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Katharina Klee Katharina Klee, Chefredakteurin

Standpunkt | Mein Europa

Meinung

Mein Sommer vor 30 Jahren war der Sommer mit Interrail. Ein Monat Arbeit in der Touristeninformation von Innsbruck reichte für das Ticket, die Eintrittskarte nach Europa, ins Erwachsenwerden, die große Freiheit. Nicht bloß Jesolo mit den Eltern und Schüleraustausch in England und Frankreich. 

Mein Europa bestand aus schmutzigen Bahnhöfen, Baguette, Rotwein, Paris, der Bretagne, dem flirrenden Amsterdam. Ich bezahlte mit Lira, Francs, Gulden und Pfund – und verwendete mit Schilling gekaufte Travellerschecks. Es war ein schöner Sommer, genossen in vollen Zügen.

Vor 20 Jahren

Mein Sommer vor 20 Jahren war ein Radiosommer. Grenzübertritte gehörten zu meinem Alltag, mein Arbeitsplatz lag jenseits des ehemaligen Eisernen Vorhangs, irgendwie fern von Europa. Meine Spesen erhielt ich in 100-Kronen-Scheinen, den Rest in Schilling, ich kaufte noch immer Travellerschecks für den Italienurlaub und wechselte Bargeld wegen der Maut. Europa vermittelte ich in den Nachrichten, der Vertrag von Maastricht wurde unterschrieben, in Österreich gab es nach wie vor ein Rundfunkmonopol.
Mein Sommer vor zehn Jahren war ein europäischer. Österreich war der EU beigetreten, hatte Schengen unterzeichnet und der Euro hatte gerade erst den Schilling ersetzt. Im Lande regierte Schwarz-Blau, die Folge waren u. a. die EU-Sanktionen. Und ich reiste an den äußersten Rand der Union – nach La Reunion, in das französische Überseedepartement, Europa unter Palmen.
Eben bin ich aus Spanien zurückgekehrt, dem Land mit der weltweit höchsten Arbeitslosenquote: 24,5 Prozent. Noch schlimmer: Mehr als die Hälfte der unter 24-Jährigen haben keinen Job, ein Weltrekord. Das ergab die Länderanalyse der internationalen Arbeitsorganisation ILO.
Ani aus Barcelona vermietete uns ein Zimmer in ihrer winzigen Wohnung, um über die Runden zu kommen. Arbeit hat sie nicht. Wenigstens muss sie nicht bei ihren Eltern wohnen, wie ihr Verlobter und viele ihrer Generation. In der U-Bahn trifft man Studierende aus aller Welt, ein, zwei Auslandssemester in Spanien sind trotz der widrigen Wirtschaftslage noch immer sehr beliebt.
Das Land führt nach wie vor beim EU-Programm Erasmus, das es schon seit 25 Jahren gibt, in Österreich seit 20 Jahren. Und das obwohl die Auslandsplätze im sonnigen Süden begrenzt sind und ebenso die Jobs, um sich neben dem Studium was dazu zu verdienen.
Auch junge Menschen aus Spanien gehen ins Ausland. Die am besten Ausgebildeten, die Mutigsten, die Mobilsten fliehen vor der tristen Situation in ihrer Heimat auf der Suche nach Jobs, nach einer Zukunft irgendwo in der EU, in den Niederlanden zum Beispiel oder in Österreich – dorthin, wo man sich manchmal die Ausbildung von FacharbeiterInnen gespart hat. 

Dunkle Wolken über unserem Europa

Für Spanien bedeutet das nichts Gutes, denn Fachkräfte bräuchte das Land, um wieder aus der Krise zu kommen. An der es übrigens nicht allein schuld ist. Die Zahlen der ILO belegen nämlich, dass die Verantwortlichen von IWF, EU und EZB die negativen Effekte der Sparprogramme auf die Konjunktur und die Jobentwicklung in den betroffenen Ländern in der Vergangenheit eklatant unterschätzt haben.
Über meinem Europa 2012 ballen sich da oder dort Wolken zusammen – und doch glaube ich an diese EU, glaube daran, dass wir sie gemeinsam gestalten können, über alle Länder- und Generationengrenzen hinweg – wir müssen nur wollen.

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