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MMag. Dr. Otto Farny Wir betreiben Steuerrecht nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch, und wir betreuen in etwa 20.000 ArbeitnehmerInnen im Jahr, wenn ich die telefonischen Auskünfte dazuzähle.

Ist Erbschleichen eine Leistung?

Interview

AK-Steuerexperte Otto Farny über Vermögenssteuer, Erbschaftssteuer, ein ungerechtes System und eine zum Thema Steuern kaum informierte Bevölkerung.

Arbeit&Wirtschaft: MMag. Otto Farny, Sie sind Leiter der Abteilung Steuerpolitik der AK Wien und auch maßgeblich an Steuerkonzepten der ArbeitnehmerInnen-Vertretungen beteiligt. Zahlen Sie eigentlich gerne Steuern?

Otto Farny: Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, es macht mir großen Spaß, wenn mir die Lohnsteuer abgezogen wird. Ich sehe natürlich ein, dass ein gerechter und sozialer Staat finanziert werden muss, und das bedeutet auch entsprechend hohe Steuerquoten. Insofern bin ich kein Steuervermeider.

Sie kommen also trotz umfangreichen Wissens nicht in Versuchung irgendwie zu tricksen?

Nein, ich habe auch selbstständige Einkommen – Vortrags- und Buchautorenhonorare zum Beispiel – und ich bin noch nie auf die Idee gekommen, da irgendwelche Honorare zu unterschlagen. Ich bin überzeugt, dass es notwendig ist, für den Zusammenhalt der Gesellschaft auch die vorgegebenen Abgaben zu entrichten.

Das ist nicht selbstverständlich, wie man etwa an Ex-Finanzministern sieht ...

Das ist nicht selbstverständlich, wenn offenbar selbst Spitzenrepräsentanten des Staates sich daran nicht halten. Das gibt ein ganz schlechtes Bild ab und legitimiert dann viele, es genauso zu machen, wenn auch nicht in diesen Dimensionen.

Das Thema Steuern ist für die meisten Leute problembelastet, weil sich niemand auskennt. Haben wir tatsächlich ein so kompliziertes Steuersystem?

Es ist schon sehr, sehr kompliziert. Ich betone immer wieder, dass wir Anstrengungen unternehmen müssen, es logischer und für die BürgerInnen transparenter zu machen. In manchen Branchen, wenn wir bei den Arbeitneh-merInnen bleiben, ist es auch für Expertinnen und Experten schwierig, bei der Lohnverrechnung alles zu überprüfen und nachzuvollziehen. Da hat sich im Lauf der Jahre ein System aufgetürmt, in dem der Einzelne trotz des sogenannten Bierdeckeltarifs keine Chance hat das nachzurechnen, und er kann dadurch natürlich viele Übervorteilungen nicht erkennen.

Sie meinen die Idee, dass die Einkommenssteuererklärung auf einen Bierdeckel passen müsse, die immer wieder auftaucht. Team Stronach und das BZÖ propagieren ja Flat bzw Fair Tax. Hat das einen Sinn?

Zunächst kann man den Steuerlaien vom Steuerexperten vor allem dadurch unterscheiden, dass der Steuerlaie glaubt, wenn der Tarif einfach ist, ist das Steuersystem einfach. Der Tarif ist eigentlich ziemlich egal, weil in den meisten Fällen die Steuer ohnehin nur durch ein elektronisches System berechnet werden kann. Was aber nicht egal ist, das sind die vielen Sonderbestimmungen, deren Beherrschung jahrelanges Training erfordert. Das muss in der Dimension nicht so sein. Ich stelle jetzt damit nicht die ArbeitnehmerInnen-Begünstigungen mit Zulagen, Zuschlägen in Frage. Ich glaube nur, man könnte das Ganze wesentlich arbeitnehmerfreundlicher und einfacher machen, wenn man das von Grund auf überarbeiten würde.

Die AK hat da große Erfahrungswerte: Ihr helft jedes Jahr vielen ArbeitnehmerInnen beim Steuersparen. Was sind dabei die problematischsten Felder?

