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Simulation Wirklichkeit Die UnternehmerInnen kaufen Rohstoffe am Gütermarkt, Arbeitskräfte - kleine, gelbe Legomaxerl - können nach Bedarf eingestellt und entlassen werden.
Buchtipp

Simulation Wirklichkeit

Schwerpunkt

Jugendliche flüchten gerne in virtuelle Realitäten. Auch Planspiele sind Simulation, sie ermöglichen aber ein Probehandeln für die Praxis.

Das Planspiel ist eine relativ offene politische oder ökonomische Problemsituation, die pädagogisch-didaktisch vereinfacht ist und nach einer irgendwie gearteten Lösung verlangt“, lautet die Definition von Heinz Klippert, einem der führenden Experten dieses Metiers. Entscheidend für Planspiele seien demnach eine relativ freie Zielvorgabe und (relativ) viel Zeit. So würde den Teilnehmenden eine Lernumgebung geboten, die sich insbesondere durch Gruppenautonomie, selbstständiges Erarbeiten von fachbezogenem Wissen, Flexibilität, Interaktion, Hypothesenbildung, Offenheit, Ungewissheit und – nicht zuletzt – eine „Quasi-Realität“ auszeichnet. Ein besonders wichtiger Aspekt, so Klippert, ist dabei der Bezug zur Wirklichkeit, also die Simulation einer Situation in der Praxis und die Bewältigung von Problemen, wie sie auch real auftreten.

Reale Ergebnisse

Planspiele haben eine lange Tradition in der politisch-ökonomischen Bildung. Zuerst wurden sie vorrangig für Lern- und Entscheidungsprozesse in Wirtschaft und Politik eingesetzt. Seit einiger Zeit wird das Potenzial dieser didaktischen Methode auch für Schulen erkannt.
„Es ist schön und verblüffend“, berichtet der gelernte Politikwissenschafter Reinhart Patak, Mitarbeiter der AK-Abteilung Bildungspolitik, „wie nah an der Realität die Ergebnisse nach zähen Verhandlungen in der Gruppe oft sind.“ Er ist einer der rund 15 TrainerInnen, die Jugendgruppen helfen, in simulierten Praxissituationen Einblicke in reale Probleme und Zusammenhänge zu gewinnen. Das Planspiel „Wirtschaft“ ist das Flaggschiff der fünf Angebote von AK und ÖGB, um, gemeinsam mit Lehrenden und Ausbildenden, die Jugendlichen auf die Berufswelt vorzubereiten. „Ein bisschen wie DKT“, beschreibt Patak das Spiel, „aber doch komplizierter.“ Gegründet wird ein fiktives Land, das, um das komplexe Thema Export und Import zu umgehen, auf einer Insel liegt. Kleingruppen übernehmen die Rollen der EntscheidungsträgerInnen. Die Regierenden stellen die Weichen, wie das Leben im Inselstaat aussehen wird. Sie können, wenn sie wollen, zum Beispiel in Infrastruktur investieren. Die UnternehmerInnen kaufen Rohstoffe am Gütermarkt, Arbeitskräfte – kleine, gelbe Legomaxerl – können nach Bedarf eingestellt und entlassen werden. Wobei nicht nur die Wirtschaftskammer, sondern auch die ArbeitnehmerInnenvertretung ein Wort mitzureden hat. Nach der ersten Spielrunde, einem fiktiven Wirtschaftsjahr, wird Bilanz gezogen. Auf Basis der Gewinne und Löhne werden Volkseinkommen und Lohnquote errechnet. Die erscheint am Anfang oft nicht zufriedenstellend. Forderungen nach Lohnerhöhung werden laut. Oft einigten sich die Interessensvertreter darauf, die Löhne sehr deutlich zu erhöhen, und trotzdem: Im zweiten Geschäftsjahr fällt die Lohnquote dramatisch. Wie kann das sein? Ach so, merken die InselbewohnerInnen, die Gewinne sind vergleichsweise viel stärker gestiegen als die Löhne.

Wer zahlt?

„Der wichtigste Part ist, wo sich entscheidet, ob es bei einer netten Spielerei bleibt, oder ob sich die Teilnehmenden etwas mitnehmen können“, sagt Patak. So werden immer wieder Vergleiche zur Wirklichkeit gezogen. „Wie hoch schätzen Sie bzw. schätzt du, die Lohnquote in Österreich?“, werden die Spielenden gefragt. Ist sie in den letzten Jahren gestiegen oder gesunken, und warum ist das wohl so?
Das Planspiel „Wirtschaft“ kann, um den Faktor „Umwelt“ erweitert, fortgesetzt werden. Will dieselbe Gruppe zu einem späteren Termin weiterspielen, werden die Spielstände gesichert. Stromkosten spielen schon im ersten Teil eine Rolle, nur kommt der Saft hier noch aus der Steckdose. Bei „Wirtschaft und Umwelt“ hat die Insel ein Problem von Anfang an: Die fossilen Brennstoff gehen aus. Üblicherweise wollen zu Beginn alle Spielenden eine saubere Umwelt. Aber wer soll das bezahlen? Und üblicherweise wollen die Gruppen, denen es wirtschaftlich gut geht, dass sich alle gleichermaßen beteiligen. Etwa wenn die Regierung kostspielige Maßnahmen wie den Einbau von Filteranlagen beschließt. Das ursprüngliche Ziel „saubere Umwelt“ muss manchmal aufgeschoben werden. Denn es kommt sehr auf die Gruppe „Presse“ an und auf wessen Seite sie sich schlägt.

