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Kein Grund zur Panik Sehr häufig wird aus dem steigenden Altenanteil abgeleitet, dass sich das Verhältnis zwischen PensionistInnen und BeitragszahlerInnen im gleichen Ausmaß verschlechtern wird (müssen). Hier werden aber Äpfel mit Birnen vermengt.

Kein Grund zur Panik

Schwerpunkt

Die Perspektiven der öffentlichen Alterssicherung sind wesentlich besser, als uns viele weismachen wollen.

Können wir uns die Pensionen noch leisten? Wie wird das sein, wenn die Zahl der Älteren in Zukunft kräftig steigt? Leben die Älteren auf Kosten der Jugend? Derartige Fragen werden nicht nur von WissenschaftlerInnen und PolitikerInnen, sondern auch an den Stammtischen heftig diskutiert. Da und dort gehen die Meinungen weit auseinander. Im Folgenden wird zuerst die finanzielle Entwicklung der gesetzlichen Pensionsversicherung seit 1970 beleuchtet. Beim Blick nach vorn steht anschließend kurz der bevorstehende demografische Wandel im Fokus. Abschließend werden die Finanzierungsperspektiven der öffentlichen Alterssicherung erörtert.

Pensionsausgaben 1970–2010

Zwischen 1970 und 2010 ist die Zahl der Pensionen aus der gesetzlichen Pensionsversicherung ganz enorm in die Höhe gegangen, von 1,28 Mio. auf 2,22 Mio. Der Blick in die Statistik zeigt, dass es ganz gut gelungen ist, die dafür erforderlichen Ausgaben in Grenzen zu halten. Seit Mitte der 1980er-Jahre sind die Pensionsausgaben über lange Zeit nicht stärker gestiegen als das Bruttoinlandsprodukt (BIP).
Erst mit der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise und dem damit verbundenen BIP-Einbruch 2009 war wieder ein Anstieg zu verzeichnen. Auch der Bundesbeitrag ging mit der Krise deutlich in die Höhe. In der Krise nahm die gesetzliche Pensionsversicherung ihre Funktion als „automatischer Stabilisator“ wahr und trug damit ganz wesentlich dazu bei, einen noch schlimmeren Wirtschaftseinbruch zu verhindern. Die Tatsache, dass damit zwangsläufig (vorübergehend) auch ein höherer BIP-Anteil und ein höherer Bundesbeitrag einhergehen, wird in der „Spardiskussion“ im aktuellen wirtschafts- und finanzpolitischen Umfeld oft übersehen. Erreicht wurde die weitgehende Stabilisierung der Ausgaben (relativ zum BIP) ab Mitte der 1980er-Jahre nicht zuletzt durch die zahlreichen seit damals durchgeführten Pensionsreformen. Viele dieser Reformen waren ganz klar darauf ausgerichtet, die Pensionen langfristig finanzierbar zu halten.
Nach dem Regierungswechsel im Jahr 2000 kam ein weiteres Ziel ins Spiel. Vor allem mit der Reform 2003 wurde ein Systemwechsel angestrebt. „Weniger Staat, mehr privat“ war damals eine zentrale Losung, die die schwarz-blau-orange Regierung auch im Bereich der Pensionen umzusetzen versuchte. Spätestens durch die Börseneinbrüche 2008/2009 wurde deutlich, dass die Gewerkschaften, die AK und die damaligen Oppositionsparteien gut beraten waren, sich dagegen mit aller Kraft zur Wehr zu setzen.

Demografischer Wandel

Der demografische Wandel ist ohne Zweifel eine der großen Herausforderungen unserer Zeit. Nach den aktuellen Bevölkerungsvorausschätzungen der Statistik Austria wird in Österreich die Zahl der über 65-jährigen Menschen bis zum Jahr 2050 von derzeit 1,48 auf 2,64 Mio. ansteigen. Diese Änderung ist gewaltig und erfordert Anpassungen in vielen Bereichen. Leider verstellen irreführende Darstellungen oft den Blick auf angemessene Antworten in der Alterssicherung.
Sehr häufig wird z. B. aus dem steigenden Altenanteil abgeleitet, dass sich das Verhältnis zwischen PensionistInnen und BeitragszahlerInnen im gleichen Ausmaß verschlechtern wird (müssen). Hier werden aber Äpfel mit Birnen vermengt, was sich mit dem in der AK Wien entwickelten „Abhängigkeitsquoten-Rechner“ sehr gut darstellen lässt (siehe Türk/Wöss in A&W 10/2011).
Einer der verbreitetsten Fehler ist die Gleichsetzung von „im Erwerbsalter“ und „erwerbstätig“. Circa ein Drittel der Menschen im Erwerbsalter sind derzeit in Österreich nicht in Erwerbsarbeit. Das allein macht schon klar, dass der Anstieg der Pensionsquote (Verhältnis PensionistInnen/BeitragszahlerInnen) mit mehr und besseren Arbeitsplätzen massiv gedämpft und damit ein Gutteil des demografisch bedingten Kostenanstiegs abgefangen werden könnte.

