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Auf der Suche Während die österreichischen Jugendlichen auf der Suche sind und froh, wenn endlich ein Ausbildungsplatz gefunden ist, machen sich diverse Firmen ihre Verzweiflung zunutze: Ausbeutung, Schimpftiraden, gesetzeswidrige Bezahlung sind keine Seltenheit.

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Von "Generation Sorglos" darf keine Rede sein, denn die 15- bis 24-Jährigen haben derzeit alles andere als rosige Zukunftsaussichten.

Generationen voller Sorgen. Kevin, Nadja, Zladi, Jacqueline, Nikolas, Alexandra und Juan haben zweierlei gemein – die beneidenswerte Jugend und ihre mühselige Suche nach einem Ausbildungsplatz bzw. Job. Mehr als besorgniserregend sind die nackten Zahlen für Europa: In Spanien haben bereits 52,7 Prozent der 15- bis 24-Jährigen keine Arbeit, 52,8 Prozent sind es in Griechenland. Finanz- und Wirtschaftskrise haben die Jugendarbeitslosigkeit in Europa weiter dramatisch steigen lassen, das  offenbart der Report „Global Employment Trends Youth 2012“ der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO).

Jugendarbeitslosigkeit gestiegen

Die UNO-Organisation mit Sitz in Genf errechnete: Im Durchschnitt ist die Arbeitslosenquote in der Gruppe der 15- bis 24-Jährigen in der EU von 2008 bis 2011 um 26,5 Prozent gestiegen. In keiner anderen Weltregion war der Anstieg innerhalb von drei Jahren derart hoch. Keine Entwarnung prognostiziert die ILO bis mindestens 2016 und sieht eine „verlorene Generation“ heranwachsen. Sie empfiehlt den Regierungen einen Ausbau der aktiven Arbeitsmarktpolitik – ein heftiger Wink mit dem Zaunpfahl, den Dutzende kluge Köpfe schon seit Jahren wieder und wieder einfordern. Allein, viel zu wenig ist tatsächlich passiert. Erneut haben französische Jugendliche ohne eine Chance auf Zukunft ihren Zorn auf den Straßen (diesmal in Amiens nördlich von Paris) manifestiert – bitter, doch wenig verwunderlich. Andere Kids werden ins rechte Eck gelotst, geben MigrantInnen die Schuld an ihren trüben Aussichten. Unser Nachbar Slowakei mit 36,5 Prozent hat ebenso mit Jugendarbeitslosigkeit zu kämpfen wie der künftige EU-Staat Kroatien mit 41,8 Prozent – nach den jüngsten Daten der europäischen Statistikbehörde Eurostat hat die Quote der arbeitslosen Jugendlichen in der EU im Juni das Rekordniveau von 22,6 Prozent erreicht.

Firmen bilden weniger aus

In Österreich zählt die Angst vor Arbeitslosigkeit zu den größten Sorgen der jungen Menschen. Fest steht: Heimische Firmen bilden im Verhältnis zu deutschen Betrieben weniger Lehrlinge aus. Österreich weist laut EU-Statistikamt Eurostat für den Juni eine Jugend-Arbeitslosenrate von 8,8 Prozent (allgemein liegt sie bei 4,5 Prozent) auf, hinter Deutschland mit 7,9 Prozent ist das der zweitniedrigste EU-Wert. Noch lange kein Grund zur Entspannung, denn die Tendenz ist auch hierzulande steigend: Im Juni 2011 lag der Wert noch bei 7,9 Prozent. In Zahlen: Im Juni 2012 waren 33.419 junge Menschen arbeitslos gemeldet, 1.423 mehr als im Juni des Vorjahres und 5.116 mehr als im Juni 2007 (Daten Arbeitsmarktservice). Während die österreichischen Jugendlichen auf der Suche sind und froh, wenn endlich ein Ausbildungsplatz gefunden ist, machen sich diverse Firmen ihre Verzweiflung zunutze: Ausbeutung, Schimpftiraden, gesetzeswidrige Bezahlung sind keine Seltenheit.
Pamela Trajilovic hat mit ihren 17 Jahren schon reichlich dazugelernt, allerdings erst mal nichts von dem, was ihrer angestrebten Lehre entsprechen würde. Lange Zeit war Pamela auf der Suche nach einem Lehrplatz als Bürokauffrau, konnte schließlich in einer Rechtsanwaltskanzlei beginnen. „Doch die haben sich nicht um mich gekümmert, ich habe dort einfach nichts gelernt“, erzählt Pamela, die ihre gesamten Arbeitstage alleine im Büro verbringen musste. Für Fehler wurde sie freilich dennoch gerügt. Schließlich kündigte die 17-Jährige und war danach sechs Monate arbeitslos, bevor sie in eine überbetriebliche Lehrausbildung bei Jugend am Werk einsteigen konnte. Zuletzt haben u. a. auch die miserablen Zustände bei der Firma Buchbinder für Schlagzeilen gesorgt – trotz Lehrlingsförderung wurden die Lehrlinge nicht branchenüblich bezahlt, für Hilfstätigkeiten herangezogen und zu Wochenendarbeit verpflichtet.
Rudolf Kaske, Vorsitzender der vida und Arbeitsmarktsprecher im ÖGB, ist besorgt und sagt: „Die Jugendarbeitslosigkeit hat in Teilen Europas dramatische Werte erreicht. Wir wollen Chancen für die Jugend statt einer ‚Generation hoffnungslos‘ und verlangen, dass der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit endlich dieselbe Priorität eingeräumt wird wie der Bekämpfung der Eurokrise.“ Auch die Internationale Arbeitsorganisation macht klar: „Der eingeschlagene Sparkurs behindert eine rasche Erholung der Arbeitsmärkte für Jugendliche.“ Das deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin weist darauf hin, dass die Jugendarbeitslosigkeit in den meisten Fällen zumindest doppelt so hoch ist wie die allgemeine – das trifft nicht allein für Europa zu, sondern auch für Japan und die USA. Für Statistiker gelten Personen im Alter von 15 bis 24 Jahre als Jugendliche – und die Jugendarbeitslosigkeit umfasst besonders Menschen, die schlecht qualifiziert sind. Dieser schlechte Karrierestart ist (bisher) im Laufe eines Berufslebens kaum aufzuholen. Wer mit 18 ganz hinten ist, schafft es mit 30 selten über eine Hilfstätigkeit hinaus.

