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"Profit- und Geldgier zählen mehr als Menschen" Schließlich werden Bookie-MitarbeiterInnen und Quotenabnehmer (Wettbüros) oft nicht besonders gut behandelt - und die Kunden sind oft Spielsüchtige, denen finanziell die Hose ausgezogen wird.

"Profit- und Geldgier zählen mehr als Menschen"

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Ein ehemaliger Buchmacher plaudert aus dem Nähkästchen.

Es ist ein Riesengeschäft und die Betreiber gewinnen immer“, plaudert ein ehemaliger Buchmacher aus dem Nähkästchen. „Bei den Mengen an Geld, die im Wettbusiness gescheffelt werden, könnte man meinen, dass hier besonders intelligente Menschen am Werk sind. Aber das stimmt nicht, ich habe in dem Geschäft einige ziemlich stupide Ungusteln in guten Positionen kennengelernt. Meiner Meinung nach ist gerade ein gewisses Maß an Primitivität für den Erfolg in manchen Bereichen förderlich: Dadurch stehen nämlich keine moralischen Skrupel im Weg. Schließlich werden Bookie-MitarbeiterInnen und Quotenabnehmer (Wettbüros) oft nicht besonders gut behandelt – und die Kunden sind oft Spielsüchtige, denen finanziell die Hose ausgezogen wird.“ Thomas S. urteilt hart über das Wettgeschäft – und er weiß, wovon spricht, schließlich war er 16 Jahre in der Branche tätig.

Arbeitsbedingungen

Der 40-Jährige meint zudem, dass sich die die Arbeitsbedingungen in dem Bereich in den letzten Jahren zunehmend verschlechtert hätten. Seiner Erfahrung nach machen die BetreiberInnen einerseits enorme Profite, da die realen Gewinnchancen für die SpielerInnen äußerst gering sind, andererseits werden die MitarbeiterInnen nicht besonders gut entlohnt. Zudem gibt es die Tendenz, erfahrene MitarbeiterInnen durch billige Arbeitskräfte zu ersetzen, viele davon haben einen Migrationshintergrund und werden in puncto Gehalt und Arbeitszeit ausgenutzt. Beispielsweise durch gefälschte Arbeitszeitaufzeichnungen, da es gerade im Wettgeschäft durch geballte Sportereignisse (z. B. EM) zu hohem Arbeitsaufkommen – auch in der Nacht und an Feiertagen – kommt. Außerdem habe er erlebt, dass fix angestellte MitarbeiterInnen gekündigt wurden und später ihre Arbeit auf Werksvertragsbasis – also zu viel schlechteren Bedingungen – wieder aufgenommen hätten.
Auf die Frage, ob es dadurch einen Qualitätsverlust gäbe, meint der Ex-Buchmacher nüchtern: „Ja natürlich, die Fehlerquote steigt und das Kundenservice wird schlechter. Man muss auch sehen, dass mittlerweile viel automatisiert läuft, d. h. vermehrt errechnen spezielle Computerprogramme die Quoten und auf diese Weise wird die Aufgabe von professionellen Quotenmanagern durch Maschinen übernommen. Das Resultat ist, dass erfahrene Angestellte wegrationalisiert werden. Die Beobachtung der Quotenverläufe ist eine relativ banale Aufgabe und wird dann teilweise von neuen – schlechter bezahlten – MitarbeiterInnen übernommen, die überhaupt keine Ahnung von Sport haben.“ Weiters stellt er fest: „Es gibt tatsächlich viele Menschen im Wettgeschäft, die überhaupt keine Ahnung von den jeweiligen quotierten Sportarten haben, sie wissen beispielsweise noch nicht einmal, was ein ,Abseits‘ im Fußball zu bedeuten hat.“
Die eigentliche Aufgabe eines Buchmachers besteht darin, die Wettquoten festzulegen und zu überwachen: Er überprüft Spieltermine und sogenannte Wettereignisse, also Spiele, auf die gewettet werden kann. Gerade diese ureigene Tätigkeit wird durch oben genannte Mechanismen ad absurdum geführt, da ein bestimmtes Maß an Insiderwissen von Vorteil ist: So ist es beispielweise im Mannschaftssport wichtig zu wissen, wenn gute Spieler aufgrund von Verletzungen pausieren müssen etc.
Der Buchmacher kontrolliert auch auffällig hohe Wetteinsätze – und er muss einschätzen können, ob eventuell ein Quotenfehler oder eine Manipulation vorliegt. Eine Spielmanipulation kann durch bestochene SchiedsrichterInnen oder SpielerInnen erfolgen.

