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Katharina Klee Katharina Klee, Chefredakteurin

Standpunkt | Rien ne vas plus

Meinung

Spielen Sie Lotto? Haben Sie je Geld eingesetzt in der Hoffnung aufs große Los oder das kleine Glück? In einer Lotterie, bei einer Wette, beim Kartenspiel oder Würfelpoker mit Freunden? Nein? Dann gehören Sie zu einer Minderheit. Die meisten von uns haben ihr Glück schon im Spiel versucht und eine kleine Summe investiert, um eine größere zu gewinnen.

Spielend erfahren wir die Welt

Der Mensch ist ein spielendes Wesen. Spielend erfahren wir die Welt, probieren uns aus, lernen, entfliehen dem Alltag und seinen Zwängen, nehmen andere Plätze ein. Im sportlichen Wettkampf trainieren wir unsere Körper. Im Theater erproben wir andere Leben. Am Schachbrett entwickeln wir Strategien. Beim Glücksspiel spielen wir mit dem Schicksal. Laut der griechischen Mythologie hat der Gott Hermes das Würfelspiel erfunden wie auch das Wahrsagen. Und nicht umsonst ist die römische Glücksgöttin Fortuna Namenspatin für das englische und französische „fortune“, das auch Vermögen heißt.
Wer könnte den Menschen verdenken, dass sie mitspielen wollen um ein größeres Stück vom Kuchen, um ein Vermögen, das nicht mit Arbeit allein zu gewinnen ist? Auch und gerade jetzt in unserer neoliberalen Leistungsgesellschaft. Noch profitiert vom legalen Glücksspiel vor allem der Staat, der fast überall ein Monopol darauf hat. Doch die Betreiber der höchst erfolgreichen Glücksspielindustrie finden nicht nur im Internet Möglichkeiten fette Gewinne zu machen.
Und dann gibt es ja noch das andere Glücksspiel, den Finanzmarkt, wo mit Derivaten und Hedgefonds auf künftige Preise oder Kurse gesetzt wird – ein Vorgang, der für uns Laien manchmal nur schwer vom Setzen auf Lottozahlen, Toto oder Pferdewetten zu trennen ist. Für die meisten von uns sind die scheinbar allgegenwärtigen Aktieninformationen genauso undurchsichtig und zufallsabhängig wie unsere Schicksalstage auf Lottoscheinen oder die Namen von Rennpferden, die uns gefallen. Mit dem feinen Unterschied, dass erstere seit einigen Jahren als Lauftext bei Nachrichtensendungen und -sendern zu lesen sind. Die Medien halten uns über das Auf und Ab von Dow Jones, DAX und ATX auf dem Laufenden. Ein erstaunliches Service, bedenkt man, dass nur rund 13 Prozent der Bevölkerung ab 16 Jahren in irgendeiner Form Aktien besitzen, wie das Meinungsforschungsinstitut IMAS 2011 ermittelte. Drei Viertel der Bevölkerung haben kaum bis kein Interesse am Thema Aktien, wollen nicht mitspielen.
Doch sie müssen es – wie uns die Krise bewiesen hat. Statt der Lottofee agieren an den Börsen vor allem junge Männer. Betrieben mit Testosteron, meint der Neurowissenschaftler John Coates von der University of Cambridge. Selbst lange Finanzmarkthändler, hat er den Einfluss des männlichen Sexualhormons auf die Broker untersucht: „Jeder Bankencrash hat den Ausgangspunkt im Ende einer Gewinnserie von Börsenhändlern. Das Gewinnen macht euphorisch, wahnwitzig und übermäßig optimistisch.“

Bei den Regeln mitreden

Wie die jungen Hunde. „Er will ja nur spielen“, sagen Herrchen und Frauchen, wenn ihr Hund Jogger verfolgt oder Kinder anbellt. Wesen des Spiels aber, nach einer Definition des Kulturanthropologen Johan Huizinga, ist die „freiwillige Handlung oder Beschäftigung“ nach „freiwillig angenommenen, aber unbedingt bindenden Regeln“, und das trifft weder für den Finanzmarkt noch für den Kampfhund zu. Da wie dort hat uns niemand gefragt, ob wir mitspielen wollen. Wenn wir dazu genötigt werden, dann müssen wir auch bei der Festlegung der Regeln mitreden dürfen. Sonst ist es höchste Zeit, „Rien ne va plus“ zu sagen und unser eigenes Spiel zu eröffnen. Dieses heißt Solidarität, und dabei können wir nur gewinnen.

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