Wir betreiben Steuerrecht nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch, und wir betreuen in etwa 20.000 ArbeitnehmerInnen im Jahr, wenn ich die telefonischen Auskünfte dazuzähle. Damit erreichen wir einen bedeutenden Prozentsatz der Wiener Arbeitnehmerschaft.
Im Lohnsteuerbereich sind wir die größten Auskunftsgeber. Wir kennen die Probleme der Praxis bis ins kleinste Detail. Manche Dinge in unserem Steuerrecht sind eben auch steuerpsychologisch ganz schlecht. Die Leute spüren das am meisten, wenn sie etwas nachzahlen müssen, z. B. im komplizierten Bereich der Insolvenzen, der immer mehr Beschäftigte betrifft. Da wird zunächst nur ein Teil der endgültigen Steuer abgezogen, dann kommt das Ganze zum Finanzamt und dann wird der Rest nachverlangt. Oft stellt schon der Masseverwalter nicht die richtigen Grundlagen für diese Besteuerung aus oder die Unterlagen fehlen überhaupt. Die Insolvenzgeschädigten sind meistens arbeitslos und bekommen gerade dann sehr hohe Nachforderungen. Hier bin ich unbedingt für einen Umbau des ganzen Systems, sodass möglichst pauschal gleich die richtige Steuer bemessen wird. Früher hatten wir ein bewährtes System: den Belastungsprozentsatz. Das hat man dann geändert, aber ich glaube, nicht zum Wohl der ArbeitnehmerInnen.

Wie auch einige Änderungen im Steuersystem in den letzten zehn Jahren nicht unbedingt zum Wohl der ArbeitnehmerInnen waren. Was waren die problematischsten Änderungen?

Generell ist es so, dass insbesondere in der Regierungszeit von Schwarz-Blau Steuern, die die ArbeitnehmerInnen treffen, erhöht wurden – ich denke nur an die Mineralölsteuer – und dass die Unternehmenssteuern gesenkt wurden. Es hat zwar eine Lohnsteuersenkung gegeben, die war jedoch gerade mal der Ausgleich der kalten Progression, also in Wirklichkeit keine Steuersenkung. Aber der Körperschaftssteuersatz ist z. B. von 31 auf 25 Prozent gesenkt worden und das ist eine ganz kräftige, dauerhaft wirksame Steuersenkung. Damit verschiebt sich in der kalten Progression, die ja weiter läuft, das Steuerungleichgewicht laufend auf die Arbeitnehmerseite.

AK und ÖGB fordern immer wieder Vermögenssteuern. Was würden die bringen?

Das Modell, das der ÖGB vorgelegt hat, das sich ein wenig vom Modell der SPÖ unterscheidet, bringt nach unseren Berechnungen 12,5 Mrd. Euro – nicht unbedingt wenig. In Österreich gibt es  auch im internationalen Vergleich eine Überbesteuerung der Arbeit, laut OECD-Report besonders bei den kleineren Einkommen, bei denen, die knapp über dem steuerlichen Existenzminimum von 1.200 Euro brutto liegen. Hier stellt die Kombination von Sozialversicherungsbeiträgen und Lohnsteuern wirklich eine sehr empfindliche Belastung dar.

Also denen, die wenig haben, wird am meisten weggenommen?

Es geht darum, vor allem den Einkommenssteuersatz zu senken. Wir wissen natürlich, dass das Budget knapp ist und konsolidiert wird. Wir glauben an eine Steuerstrukturveränderung, d. h. die vermögensbezogenen Abgaben anzuheben – nicht nur die Vermögenssteuer, auch die Erbschaftssteuer – und damit vor allem im unteren Einkommensbereich die Abgabenbelastung zu senken. Das ist das Hauptziel.

Die Erbschaftssteuer ist ein heikles Thema, um das sich viele Mythen ranken ...

