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Der kleine Unterschied Steuerfreie Zulagen werden in der Regel für Tätigkeiten, welche mit einer erheblichen Verschmutzung oder einer erhöhten Gefahr einhergehen, gewährt und Überstundenzuschläge sind nur für Arbeitsstunden steuerfrei, ...

Der kleine Unterschied

Schwerpunkt

Vor der Steuer sind wir alle gleich, könnte man meinen - aber auch hier gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede.

Dass von gleichem Einkommen zwischen Männern und Frauen nicht die Rede sein kann, ist allgemein bekannt, aber vor der Steuer sind wir wohl alle gleich – oder? Tatsache ist, dass die Steuergesetze formal keine Differenzierung zwischen den Geschlechtern vornehmen. Allerdings bedeutet dies nicht zwangsläufig eine effektive Gleichstellung, denn aufgrund der divergierenden ökonomischen Situation von Frauen und Männern ergeben sich unterschiedliche steuerliche Effekte. Diese treten in verschiedenen Bereichen des Steuersystems auf.

Konsumsteuern belasten oft Frauen

Bei der Einkommenssteuer werden die meisten Steuervergünstigungen von Frauen aufgrund ihrer im Durchschnitt geringeren Einkommen nicht im selben Ausmaß genutzt wie von Männern. Auch Konsumsteuern, z. B. die Umsatzsteuer oder Energieabgaben, belasten Frauen tendenziell stärker als Männer: Erstere müssen einen höheren Anteil ihres verfügbaren Einkommens für Konsumausgaben aufwenden. Aufgrund ihres niedrigeren Einkommens sind Frauen seltener zum Vermögensaufbau in der Lage, weshalb vermögensbezogene Steuern Männer stärker betreffen. Angesichts dieser Überlegungen scheint die Annahme, dass das österreichische Steuersystem faktisch nicht geschlechtsneutral ist, nicht vollkommen an der Realität vorbeizugehen. Zusätzlich untermauert wird dies anhand der Daten zur Lohn- und Einkommenssteuer. Die ungleiche Steuerwirkung findet ihren Ausgangspunkt in dem geringen Einkommen von Frauen. Laut Lohnsteuerstatistik 2010 ist das jährliche Bruttoeinkommen vollzeitbeschäftigter Frauen mit ganzjährigen Bezügen durchschnittlich 23,6 Prozent niedriger als jenes vergleichbarer männlicher Arbeitnehmer. Aufgrund der Progressivität des Einkommenssteuertarifs gleicht sich die Verteilung des Nettoeinkommens zwar etwas aus, doch ist sie auch Ursache dafür, dass viele Steuerbegünstigungen Frauen nicht im gleichen Ausmaß wie Männer entlasten. Der Großteil der Steuererleichterungen im Bereich der Einkommenssteuer wird in Form von Freibeträgen gewährt, welche lediglich das steuerpflichtige Einkommen und nicht den Steuerbetrag selbst reduzieren. Der Vorteil, den eine Person aus der Geltendmachung eines Freibetrags erzielen kann, ist sohin begrenzt mit dem Steuersatz, der auf diesen Einkommensteil anzuwenden ist.
Daher ist es nicht überraschend, dass im Bereich der ArbeitnehmerInnenveranlagung (ANV) Männer insgesamt die größeren Profiteure sind. Dies zeigt sich bei Betrachtung der Auswertung der ANV 2008. Hier betrug bei weiblichen ArbeitnehmerInnen die durchschnittliche Steuergutschrift 283 Euro, wohingegen Männer 478 Euro erhielten. Der Grund für diese Diskrepanz ist jedoch nicht ausschließlich die vorhin genannte Progression des Steuertarifs. Vielmehr kommt man nach Betrachtung der Lohnsteuerstatistik 2010, aber auch der ArbeitnehmerInnenveranlagung 2008, zu dem Schluss, dass für Frauen die Zugänglichkeit zu einzelnen Steuerbegünstigungen wegen der strukturellen Unterschiede der Arbeitsplätze eingeschränkt ist. Am offenkundigsten ist dies an der Inanspruchnahme der Steuerfreiheit für gewisse Auslandstätigkeiten zu sehen. Da sich diese Begünstigung auf Bau- und Montagetätigkeiten beschränkt, ist es verständlich, dass vor allem Männer in deren Genuss kamen. Genauer gesagt bezogen 2010 17.967 Männer, das sind 0,8 Prozent aller männlichen Arbeitnehmer, aber nur 791 Frauen bzw. 0,04 Prozent aller Arbeitnehmerinnen Einkünfte im Zusammenhang mit einer begünstigten Auslandstätigkeit. Obwohl dieses Beispiel einen Extremfall darstellt, ist es doch kein Einzelfall.