Perspektiven der Alterssicherung

Wie alle anderen sozialstaatlichen Regelungen muss selbstverständlich auch die gesetzliche Pensionsversicherung den neuen Herausforderungen entsprechend weiterentwickelt werden. Sehr vieles ist bereits geschehen, anderes ist noch zu tun, z. B. die bessere soziale Abfederung unterbrochener Erwerbsverläufe zur Verbesserung des Leistungsniveaus vor allem bei vielen Frauen. Hauptsächlich muss aber auf den wirtschaftlichen Rahmen für eine gute Alterssicherung geachtet werden. Es geht dabei um Abbau der Arbeitslosigkeit, bessere Arbeitschancen für die Jugend, leichtere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, besseren Gesundheitsschutz und wirksamere Invaliditäts-Prävention, Schaffung alternsgerechter Arbeitsplätze, faire Verteilung des erarbeiteten Wohlstands etc.
Deutlich besser als oft behauptet sind die Finanzierungsperspektiven der öffentlichen Alterssicherung. Die Langzeitprojektionen machen deutlich, wie überzogen viele Darstellungen sind. In der Tabelle „Vorausschätzung der öffentlichen Pensionsausgaben in Österreich“ finden sich die aktuellsten Gesamtrechnungen.
Die Werte zeigen, dass in der gesetzlichen Pensionsversicherung mit einem beträchtlichen Anstieg, parallel dazu aber bei den Beamtenpensionen mit einem deutlichen Rückgang des erforderlichen BIP-Anteils gerechnet wird. Die Kostenverschiebung zwischen Pensionsversicherung und Beamtenversorgung ergibt sich vor allem aus den vielen Ausgliederungen aus dem öffentlichen Dienst und aus der reduzierten Zahl der Pragmatisierungen. Eine beträchtliche Kostensenkung bei der Beamtenversorgung entsteht darüber hinaus durch die langfristige Absenkung des Niveaus der Beamtenpensionen auf ASVG-Niveau.
Zu beachten ist, dass diese Prognoserechnungen unter der Annahme erstellt wurden, dass in den kommenden Jahren und Jahrzehnten keine Rechtsänderungen vorgenommen werden (Leistungsrecht, gesetzliches Pensionsalter, Beitragssätze etc. unverändert). Einkalkuliert ist lediglich das Wirksamwerden bereits beschlossener Rechtsänderungen wie z. B. Anhebung des „Regelpensionsalters“ der Frauen von 60 auf 65 ab dem Jahr 2023.
Weiters zu berücksichtigen ist, dass die Abschätzung der Kostenentwicklung auf Basis sehr vorsichtiger (pessimistischer) Wirtschafts- und Arbeitsmarktannahmen durchgeführt wurde. So liegt z. B. die von der österreichischen Regierung für das Jahr 2020 angepeilte Beschäftigungsquote höher als die in den Ausgabenprognosen angenommene Beschäftigungsquote für das Jahr 2050!

Pensionsansprüche finanzierbar

Eine nüchterne und unvoreingenommene Betrachtung zeigt, dass die immer wieder auftauchende Behauptung der künftigen Unfinanzierbarkeit der gesetzlichen Pensionsansprüche keine sachliche Fundierung aufweist.
Klar ist, dass eine hochwertige Alterssicherung viel Geld kostet und dass bei einem massiv steigenden Altenanteil an der Gesamtbevölkerung in Zukunft mit einem etwas höheren BIP-Anteil gerechnet werden muss. Wer die neuerdings in Mode geratene „Generationengerechtigkeit“ ernst nimmt, wird zu keinem anderen Ergebnis kommen können. Die Perspektiven der öffentlichen Alterssicherung in Österreich sind jedenfalls deutlich besser, als uns viele weismachen wollen.

Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor josef.woess@akwien.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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