Natürlich ist die Erbschaftssteuer ein Abzug vom ererbten Vermögen. Aber das Argument „Da habe ich schon einmal Steuer gezahlt“ hebelt sich schon dadurch aus, dass Sie auch bei der Umsatzsteuer, der aufkommensstärksten Steuer, oder bei der Mineralölsteuer Ihr bereits versteuertes Netto-Entgelt ausgeben und dann noch einmal Steuer zahlen.
Die AK hat ein Modell vorgeschlagen, bei dem Erbschaften im Familienkreis erst ab 300.000 Euro besteuert werden. Das finde ich gerecht. Erstens einmal machen die wenigsten ArbeitnehmerInnen Erbschaften in dieser Höhe und wenn doch, dann kann man einen kleinen Teil für das Gemeinwohl abgeben.
Wir sehen eine dramatische Konzentration von Vermögen in wenigen Händen. Wenn wir das Instrument der Erbschaftssteuer nicht haben, können wir diesen Prozess nicht einmal bremsen, geschweige denn stoppen. Wir zahlen sehr viel Steuer, wenn wir Vermögen durch Arbeit erwerben wollen. Wenn einem das aber in den Schoß fällt durch das Glück der Geburt oder weil man eine betuchte Tante hat, soll man gar nichts zahlen? Das ist für mich nicht einsichtig.


Wenn von Steuer gesprochen wird, wird gerne von Leistung geredet.

Eben, und was soll Erbschleichen für eine Leistung sein?

Ist unser Steuersystem leistungsfördernd?

Nein, weil wir gerade bei den kleineren Einkommen und insbesondere bei Einkommen in der Facharbeiterkategorie eine hohe Steuerbelastung haben – bei gut verdienenden Facharbeitern erreichen wir den Gipfel der Grenzsteuerbelastung. Den Leuten werden von einer Lohnerhöhung 55 Prozent abgezogen, also mehr als einem Manager, der bei seinem Einkommen keine Sozialversicherungsbeiträge mehr zahlt. Das muss aus meiner Sicht durch eine Steuerstrukturreform unbedingt geändert werden.
Die Debatten zu Erbschaftssteuer und Vermögenssteuer entstehen auch mit dem Leistungsfreundlichkeits-Argument, weil ja diese Abgaben eingeführt werden sollen, um den meiner Meinung nach sehr unglücklichen Tarifverlauf bei der Lohnsteuer zu ändern.


Soll das Steuersystem progressiv bleiben?

Natürlich, unter den theoretischen Begründungen der Progression im Einkommenssystem, die ja schon im 19. Jahrhundert gelegt worden sind, findet sich ja das Leistungsfähigkeitsargument. Ich habe schließlich wenn ich über mehr Nettoeinkommen verfüge eine überproportionale Steuerzahlungsfähigkeit. Das Wirtschaftsforschungsinstitut führt immer wieder Verteilungsstudien durch. Bei der jüngsten Studie ist wieder festgestellt worden: Unser Abgabensystem verteilt insgesamt betrachtet nicht um. Das liegt daran, dass es Steuern gibt, die regressiv wirken, z. B. Konsumsteuern, und solche, die progressiv wirken – und das hebt sich gegenseitig auf. Das erwarten sich die meisten Leute nicht von einem Steuersystem. Wenn jetzt z. B. eine Partei kommt und sagt, sie will eine Flat Tax einführen, dann nimmt sie das letzte progressive Element aus dem Steuersystem und das gesamte Steuersystem wird regressiv. Da muss man diese Leute einmal fragen, ob sie das für Gerechtigkeit halten, wenn der Arme unverhältnismäßig mehr von seinem Einkommen zahlt als der Reiche.

Es gibt einige Fälle, in denen der Staat versucht mit Steuern zu steuern, z. B. Tabaksteuer oder Mineralölsteuer.

Ich bin an sich ein Gegner davon, mit Steuern zu viel steuern zu wollen, weil dieses Instrument zu grob ist und zu Mitnahmeeffekten führt, z. B. die steuerliche Forschungsprämie. Ich glaube nicht, dass man eine Feinsteuerung wirtschaftlich vernünftiger Forschungsinvestitionen über die Steuer zusammenbringt. Da gibt es viel bessere Instrumente, wie den Forschungsförderungsfonds, wo Expertinnen und Experten sitzen.
Das heißt, wir sind gut beraten, Steuern grundsätzlich dafür einzusetzen, möglichst gerecht die Mittel zur Staatsfinanzierung aufzubringen. Es wäre vernünftig, das als Hauptaufgabe des Steuersystems zu belassen. Das würde das Steuersystem insgesamt entschlacken.
In manchen Bereichen allerdings glaube ich, dass Abgaben schon lenken können und dass das auch sinnvoll ist, also denken Sie z. B. an die Steuern auf Tabak. Es ist zu einem gewissen Grad schon so, dass die Menschen weniger rauchen, wenn das teurer ist. Oder auch die Mineralölsteuer, die ja jetzt bei den hohen Benzinpreisen nicht beliebt ist, aber meiner Meinung nach vernünftig ist, weil wir eben ein CO2-Problem haben. Wenn Benzin wesentlich billiger wäre, hätten wir mehr Autoverkehr. Das wird eine Pendlerin oder ein Pendler nicht gerne hören, aber wir haben ja Vorschläge für die PendlerInnen. Ich bin der Überzeugung, dass man mit Steuern hier lenkend eingreifen muss, was den Ressourcenverbrauch betrifft.