Alarmzeichen für Wettbetrug

Der Buchmacher erklärt, wie es in der Praxis läuft: „Ich bekomme einen Anruf von einer Wettannahmestelle, dass plötzlich zehn Leute jeweils 10.000 Euro auf einen Außenseiter setzen. Das ist ein Alarmzeichen.“ Auf die Frage, wie eine Spielmanipulation genau funktioniert, führt Thomas S. weiter aus: „Meist betrifft das unterklassige Vereine. Die Wettmafia tritt an einzelne Spieler oder den Schiedsrichter heran und bietet hohe Summen für die Manipulation von einem Spiel zu einem bestimmten Ausgang. Angenommen ein Schiedsrichter möchte ein Spiel beeinflussen, so ist das durch falsche Elfmeter-Entscheidungen relativ leicht möglich. Oder ein Spieler macht absichtlich grobe Fehler, die den Spielverlauf beeinflussen.“ Durch eine flüchtige Arbeitsbekanntschaft hat der Ex-Bookie z. B. das Angebot erhalten, ein Fußballspiel „zu kaufen“. „Ich wurde gefragt, ob ich mit 20.000 Euro den Spielausgang einer zweiten europäischen Liga kaufen möchte.“ Und er erklärt weiter: „Natürlich kostet so eine Spielmanipulation in Summe mehr, aber ich war ja sicherlich nicht der einzige, der gefragt wurde. Dabei kassiert die Wettmafia durch Mittelsmänner das Geld ein und bezahlt den bestochenen Schiedsrichter, wobei die Wettmafia natürlich einen Teil des Schmiergelds einstreift. Natürlich gibt es aber nie eine Garantie, ob das Spiel dann trotzdem den gewünschten Ausgang hat, weil du immer nur mit Mittelsmännern zu tun hast und gar nicht weißt, was tatsächlich mit dem Geld passiert.“

Spielmanipulation gegen Sportliebe

Große Manipulationsdeals werden ohnehin bevorzugt über asiatische Buchmacher abgewickelt, da es dort häufig keine Limits gibt, erklärt Thomas S. weiter. Insofern sind das vergleichsweise kleine Fische, mit denen er als Buchmacher in Österreich konfrontiert war. Auf die Frage, wie stark für ihn selbst die Versuchung war, auf solche Deals einzugehen, meint er: „Die Versuchung ist kurz da, ja, aber nur kurz, weil ich den Sport liebe. Manipulationen richten sich gegen den Sport und gegen die Fairness. Es geht dabei nur um das Geld. Du kannst nicht gleichzeitig Spiele manipulieren und den Sport lieben – das schließt sich aus.“ Wenn das so ist, warum hat er dann solche Angebote nicht zur Anzeige gebracht? „Dazu bräuchtest du schon Beweise und so etwas läuft natürlich nur über mündliche Angebote – du kennst dabei keine Namen und schon gar keine Hintergrundmänner. Zudem ist hier jede Menge Geld im Spiel und von dem Gewissen in dem Business habe ich ja schon gesprochen. Was ich damit sagen will: Es wäre der eigenen Gesundheit sicherlich auch nicht besonders zuträglich, wenn raus kommt, dass du jemanden verpfiffen hast.“
Besonders schlimm findet der ehemalige Buchmacher, dass der Jugendschutz in dem Bereich nicht besonders gut funktioniert. Die Tests von „Der Konsument“ untermauern diese These: In den Jahren 2010 und 2011 wurden Wettbüros getestet: 2010 konnten 12 von 15 minderjährigen Testpersonen ihre Tipps ohne Probleme in Wien abgeben. Obwohl ein Betreiber aufgrund dieser schockierenden Ergebnisse versicherte, mehr für den Jugendschutz zu tun, konnte auch 2011 beinahe die Hälfte der minderjährigen Testpersonen Wetten platzieren. Ein ernst zu nehmendes Problem, insbesondere unter dem Aspekt, dass 32,7 Prozent der Spielsüchtigen bereits vor dem 19. Lebensjahr das Problemverhalten entwickeln.
Schätzungen zufolge nehmen nur etwa zehn Prozent aller Spielsüchtigen eine Beratung oder Behandlung in Anspruch. 79 Prozent der Spielsüchtigen, die erstmals zur Spielsuchthilfe kommen, sind bereits schwer verschuldet – durchschnittlich mit 57.343 Euro bei einem monatlichen Nettoeinkommen von 1.387 Euro. Neben der Verschuldung gibt es aber noch einen ganzen Problemkatalog, den die Sucht nach sich zieht: So kommt es in 56 Prozent der Fälle zu Beziehungsproblemen/Trennung, bei 20,9 Prozent zum Verlust des Arbeitsplatzes, bei 18,1 Prozent zu Beschaffungskriminalität und bei 12,7 Prozent zum Wohnungsverlust. 13,5 Prozent haben Suizidgedanken und bei 3,3 Prozent kommt es zum Selbstmordversuch (lt. Forschungsbericht 2011 der Spielsuchthilfe).

Angewidert von den Schattenseiten

Thomas S. subsummiert die Schattenseite des Wettengeschäfts im Interview so: „Ich habe aus Interesse am Sport und Bequemlichkeit lange Zeit den Buchmacherberuf ausgeübt. Die Besitzorientierung ohne Rücksicht auf das Umfeld hat mich aber schon lange angewidert. Bei manchen Leuten hatte ich das Gefühl, sie haben mehr emotionale Bindung zu leblosen Gegenständen, wie ihren Autos, als zu Lebewesen.“

Internet:
Der Konsument 2011/6: tinyurl.com/dykqlvh

Hilfe und Beratung für Spielsüchtige:
www.spielsuchthilfe.at 

Schreiben Sie Ihre Meinungan die Autorin elke.radhuber@oegb.at  oder die Redaktion aw@oegb.at

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