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Klein(st)parteien-Party Die CPÖ will die christlichen Werte tiefer in der Gesellschaft verankern. Deshalb fordert sie die "Erhaltung der naturgegebenen, biologischen Strukturen", will also die Vater-Mutter-Kind-Familie wieder zurück,...
Buchtipp

Klein(st)parteien-Party

Schwerpunkt

Viele neue Parteien wollen bei der Nationalratswahl 2013 frischen Wind in die Politik bringen. Von Stronach, Piraten, Christen und Männern.

WTF – „Wahrheit, Transparenz und Fairness“. Das schreibt sich Frank Stronach auf die Fahnen, wenn er in den Nationalratswahlkampf zieht. „WTF – What The Fuck“, echot die Internetgemeinde – und wählt den Austrokanadier vermutlich trotzdem ins österreichische Parlament. Denn so viel Bedarf an und Bedürfnis nach neuen Parteien war noch selten gegeben. Nicht nur die Korruptionsaffären führten zu einem Tiefststand des Vertrauens in die etablierten politischen Parteien. Die Sehnsucht nach einer Veränderung ist hoch, dem System traut man einen Wechsel nicht zu. Darum ist Platz für Frank Stronach und viele Klein- und Kleinstparteien, die gerne den Protest gegen die herrschende politische Klasse auffangen und nutzen würden.

Let’s be Frank

Die besten Chancen unter den vielen Bewerbern hat diesmal einfach Stronach. Mit seinem „Team“ hat er sich durch die Unterstützung von drei Nationalratsabgeordneten – Robert Lugar, Erich Tadler (beide vormals BZÖ) und Gerhard Köfer (vormals SPÖ) – bereits für die Nationalratswahl qualifiziert. Ihm werden von den MeinungsforscherInnen gute Chancen eingeräumt, in den Nationalrat einzuziehen. Und Politik zu machen ist ein lange bestehender Traum von Stronach. Schon 1988, als Magna vor dem Zusammenbruch stand, wollte Stronach mit einem intensiv und kostspielig geführten Wahlkampf für die Liberale Partei mit dem Slogan „Let’s be Frank“ ins kanadische Parlament einziehen, verlor aber in seinem Wahlkreis gegen einen eher unbekannten Optiker. Das soll diesmal anders sein. Doch er hat Konkurrenz, denn mehrere MitbewerberInnen drängen ins politische Feld, ja sogar PiratInnen wollen die politische Bühne entern.

Meuterei auf dem Piratenschiff

Den Jolly Roger gehisst, will die 2006 gegründete Piratenpartei Österreichs (PPÖ) das Steuer in Österreich übernehmen und den Kurs ändern. Dabei hofft sie auf Rückenwind durch die Erfolge der deutschen Schwesterpartei. Sie setzt u. a. auf mehr direkte Demokratie und Mitbestimmung, mehr Transparenz in der Politik („gläserner Staat“) und eine Neuregulierung des Patent- und Urheberrechts. Noch stehen nicht alle Programmpunkte der PiratInnen fest, denn diese werden basisdemokratisch über das Online-Tool LiquidFeedback (LQFB) ermittelt, diskutiert und beschlossen. Doch damit sind nicht alle zufrieden, es gab bereits eine regelrechte Meuterei auf dem Piratenschiff! Ehemalige Bundesvorstände, Bundesgeschäftsführer und Mitglieder der Piratenpartei Österreich, unter ihnen der ehemalige Piratenpartei-Chef Stephan Raab, sahen die Leitsätze „Moral vor Technik“ und „Reale Demokratie leben“ bei den PiratInnen nicht umsetzbar und gründeten die Splitterpartei „RealDemokraten“ (RDÖ), wie sie am 2. September 2012 bekannt gaben. Die RealDemokraten bezeichnen sich als „eindeutig sozialliberal und bürgerliberal“. „Liberal in der ureigensten Wortform“ wollen sie sein und ziehen mit dem Schlachtruf „Sei real, sei Demokrat, sei Realdemokrat!“ ins Feld.
Eine weitere Absplitterung will in den Nationalrat: Matthias Strolz wurde der ÖVP abtrünnig und gründet die Partei „Neos“, mit der er Österreich rundum erneuern will – so wie die anderen Parteien außer den etablierten eigentlich auch. Schlankerer Staat, „Entfesselung“ der Schulen, klares Europabekenntnis, freier Wettbewerb bei gleichzeitigem europäischem Sozialstaat und mehr direkte Demokratie stehen bisher im Infofolder, am 27. Oktober findet der Gründungskonvent statt. Das ist viel mehr Parteiprogramm, als die OPÖ, die „Online-Partei Österreichs“, vorweisen kann. Die will nämlich einfach „absolut direkte Demokratie“, und das online: „Entschieden wird immer per Onlineabstimmung nach dem Willen der Mehrheit. Es gibt kein Parteibuch, keine Versprechen, die wir nicht halten können, sondern ausschließlich direkte Demokratie.“ „Abgeordnete und Funktionäre sind per Statut verpflichtet, unabhängig von der persönlichen Meinung den Willen der Mehrheit nach außen zu vertreten.“ Dass sie damit verfassungsrechtlich in Konflikt mit dem freien Mandat kommen, stört sie vorerst nicht. Die EU-Austrittspartei plädiert, wie der Name schon sagt, für den EU-Austritt Österreichs. Weitere Anliegen sind gegen „EU-Kriegspolitik“, Gentechnik, Glühbirnenverbot, ESM und Korruption gerichtet.

