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Working Class Heroes Viel hat sich verändert, seit die Gebrüder Lumière im Jahr 1895 in einem der ersten Filme weltweit ArbeiterInnen beim Verlassen ihrer Fabrik beobachteten.

Working Class Heroes

Schwerpunkt

Die Arbeitswelt im Film - abseits von sexy Sekretärinnen, heldenhaften Ärzten und Top-Anwältinnen.

Die Anforderungen und Probleme der Arbeitswelt haben seit der Stummfilmzeit immer wieder Filmschaffende inspiriert. Neoliberalismus, Kasino-Kapitalismus und nicht zuletzt die Wirtschaftskrise liefern nach wie vor jede Menge Stoff, eher neu ist der Trend, diesen mit Witz und Romantik leichter verdaulich zu machen.
Jung-Akademiker Till ist smart, ehrgeizig und hat mit den Idealen seiner Alt-68er-Eltern nichts am Hut. Als man ihn nach längerem Praktikanten-Dasein inklusive jeder Menge Überstunden, Golftaschen-Schleppen für den Chef und anderen Erniedrigungen mit ein wenig Lob und einem weiteren Praktikum abspeisen will, wehrt er sich auf seine Art. Er gründet eine Agentur, die unzufriedene PraktikantInnen berät und diesen - mit manchmal etwas unsauberen Methoden - zu ihrem Recht verhilft. Wie Till bald selbst zum typischen Chef wird und dann doch wieder - gemeinsam mit seiner Jugendfreundin Sydelia - zum Umsturz aufruft, das erzählt "Résiste! Aufstand der Praktikanten" mit Witz und Einfühlungsvermögen.

1895 beim Verlassen der Fabrik

Viel hat sich verändert, seit die Gebrüder Lumière im Jahr 1895 in einem der ersten Filme weltweit ArbeiterInnen beim Verlassen ihrer Fabrik beobachteten - nicht nur in technischer Hinsicht. Gleich geblieben ist die Absicht von manchen Filmschaffenden, aktuelle Entwicklungen und Probleme der Arbeitswelt aufzugreifen, zu zeigen, was Arbeit und deren Verlust bedeuten kann. Im Gegensatz dazu dien(t)en bei Mainstream-Produktionen (auch wenn diese nicht aus Hollywood kommen) der Arbeitsplatz und damit zusammenhängende Probleme meist als Kulisse für Action, Heldentum, Witze oder Beziehungsgeschichten.

"Modern Times"

Lange Zeit war die Abbildung von Arbeit gleichbedeutend mit der Darstellung von Fabriken, FließbandarbeiterInnen, ErntehelferInnen etc., kurzum mit körperlicher Arbeit. Negative Folgen der Industrialisierung, Einsamkeit, Eintönigkeit und Entfremdung ließen sich so besonders anschaulich darstellen (z. B. 1938 "Modern Times" von und mit Charlie Chaplin). Die Weltwirtschaftskrise inspirierte Autoren und die Filmindustrie. John Ford verfilmte 1940 John Steinbecks "Früchte des Zorns", wo die Schicksale ausgebeuteter Landarbeiter beschrieben werden. In Österreich standen 1932 in "Scampolo" (Regie: Billy Wilder) ein armes Mädchen von der Straße sowie ein arbeits- und mittelloser Bankier im Mittelpunkt.
Der Fokus des Interesses engagierter (linker) Filmschaffender lag lange Zeit auf der Arbeiterklasse, Hollywood leistete unter anderem 1978 mit Sylvester Stallone in der Rolle des Gewerkschaftsführers Johnny Kovak einen Beitrag ("F.I.S.T. - Ein Mann geht seinen Weg"). Kurz darauf wurde "Norma Rae - Eine Frau steht ihren Mann" (Titelrolle: Sally Field) nicht nur mit Oscars und einem Golden Globe ausgezeichnet, sondern auch in Cannes prämiert. Die Veränderungen in der Welt der ArbeiterInnen (Stichwort Emanzipation, MigrantInnen etc.) brachten auch neue Themen in die Kinos - zum Teil mit etwas Verspätung. So schilderte 2005 die neuseeländische Regisseurin Niki Caro in "Kaltes Land" die Geschichte einer amerikanischen Minenarbeiterin, die in den 1980er-Jahren Klägerin im ersten Prozess zum Thema sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz war. Am Puls der Zeit hingegen Sabine Derflinger mit ihrem Spielfilmdebüt "Vollgas" (2002), in dem sie mit beklemmender Realität den Alltag einer Saisonkellnerin im Tiroler Wintertourismus als gefährliches Pendeln zwischen den Extremen beschreibt.