„Soft Values“ stehen an der Spitze

Dabei wünschen sich unsere Jugendlichen weitaus Schöneres, wie das Institut für Jugendkulturforschung im Auftrag der AK Wien in der Studie „Jugend-Wertestudie“ 2011 ermittelte: „Wenn es um Werte im Beruf geht, stellen die Jugendlichen durchgehend sogenannte ‚soft values‘ an die Spitze ihrer persönlichen Werteskala. Materielle Werte wie Einkommen und Karriere stehen am Ende der beruflichen Wertehierarchie. Im Zentrum der Berufswerte steht die ‚Selbstverwirklichung‘, gefolgt vom Wunsch nach ‚netten KollegInnen‘ und dem Wunsch, den Beruf auch als positive ‚Herausforderung‘ zu erleben. Ebenfalls wichtig: ein ‚gesunder‘, nicht von Umweltgiften und Stress beeinträchtigter Arbeitsplatz.“
Von PolitikerInnen und Institutionen erwarten sich die Jungen allerdings nicht allzu viel Unterstützung: „Hilf dir selbst, sonst hilft dir keiner“ ist eine Jugend-Devise, die in der Studie (jugendkultur.at/publikationen/online) beschrieben wird. Die Stimmungslage der Unternehmen scheint ähnlich gelagert: Die sich stets wiederholenden Klagen rund um den postulierten Fachkräftemangel sind allseits bekannt. WKÖ-Präsident Christoph Leitl bezifferte die Lücke jüngst mit 30.000 Personen, passende BewerberInnen seien vor allem im Lehrlingsbereich nicht zu finden. Kein Wunder, denn schließlich bildet bloß ein schwaches Fünftel aller österreichischen Betriebe Lehrlinge aus. Dazu kommt die Ausbildung in überbetrieblichen Lehrwerkstätten – wie Jugend am Werk –, ohne die noch viel mehr Jugendliche keine Chance auf einen Arbeitsplatz hätten.
Rudolf Kaske: „Durch die Ausbildungsgarantie und unser duales Ausbildungssystem geht es Jugendlichen in Österreich wesentlich besser als in vielen Teilen Europas. Doch eine ‚gmahte Wiesn‘ ist der Weg ins Berufsleben auch für die jungen Menschen in Österreich nicht. Neben der gestiegenen Jugendarbeitslosigkeit in unserem Land, bereitet die alarmierend hohe Durchfallsquote bei den Lehrabschlussprüfungen Sorge.“ Rund ein Fünftel der Lehrlinge steht am Ende der Ausbildung ohne Abschluss da, weil die Lehrlinge in manchen Betrieben eher als Hilfskräfte ausgenutzt statt ausgebildet werden. „Wir brauchen eine laufende Qualitätssicherung in der Ausbildung und die Ausbilderbetriebe müssen regelmäßig kontrolliert werden“, fordert der vida-Vorsitzende.

Bündnis für Ausbildung und Arbeit

Das Europäische Jugendforum und der Beirat Jugend des Europarates (Advisory Council on Youth) appellierten an internationale Organisationen und Mitgliedsstaaten, Jugendgarantien (www.youth-guarantee.eu) zu verabschieden, die jungen Menschen ein Recht auf einen neuen Arbeitsplatz oder eine Ausbildung nach maximal vier Monaten Arbeitslosigkeit garantieren sollen. Das Ziel ist, die Jugendarbeitslosigkeit in Europa in den nächsten fünf Jahren zu halbieren. Ein Weg dazu soll ein europäisches „Bündnis für Ausbildung und Arbeitsplätze“ speziell für junge Arbeitssuchende sein. In dessen Rahmen sollen die EU-Kommission, Gewerkschaften und europäische Unternehmen grenzüberschreitende Ausbildungs- und Jobprogramme für Jugendliche schaffen.

Internet:
Kurze Zusammenfassung der Studie der ILO:
tinyurl.com/cawlrmq

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin sophia.fielhauer@chello.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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