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Einsatz mit Semmerl SeniorInnen bringen den BeisitzerInnen ein- bis zweimal am Tag eine Jause vorbei - meistens Wurstsemmeln.

Einsatz mit Semmerl

Schwerpunkt

Den Wahltag verbringen WahlhelferInnen gewöhnlich in ihrem Wahlsprengel. Ein Überblick über diese demokratisch notwendige, triviale Tätigkeit.

Schreiten wir zur Wahl, dann kann nicht viel ohne die vielen freiwilligen WahlhelferInnen passieren. Im Dezernat Wählerevidenz, Wahlen und direkte Demokratie in der MA 62 weiß Leiter Otto Gmoser, wie viel Zeitaufwand dazugehört und wen wir in unserem Sprengel antreffen. „Eine Wahlbehörde besteht aus dem/der SprengelwahlleiterIn und seinem/seiner, ihrem/ihrer StellvertreterIn, die von der Gemeinde gestellt werden. Dazu kommen noch die drei politisch besetzten BeisitzerInnen.“ In Wien sind das derzeit zwei BeisitzerInnen der SPÖ und eine/r der FPÖ. Anzahl und Zusammensetzung sind freilich von den Ergebnissen der letzten Wahlen abhängig. „Daneben gibt es noch Wahlzeugen, die von allen kandidierenden Parteien gestellt werden können. Ein Wahlzeuge kann aber nur den Wahlgang beobachten, mehr nicht“, erklärt Gmoser.  Die Wahlzeuginnen und Wahlzeugen sämtlicher kandidierender Parteien können von Sprengel zu Sprengel fahren und die Wahlsituation beobachten. Anders verhält es sich mit den BeisitzerInnen: „Sie sind Mitglieder der Wahlbehörde. Wenn entschieden werden muss, ob eine Stimme gültig oder ungültig ist, dann haben sie zu entscheiden.“

Vertrauenspersonen

Darüber hinaus können die kandidierenden Parteien auch Vertrauenspersonen entsenden. Gmoser: „Der Unterschied zu den Wahlzeugen besteht darin, dass die Vertrauenspersonen der Wahlbehörde angehören und einem Sprengel zugeordnet sind. Bei der Auszählung der Stimmen können beide dabei sein, aber nicht mitbestimmen, wenn es Unsicherheiten bei der Zuordnung einer Stimme gibt.“ BeisitzerIn, Wahlzeuge, Wahlzeugin und Vertrauensperson kann jeder Mensch sein, der am Wahltag das 16. Lebensjahr vollendet hat – doch er/sie muss von einer Partei nominiert werden.

Wahl-Arbeitstag beginnt um fünf Uhr

Als Beisitzer war Dezernatsleiter Gmoser nie selbst tätig, denn seit er wahlberechtigt ist, arbeitet Gmoser für die MA 62. Doch der Wahltag ist auch für ihn purer Stress. Um fünf Uhr morgens ist Dienstbeginn und der Arbeitstag endet, wenn die letzte Bezirkswahlbehörde mit ihrer Auszählung fertig ist, zumeist um Mitternacht. Bei Gemeinderats- und Bezirksvertretungswahlen kann es aber auch bis fünf Uhr in der Früh dauern – ein 24-Stunden-Dienst ist also möglich.
Lange Wahlabende kennt auch Wahlbeisitzer Alexander Koppensteiner, der diese Aufgabe bereits seit 1998 ausübt. Zwar erhalten die WahlbeihelferInnen 30 Euro Aufwandsentschädigung, doch Koppensteiner spendet den Betrag der politischen Bewegung – das ist nicht Pflicht, aber doch Tradition. „Meine Genossen haben mich gebeten als Wahlbeisitzer mitzuarbeiten, und es macht immer noch Spaß. Wenn man sich zu Wahlen bekennt, sollte man auch deren Abhaltung unterstützen“, erklärt Koppensteiner. Dass WahlbeisitzerInnen aufeinander angewiesen sind, mit den BeisitzerInnen anderer Parteien gut zusammenzuarbeiten, ist für Koppensteiner kein Problem. „Das ist eigentlich sehr leicht, denn wir alle haben das gleiche Ziel: den Tag möglichst angenehm hinter uns zu bringen.“
Angenehm heißt etwa, nicht die ganze Nacht bei der Auszählung zu verbringen und als sogenannte „fliegende Wahlkommission“, die zu Gebrechlichen in die Wohnung kommt, nicht mehr nach dem eigentlichen Wahlschluss unterwegs zu sein. Otto Gmoser hat das Jahr 1996 noch genau in Erinnerung, denn damals fanden die Gemeinderatswahlen und die Wahlen zum Europäischen Parlament am gleichen Tag statt. „Das war fürchterlich. Zwar werden durch Wahlen am gleichen Tag auch Kosten eingespart, aber für die Wahlbehörden entstand 1996 das fürchterlichste und schlimmste Chaos, das man sich vorstellen kann.“
Nur ein kleiner Rückblick: Bei der Stimmzettelausgabe musste besonders aufgepasst werden – viele WählerInnen wussten überhaupt nicht, was zu tun war, und die Kuverts in unterschiedlichen Farben mussten freilich auch in verschiedene Urnen eingeworfen werden. Ein zusätzliches Problem: Die Stimmen für die Wahl zum Europäischen Parlament durften damals nicht vor 22 Uhr ausgezählt werden. Die meisten Freiwilligen waren deshalb bis Mitternacht im Einsatz, manche WahlbeisitzerInnen sogar bis halb zwei Uhr morgens. „Das hat zu einigen Unmutsäußerungen geführt“, erinnert sich Gmoser. „Angehörige haben angerufen und uns gefragt, ob wir verrückt geworden sind, weil etwa die Gattin um ein Uhr Früh noch immer im Wahlsprengel gesessen ist.“
Diese Zeiten sind Geschichte, denn bei Europawahlen wird mittlerweile ab 18 Uhr ausgezählt, bloß das Ergebnis darf nicht zu früh veröffentlicht werden. Es scheint, das Kreuzerl im Kreis ist eine simple Geschichte – doch ganz so fehlerfrei verläuft die Stimmabgabe wohl doch nicht. Über die Gültigkeit der Stimmzettel existiert ein Erlass des Bundesministeriums für Inneres: „In 99 Prozent der Fälle ist das eine relativ einfache Sache, ich mach mein Kreuzerl wohin und damit habe ich es meist angenagelt“, meint auch Gmoser. Doch immer wieder wird das Kreuz nicht in der Mitte gemacht und deshalb sieht der Erlass vor, dass der Wählerwille trotzdem eindeutig ist.