"Ganz oder gar nicht"

Ein neuer, eher humorvoller Zugang zu den Problemen der Arbeiterklasse entwickelte sich während der 1990er-Jahre in Großbritannien. In "Brassed Off" (1996) und "Ganz oder gar nicht" (1997) zeigen erwerbslose Arbeiter, dass Freisetzung auch etwas mit Freiheit zu tun haben kann und dass Arbeitslosigkeit zwar viele Probleme mit sich bringt, aber das Leben damit nicht automatisch zu Ende ist. "Brassed Off - Mit Pauken und Trompeten" ist der ernstere Film, vermutlich kam deshalb die Komödie "Ganz oder gar nicht", in der ehemalige Stahlarbeiter sich zu einer Männer-Strip-Gruppe formieren, beim Publikum deutlich besser an.
Der Trend weg vom Sozial-Melodram hin zu Komödien mit sozialkritischen Untertönen setzte sich weiter fort. Zumindest im Kino sollen die ZuschauerInnen auch lachen können über komplexe Themen wie Neoliberalismus, Globalisierung, Jugendarbeitslosigkeit und Bankenkrisen. Nach dem Vorbild von "Ganz oder gar nicht" entdecken etwa in dem schwedischen Film "Männer im Wasser" die Spieler eines Eishockey-Teams neue Talente an sich. Unter der Anleitung des arbeitslosen Journalisten Fredrik und dessen Tochter kämpfen sie als Synchron-Schwimmer gegen Vorurteile und die eigene Midlife-Crisis. "Montags in der Sonne" mit Javier Bardem erzählt humorvoll-sarkastisch, wie unterschiedlich fünf spanische Dockarbeiter mit ihrer Arbeitslosigkeit und den daraus resultierenden Veränderungen umgehen. In "Outsourced" (2006, USA) prallen in einem nach Indien ausgelagerten Callcenter Ost und West auf amüsante Weise aufeinander.

"Company men"

Längst hat die Job-Krise auch im Film die Mittelschicht erreicht, so etwa in der schwarzen Komödie "Willkommen im Klub" oder in der italienischen Satire "Das ganze Leben liegt vor dir". Und selbst Hollywood hat die Zeichen der Zeit erkannt. In "Company Men" zeigen Stars wie Ben Affleck und Kevin Costner, dass Kündigung auch seelische Kränkung heißt und Arbeit nicht nur Broterwerb ist, sondern ebenso Unabhängigkeit, Zukunftsgrundlage und Respekt bedeutet. Deutlich klischeehafter hingegen die Komödien "Kill the Boss" oder "(Traum)Job gesucht" mit Gilmore-Girl Alexis Bledel.
Ernste Themen leicht verdaulich und mit Humor inklusive Happy End ("Résiste - Aufstand der Praktikanten" etwa gerät gegen Ende doch allzu märchenhaft-romantisch) aufzubereiten, das entspricht nicht nur dem Zeitgeist, sondern der Feel-good-Zugang scheint tatsächlich einiges für sich haben. Denn Problemfilme kommen begreiflicherweise bei all den Menschen, die aus den verschiedensten Gründen ohnehin nicht viel zu lachen haben, meist nicht so gut an. Daher kann leichte Kost durchaus Veränderungen bewirken und Problembewusstsein schaffen. So haben vermutlich auch Komödien, Sitcoms und Vorabendserien einiges dazu beigetragen, Vorurteile gegenüber Homosexuellen oder psychisch Kranken abzubauen.

"It’s a free world"

Der Brite Ken Loach, Meister des Sozialdramas ("Bread and Roses", "Raining Stones" etc.), ist seinem neorealistischen Stil über die Jahrzehnte weitgehend treu geblieben. Schon sein Filmdebüt 1966 "Cathy Come Home" handelt von unverschuldeter Arbeitslosigkeit und Obdachlosigkeit. 2007 erzählte Loach in "It’s a free world" die Geschichte der alleinerziehenden Arbeitsvermittlerin Angie, die sich nach sexueller Belästigung und Kündigung selbstständig macht - und letztendlich selbst illegale Arbeitskräfte aus der Ukraine ausbeutet.
Apropos MigrantInnen: Ihre Probleme in der Arbeitswelt liefern auch heimischen FilmemacherInnen Stoff. Ulrich Seidl beschrieb 1990 in "Good News" das triste Schicksal von MigrantInnen am Beispiel von Zeitungskolporteuren und stellte deren Leben dem ihrer Kundinnen und Kunden gegenüber. Ruth Mader zeigte 2003 in "Struggle" mit der Geschichte einer polnischen Migrantin, dass unmenschliche Arbeitsbedingungen auch in Österreich möglich sind. Die Spiel-Doku "Murat B. - Verloren in Deutschland" erzählt das Leben des "schwer vermittelbaren" 32-jährigen Murat.

"Workingman’s Death"

Last, not least - und damit schließt sich der Kreis wieder - sei Michael Glawoggers beeindruckende Dokumentation "Workingman’s Death" erwähnt. Der österreichische Filmemacher ging der Frage nach, ob körperliche Schwerstarbeit tatsächlich verschwindet oder nur unsichtbar ist. Er zeigte, unter welch unmenschlichen Bedingungen ArbeiterInnen in Afrika, Asien und der Ukraine ihren Lebensunterhalt verdienen.

Internet: "Workingman’s death": www.workingmansdeath.at

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