Männer öfter steuerbefreit

Das hier beschriebene Phänomen zeigt sich auch bei Betrachtung anderer Steuerbegünstigungen. Der Paragraf 68 des Einkommenssteuergesetzes regelt die besondere Besteuerung von gewissen Bezügen. Beispielsweise findet sich dort die Steuerfreiheit der Überstundenzuschläge und bestimmter Zulagen (z. B. Gefahrenzulage). Wirft man nun einen genaueren Blick auf die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit derartiger Bezüge, so wird es nicht überraschen, dass Männer auch hier einen größeren Nutzen daraus ziehen. Steuerfreie Zulagen werden in der Regel für Tätigkeiten, welche mit einer erheblichen Verschmutzung oder einer erhöhten Gefahr einhergehen, gewährt und Überstundenzuschläge sind nur für Arbeitsstunden steuerfrei, die über die gesetzliche Normalarbeitszeit hinausgehen. Zuschläge für Mehrarbeit von Teilzeitbeschäftigten sind daher nicht steuerbegünstigt. Diese Frauen benachteiligenden Zugangsvoraussetzungen manifestieren sich letztlich auch in offiziellen Statistiken. Der Lohnsteuerstatistik kann entnommen werden, dass 44,4 Prozent der vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmerinnen mit ganzjährigen Einkommen steuerfreie Bezüge erhielten, aber 64,8 Prozent der Männer. Darüber hinaus betrug die durchschnittliche Höhe für Männer 1.420 Euro, allerdings nur 978 Euro für Frauen. Dies zeigt, dass sowohl der Anteil der Frauen, welche derartige Bezüge erhalten, als auch die Höhe der Beträge für Frauen jeweils knapp ein Drittel geringer sind als für männliche Arbeitnehmer.

System der Individualbesteuerung

Analysiert man die im Rahmen der ANV geltend gemachten Ausgaben, so wird der bisher gewonnene Eindruck weiter verstärkt. Es machten mit 58 Prozent der Arbeitnehmerinnen und 59 Prozent der Arbeitnehmer zwar nahezu gleich viele Personen eine ANV, doch sowohl der Anteil der Frauen, die steuermindernde Ausgaben geltend machten, als auch die durchschnittliche Höhe der Ausgaben sind geringer als bei den Männern. Besonders augenscheinlich ist dies bei den Werbungskosten. Einerseits ist der Anteil der Männer mit Werbungskosten mit 19,3 Prozent zu 15,7 Prozent größer und zudem ist die durchschnittliche Höhe der Werbungskosten von Frauen um ein Drittel geringer. Abseits der hier aufgezählten individuellen Steuerbegünstigungen bestehen zudem durch die steuerliche Berücksichtigung von Unterhaltspflichten gegenüber dem bzw. der (Ehe-)PartnerIn Verzerrungen zulasten von Arbeitnehmerinnen. Grundsätzlich findet in Österreich das System der Individualbesteuerung Anwendung. Dies bedeutet, dass jede Person für das eigene Einkommen unabhängig vom Familienstand bzw. der Anzahl der Kinder zu besteuern ist. In diesem Besteuerungssystem würde die Tatsache, dass ein Partner oder eine Partnerin kein eigenes Einkommen erzielt, gänzlich irrelevant sein. Allerdings findet mit der Gewährung des Alleinverdienerabsetzbetrags (AVAB) eine Durchbrechung dieses Grundsatzes statt, da für den Anspruch auf diesen Absetzbetrag das Einkommen des Partners bzw. der Partnerin eine bestimmte Grenze nicht überschreiten darf.
Hinsichtlich der geschlechtsspezifischen Verteilung des AVAB gibt es leider seit dem Jahr 2002 keine eindeutigen Daten mehr. Allerdings weist Einhaus1 darauf hin, dass im Jahr 2007 insgesamt 16 Prozent der zur Einkommenssteuer veranlagten Männer, aber nur 2,1 Prozent der Frauen den AVAB beantragten. Wenngleich sich dieses Verhältnis unter Berücksichtigung der lohnsteuerpflichtigen Personen vermutlich zugunsten der Frauen verbessern wird, ist es doch ein starkes Indiz dafür, dass auch diese Steuerbegünstigung speziell den Männern zugutekommt. Richtigerweise könnte eingewendet werden, dass im Gegensatz dazu der AEAB vorwiegend von Frauen geltend gemacht wird und er diese daher bevorzugt. Doch dieses Argument verkennt die eigentliche genderspezifische Problematik des AVAB. Da er an ein geringes PartnerInneneinkommen geknüpft ist, besteht für die in der Regel weiblichen ZweitverdienerInnen der Anreiz, das Einkommen gering zu halten.

Erwerbsarbeit vs. unbezahlte Arbeit

Somit stellt dieser Absetzbetrag ein Instrument dar, welches die Aufteilung der Erwerbsarbeit zugunsten der Männer und die der unbezahlten Arbeit zulasten der Frauen fördert. Um jedoch eines Tages behaupten zu können, das Einkommenssteuersystem sei nicht nur formal, sondern auch effektiv geschlechtsneutral, bedarf es einer Verbesserung der ökonomischen Situation von Frauen im Erwerbsleben. Nur wenn es gelingt, die Diskrepanzen der Einkommenshöhe und auch der Einkommensstruktur zwischen den Geschlechtern zu beseitigen, würde auch die mittelbare Diskriminierung des bestehenden Einkommenssteuerrechts behoben werden. Bis dahin wäre es zu überlegen, ob im Sinne der Geschlechtergerechtigkeit die mannigfaltigen Begünstigungen reduziert und im Gegenzug die Lohnsteuer insgesamt, vor allem jedoch für NiedrigverdienerInnen, gesenkt werden sollte.

1 Einhaus, Arnd: Geschlecht und Steuerwirkung – Einkommen und einkommensabhängige Abgaben von Männern und Frauen. BMF Working Paper 3/2010, S. 14.

Mehr Infos unter: tinyurl.com/btu5o46

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