Wäre da eine zweckgebundene Verwendung dieser Steuern sinnvoll?

Ja, Tabaksteuer, Alkoholsteuer usw. für das Gesundheitssystem zu verwenden ist glaube ich sinnvoll. Und zum Ausbau des Nahverkehrs, wo wir zu wenig Mittel haben, wäre eine Zweckbindung der Mineralölsteuer nicht von vorneherein schlecht.

Was halten Sie von Bürgerbeteiligungsmodellen?

Ich bin da sehr skeptisch. Die SchweizerInnen haben da eine sehr lange Tradition und muten sich auch Steuererhöhungen mit Abstimmung zu, die sie selbst treffen. Wir haben da keine Tradition, aber dafür umso mehr Demagogie.
Gerade haben wir in einer Umfrage abgetestet, wie viel die Menschen über Steuern wissen: sehr wenig. Offensichtlich weisen bei diesem Thema auch die Schulen gewisse Defizite auf. So haben die meisten Befragten geglaubt, dass die aufkommensstärkste Steuer die Mineralölsteuer ist – klar, das erleben sie an der Zapfsäule intensiv und ärgern sich darüber –, aber die macht natürlich viel weniger aus als z. B. die Umsatzsteuer oder die Lohnsteuer.
Ich bin grundsätzlich dafür, dass die Menschen über etwas abstimmen, über das sie informiert sind. Wenn der Aufklärungsgrad so gering ist wie beim Thema Steuern, bin ich dafür, dass man zuerst den Aufklärungsgrad verbessert und dann die Fragen vorlegt.
Ich habe in meiner Gymnasialzeit das Wort Einkommenssteuertarif nie gehört, dabei ist das etwas, was alle Menschen irgendwann betrifft und beschäftigt. Es gibt immer mehr Menschen, die die Steuererklärung selbst legen müssen und da muss man gewisses Basiswissen haben, wie der Tarif funktioniert. Auch Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen brauchen nicht zwingend einen Steuerberater, es gibt im ÖGB Flexpower, wo sie Rat bekommen. Kolleginnen und Kollegen mit freien Dienstverträgen sind AK-Mitglieder und werden von uns steuerlich beraten.


Haben Sie eine Lieblingssteuer?

Eine Steuer, mit der ich mich früher sehr gerne beschäftigt habe, weil sie intellektuell hohe Anforderungen stellt, war die Vermögenssteuer. Ich habe sie vor ihrer Abschaffung selbst bearbeitet und das ist eine vom technischen Anspruch her sehr anspruchsvolle Steuer – es ist eine gerechte Steuer, die die Vermögenskonzentration in wenigen Händen bremst und umverteilt.

Wir danken für das Gespräch.

Zur Person
MMag. Dr. Otto Farny
Geboren in Mistelbach am 27. Oktober 1955
Neusprachliches Gymnasium in Laa/Thaya
Studium der Rechtswissenschaften, Volkswirtschaftslehre und Philosophie an der Universität Wien
Seit 1983 in der AK Wien beschäftigt, dzt. Abteilungsleiter für Steuerpolitik
Verfasser von Kommentaren (z. B. zum Pensionskassengesetz und zu Abfertigung neu)
Verfasser von Studien (z. B. Vermögen und Erben in Österreich, Energiebesteuerung, Finanzausgleich in Österreich, Steuerwettbewerb in der EU)
Verfasser zahlreicher steuerpolitischer und steuerrechtlicher Artikel und Publikationen.

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