Komplizierte Vorzugsstimmen

Doch vor allem bei den Vorzugsstimmen ist die Wahl tatsächlich nicht mehr ganz so trivial. Dezernatsleiter Gmoser: „Wenn ich bei der Wien-Wahl ,Häupl‘ in die SPÖ-Zeile schreibe, dann ist der Wählerwille eigentlich klar. Wenn das aber in einem Bezirk geschieht, wo der Herr Bürgermeister nicht kandidiert, ist die Stimme ungültig, wenn die SPÖ nicht zusätzlich angekreuzt wird.“ Die Vorzugsstimme ist aber ein durchaus starkes politisches Instrument. Als Josef Cap 1983 als unbequemer Juso-Chef nur mittels seiner Vorzugsstimmen ins Parlament kam, konnte er wahrscheinlich Stimmen von jungen WählerInnen, die eigentlich die Grünen wählen wollten, für sich mobilisieren. Ergebnis: Die Grünen kamen damals nicht ins Parlament. Aber auch sie kennen sich inzwischen mit dem Vorzugsstimmen-Wahlrecht aus. Bei den letzten Gemeinderatswahlen hat Alexander Van der Bellen einen Vorzugsstimmenwahlkampf geführt und wurde dadurch in den Wiener Landtag gewählt. Seinen Platz im Gemeinderat hat er allerdings, wie bekannt, erst heuer eingenommen.

Heim, zum Wählen

Missstimmungen unter den Kolleginnen und Kollegen hat Beisitzer Koppensteiner noch bei keiner Wahl erlebt: „Es gibt nur ab und an Diskussionen, wie eine bestimmte Stimme zu zählen ist. Denn manchmal malen die Leute nur irgendwelche Kugerln hin und du kannst raten, was sie damit gemeint haben. Da haben die WählerInnen oft viel Phantasie.“ Schmunzelnd erinnert er sich an einen Stimmzettel bei der Bundespräsidentschaftswahl 1998: „Da fand sich zwar kein Kreuz, aber der Satz ‚Ich wähle wieder den eitlen Gecken‘. Die Stimme bekam, weil es doch eindeutig zuzuordnen war, Thomas Klestil.“
Mit der fliegenden Wahlkommission war Koppensteiner auch im Hospiz der Caritas am Rennweg – Momente, die er nie vergessen wird. PatientInnen im Hospiz oder in Krankenhäusern können aber nur dort wählen, wenn sie auch eine Wahlkarte beantragt haben. Manche wissen das nicht, andere werden erst nach der Beantragungsfrist stationär aufgenommen. „Da bringen wir die Menschen schon in ihr Wahllokal im Heimatbezirk, wenn sie es wollen. Was mich aber auch tief berührt hat, ist die Bedeutung des Wahlrechts für Leute, die noch ganz andere Zeiten erlebt haben.“

Semmel für den Koalitionspartner

Koppensteiners Wahltag beginnt um sechs Uhr morgens in der Bezirksorganisation: „Da gibt es noch ein ordentliches Frühstück und dann können wir noch ein bisschen plaudern. Dann bekommt jeder seine Unterlagen ausgehändigt und geht zu seinem Wahllokal.“
Am Wahltag wird in der Bezirksorganisation regelrecht aufgekocht, die HelferInnen der Wiener SPÖ sind meistens gut mit Nahrungsmitteln versorgt. SeniorInnen bringen den BeisitzerInnen ein- bis zweimal am Tag eine Jause vorbei – meistens Wurstsemmeln. Hungrige Kolleginnen und Kollegen anderer Parteien bekommen freilich etwas ab: „Wobei wir dem Koalitionspartner die Semmel tendenziell als erstes anbieten.“ In Wien ist das seit Kurzem ein bissel schwieriger, denn viele Grüne sind VegetarierInnen.

Mehr Infos unter: de.wikipedia.org/wiki/Wahlhelfer

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