfen. Eine niedrige Abgabenquote garantiert also keineswegs eine hohe Wettbewerbsfähigkeit.


Oft ist eine niedrige Abgabenquote schädlich für die Wirtschaft und die Wettbewerbsfähigkeit, wenn es an Investitionen in die Bildung und einer strategischen Industriepolitik mangelt.

Es ist wichtig, dass Staaten ihre laufenden Ausgaben aus laufenden Einnahmen decken können und diese nicht durch Schuldenaufnahme finanzieren. Das erfordert aber eine höhere und nicht eine geringere Abgabenquote.

Abgabenquote und Konsum

Zwar würden durch die Senkung von Steuern und Abgaben auch die Nettoeinkommen mancher Personengruppen steigen, aber dem stehen Kürzungen von Geld- und Sachleistungen bei anderen Haushalten gegenüber.
Denn wenn die Abgabenquote gesenkt wird, dann müssen auch die Leistungen des Staates reduziert werden (etwa Transferleistungen wie Kinderbetreuungsgeld, Arbeitslosengeld, Pflegegeld oder die Pensionen). Weil die BezieherInnen von Sozialleistungen oft ein geringes Einkommen und eine hohe Konsumquote haben, kann der Effekt einer reduzierten Abgabenquote in einer Dämpfung des privaten Konsums bestehen.
Wer sich also nachhaltig für den Sozialstaat und für Umverteilung engagieren will, muss auch für eine hohe Abgabenquote eintreten!

OECD-Statistik: tinyurl.com/bqz2hq9

Statistik österreichische Steuerstruktur im internationalen Vergleich:
tinyurl.com/chdt9k9

Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor martin.bolkovac@gpa-djp.at
oder die Redaktion aw@oegb.at

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