Christen und andere Männer

Die Europäische Union in der gegenwärtigen Form lehnen auch „Die Christen“ ab, die möglicherweise 2013 wieder antreten. Allerdings – nach gewissen Abspaltereien und Uneinigkeiten – unter dem Namen „CPÖ – Christliche Partei Österreichs“. 31.080 Stimmen, also 0,49 Prozent, erreichten sie 2008 und verfehlten damit den Einzug in den Nationalrat bei Weitem. Doch sie möchten es noch einmal wissen. Die CPÖ will die christlichen Werte tiefer in der Gesellschaft verankern. Deshalb fordert sie die „Erhaltung der naturgegebenen, biologischen Strukturen“, will also die Vater-Mutter-Kind-Familie wieder zurück, die Homoehe wird strikt abgelehnt. Sie tritt vehement gegen Schwangerschaftsabbrüche auf und würde gerne ein „Mütter-Gehalt“ auszahlen, damit zu Hause auch wer kocht und nur nicht daran denkt, ins Erwerbsleben einzusteigen. In eine ähnliche Kerbe schlägt die „Männerpartei“, die nicht gerade zimperlich gegen den „menschenfeindlichen Feminismus“ kämpft. Ihrer Meinung nach werden Frauen vor allem nach Trennungen im Kampf um das Sorgerecht zu stark bevorzugt. Die sofortige Angleichung des Pensionsalters der Frauen an jenes der Männer und die Schaffung von Männerhäusern sind der Männerpartei ebenso ein Anliegen. Um bei der Nationalratswahl kandidieren zu dürfen, müssen diese Parteien noch Unterstützungserklärungen von entweder drei ParlamentarierInnen oder für ganz Österreich von 2.600 WählerInnen sammeln. Die Kleinparteien KPÖ, LIF sowie das BZÖ werden 2013 wieder antreten und kein Problem haben, die Unterstützungserklärungen zu bekommen. Umfragen zufolge sind außerdem die Chancen des BZÖ, wieder die Fünf-Prozent-Hürde zu nehmen und damit in den Nationalrat einzuziehen, gar nicht mal schlecht. Dass so viele Parteien in den Nationalrat wollen, ist sicherlich nicht alltäglich, doch hat Österreich schon einige Parteien gesehen, wie die Gaddafi Partei Österreichs, die zur wFPÖ (Weiße Friedenspartei Österreichs) wurde, die MUT-Partei, die Marxistisch-Leninistische Partei Österreichs, die Unabhängigen oder den VdU.

Karteileichen

Insgesamt gibt es in Österreich derzeit 930 gemeldete politische Parteien – der größte Teil von ihnen existiert nur mehr auf dem Papier, das heißt, sie haben ihre Satzungen im Innenministerium hinterlegt. Die meisten Parteien sind Karteileichen. „Mit der Hinterlegung der Satzung ist es getan. Der Staat hat sich hier verfassungsrechtlich bewusst zurückgehalten: Parteigründungen soll keine große Hürde entgegenstehen“, sagt Michael Kogler, der mit zwei Kollegen vom Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts das Buch „Recht der politischen Parteien“ (Jan Sramek Verlag) geschrieben hat. Weil es in Österreich leichter ist, eine Partei ins Leben zu rufen als einen Verein, kamen immer neue Initiativen an die Öffentlichkeit – oft ohne auch nur eine geringe Anzahl an MitstreiterInnen gefunden zu haben. Etliche Parteigründungen waren Abspaltungen von bestehenden Parteien, was zum Beispiel in den 80ern zu einer wahren Flut an ökologischen Parteien führte, um keine Verwechslung zuzulassen mit ausführlichen Namen wie „Die Grüne Alternative – Liste Freda Meissner-Blau“. Einige Parteien wurden vermutlich jedoch genau deshalb ins Leben gerufen – um für Verwirrung unter den WählerInnen zu sorgen. Aber diese Parteien bleiben weiterhin geführt, obwohl hinter vielen der Karteileichen überhaupt niemand mehr steht. „Wenn es keinen Vertreter der Partei gibt, weil der einzige verstorben ist, bleibt die Satzung auf ewig hinterlegt. Eine Partei hat keine Pflicht, aktiv zu sein – und es gibt auch keine amtswegige Aufsicht“, sagt Koautor Andreas Ulrich.
Welche von den vielen Parteien tatsächlich zur Nationalratswahl 2013 antreten werden, muss 20 Tage vor dem Wahltermin feststehen. Dass aber eine Bereicherung des Nationalrats durch frische Initiativen sinnvoll ist – schon um den etablierten Parteien Feuer unter dem Hintern zu machen –, darüber dürften sich wohl alle ÖsterreicherInnen einig sein.

Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor martin.haiden@tele.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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