Es ist eure Insel

Manchmal treffen die Spielenden Entscheidungen, die nicht den Vorstellungen eines Trainers der AK entsprechen. „Das ist auch in Ordnung“, sagt Reinhart Patak, „denn es ist ihr Spiel und ihre Insel.“ Er versteht sich dann als bloßer Moderator. Seine einzige Forderung ist, dass die Entscheidungen und Meinungen begründet werden. „Üblicherweise identifizieren sich die Spielenden sehr rasch mit ihren Rollen. Niemand will unnötig Spielgeld opfern. ‚Verteilungsgerechtigkeit‘ wird spielerisch zum Thema. Es wird verständlich, warum Prozesse in der Realität oft schleppend sind und wie unterschiedliche Interessengruppen funktionieren.“
Das dritte Planspiel im AK-Angebot „Ein Betrieb soll verlagert werden“ wird mehr gebucht, seit es „Globalisierung“ heißt. Ein legitimer Marketingtrick, geht es doch um die Folgen der Globalisierung auf lokaler Ebene. In der fiktiven österreichischen Gemeinde „Kleinstadt“ überlegt der Computerchiphersteller nach China abzuwandern. Die Gewinne entsprechen nicht ganz den Erwartungen des Unternehmens. Gemeinderat, Beschäftigte, Betriebsrat, Geschäftsführung und Wirtschaftsförderungsfonds haben einiges zu diskutieren. Zudem hat die Chipfabrik offene Kredite bei der Bank. Ein gefundenes Fressen für die Presse. In der abschließenden TV-Runde werden die Entscheidungen präsentiert. Geht die Firma oder bleibt sie? Meistens bleibt die Firma, berichtet Patak. Das Spiel findet immerhin im neuen Bildungszentrum der AK in der Wiener Theresianumgasse statt. „Natürlich sollen die Jugendlichen wissen, welche Positionen wir vertreten“, betont Patak, „aber eben auch, dass uns nicht das Ergebnis wichtig ist. Ziel ist, dass die Entscheidungsprozesse nachvollzogen werden können, dass die Jugendlichen spüren, zu welchen Zugeständnissen man in unterschiedlichen Rollen bereit sein kann.“

Wo stehe ich?

Mehr ein „unterschwelliges Bewerbungstraining“ denn ein „klassisches“ Planspiel ist das Angebot „Was ist los am Arbeitsmarkt?“. Zwar werden die Grundlagen der Strukturen am Arbeitsmarkt vermittelt, doch geht es nicht um die Erklärung aktueller Trends, sondern um die Erkenntnis der eigenen Position. Will ich bald arbeiten oder länger zur Schule gehen? „Oft sind die LehrerInnen überrascht, sie erkennen ihre Klasse nicht wieder“, erzählt Reinhart Patak aus der spielerischen Praxis. Viele, von denen es nicht zu vermuten war, wissen im Spiel, was sie eigentlich wollen. Klassische Rollenbilder werden getauscht, so nebenbei die Inhalte des Gleichbehandlungsgesetzes vermittelt. Darf ich als Besitzer einer Autowerkstatt ausschließlich Frauen anstellen? Warum bzw. warum nicht? In der „Audioguided-Shopping-Tour“, dem letzten der fünf von der AK-Bildungsabteilung angebotenen Planspiele, lernen die Jugendlichen spielerisch Näheres über das eigene Konsumverhalten. Liebe oder hasse ich shoppen? So lauten die beiden Extrempositionen. Ausgestattet mit MP3-Playern und Kopfhörern wird ein Streifzug auf die Wiener Mariahilferstraße unternommen. Wo produzieren H&M, Peek&Cloppenburg, McDonalds, Nike und der Weltladen? Zu welchen Bedingungen? Welchen Einfluss haben wir KonsumentInnen?
Lehrende, AusbildnerInnen, Betriebsrätinnen/Betriebsräte und alle, die Jugendgruppen leiten, können die Planspiele bzw. Workshops online buchen. Die Termine sind einsehbar und können durch Anklicken reserviert werden. Mindestalter: etwa 14 Jahre bzw., je nach Spiel, 8. oder 9. Schulstufe. Auch für Lehrlinge sehr geeignet.

Internet:
Mehr Infos unter:
wien.arbeiterkammer.at/wirtschaftsplanspiele
tinyurl.com/d4gj229

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin gabriele.mueller@utanet.at
oder die Redaktion aw@oegb.at

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