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Helle Panik und dunkle Abgründe Von Unwohlsein und gesteigertem Kontrollverhalten bis zu völlig unsinnigem Fluchtverhalten kann man schon im eigenen Umfeld meist alle Reaktionen beobachten.

Helle Panik und dunkle Abgründe

Schwerpunkt

Wir fürchten uns alle vor irgendetwas. Wenn sich die Furcht aber verselbstständigt und in Panik umschlägt, dann kann das Leben zur Hölle werden.

Operngala eines international agierenden Konzerns. Während ausnahmslos alle der festlich gekleideten Menschen in Richtung der Logen und Balkone drängen, versucht sich ein Herr den Weg Richtung Billeteur zu bahnen. Seine Gesichtsfarbe ist resedagrün und gleicht im Farbton einigen changierenden Festroben. Seine Stimmung allerdings ist einfach zu beschreiben: Panik. Er könne unmöglich seinen Platz behalten und brauche entweder einen im Parkett, welcher sei völlig gleich, aber dort im dritten Rang könne er unmöglich sitzen bleiben. Nach kurzem Hin und Her war klar, der Mann litt unter einer ausgeprägten Höhenangst. Der Blick von seinem Platz am dritten Rang löste bei ihm Schweißausbrüche, Atemnot, Übelkeit, kurz eben existenzielle Panik aus.

Von Spinnenangst und Sozialphobie

Das klassische Beispiel für Phobien dürfte aber die in unseren Breiten weitverbreitete Spinnenangst sein. Kaum jemand, der oder die nicht jemanden kennt, der oder die beim Anblick der kleinen Krabbeltiere in Hysterie verfällt. Wobei die Stärken der Reaktion durchaus unterschiedlich sein können. Von Unwohlsein und gesteigertem Kontrollverhalten (sitzt das Tier noch ruhig in seinem Eck?) bis zu völlig unsinnigem Fluchtverhalten kann man schon im eigenen Umfeld meist alle Reaktionen beobachten.
Es gibt aber auch SozialphobikerInnen. Menschen also, die sich in bestimmten Situationen (in schlimmen Fällen auch so gut wie immer) Gedanken darüber machen, im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen oder sich peinlich oder gar beschämend zu verhalten. Für sie wird das Leben zur Qual, und die Sozialkontakte schrumpfen. Viele von ihnen verlieren nach einiger Zeit die Arbeit und nicht wenige flüchten in Abhängigkeiten. Depressionen und eine stark gesteigerte Suizidgefährdung machen das Leben mit einer ausgeprägten Sozialphobie zu einer sehr gefährlichen Sache, die jeglicher Komik entbehrt.

Der Ursprung der Angst

Angst und Furcht sind zwei Phänomene, die schon bei den alten Griechen belegt sind und mit Sicherheit die Menschheit begleiten, seit sie die Erde bevölkert. Wobei man zwischen Angst und Furcht unterscheiden muss, auch wenn diese Begriffe umgangssprachlich gerne als Synonyme verwendet werden: Furcht ist auf etwas gerichtet, Angst ist gegenstandslos. Als "Weltangst" taucht sie schon im Hellenismus und später im Christentum auf. Bei den modernen Philosophen wird die Angst als Bestandteil des menschlichen Handelns, als ein Grundzug des menschlichen Daseins begriffen.
Im Gegensatz zur Angst ist die Furcht immer schon eine gute Ratgeberin und treue Begleiterin des Menschen gewesen. Die Furcht vor wilden Tieren hat unsere Vorfahren vorsichtig und erfinderisch gemacht. Die Furcht vor giftigen Pflanzen hat sie ein großes Wissen über essbare und giftige Pflanzen und deren Wirkungen sammeln lassen.

Das kann man loswerden

Die gute Nachricht für alle, die an Spinnen-, Höhen- oder Flugangst leiden: Das kann man loswerden. Es gibt verschiedene Wege, diese Arten der Phobien zu therapieren, erklären Expertinnen und Experten: Entspannungsverfahren, Verhaltenstherapie, kognitive Therapie, Psychoanalyse, aber auch Medikamente werden eingesetzt, um Menschen mit ausgeprägten Phobien zu heilen. In der Verhaltenstherapie gibt es zwei Ansätze: Bei der Reizkonfrontation, dem sogenannten "flooding", erfolgt mit therapeutischer Begleitung eine maximal angstauslösende Situation, die so lange ausgehalten werden muss, bis eine physiologische Gewöhnung eintritt und der/die PatientIn lernt, dass die gefürchteten katastrophalen Folgen ausbleiben.
Diese brutale Methode ist bei den bekannten und gängigsten Phobien die erfolgversprechendste. PatientInnen allerdings nehmen das Konzept nicht wirklich gut an. Da ist den meisten der sanfte Einstieg ins Thema und die langsame Dosissteigerung dann doch lieber. So wie bei Flugangstseminaren, die gute Ergebnisse liefern. Dort wird erklärt, wie das Fliegen funktioniert und wie die zahlreichen Sicherheitssysteme zusammenspielen. Wie AUA-Psychologe Robert Wolfger betont, würden 99 Prozent aller TeilnehmerInnen seiner Seminare den Abschlussrundflug mitmachen, und rund 64 Prozent hätten anschließend auch keine Flugangst mehr. Menschen mit schweren Symptomen hilft nur die Konfrontation mit dem Angstauslöser, manchmal auch in der schlimmsten für sie vorstellbaren Form. So wie bei Klaus: "Ich bin 39 und in diesem Jahr zum ersten Mal geflogen. Bei meinem vierten Flug passierte es dann: Heftige Turbulenzen. Und die Landung war auch recht turbulent. Und ich lebe immer noch. Irgendwann erlebt man alles zum ersten Mal. Ja - ich hatte Angst. Aber nach dieser Erfahrung habe ich keine Angst mehr. Ich kenne jetzt alles: Wenn die Maschine startet und das Fahrwerk eingefahren wird - und es dabei so rummst, als wenn die Tragflächen abfallen. Das Landen - eh die gefährlichste Flugphase mit heftigem Bremsen auf der Landebahn. Und den Flug mit Turbulenzen. Bei meinem ersten Flug war ich nach dem Abheben panisch, als sich die Maschine in die Kurve legte. Heute denk ich: Warum hab ich mich eigentlich gefürchtet? Ich hab meine Angst durch diese Erfahrungen abgelegt."

Verdrängte Konflikte ...

Doch wie kommt es zu diesen überschießenden Reaktionen? Der psychoanalytische Ansatz meint, dass verdrängte (sexuelle) Konflikte durch Abwehrmechanismen nach außen verlagert werden. Bei einer Phobie hat der/die Betroffene dann nicht eigentlich Angst vor dem wirklichen Objekt, auf das er/sie phobisch reagiert, sondern er/sie fürchtet in Wahrheit die unbewusste Phantasie, die mit diesem Objekt in Verbindung steht. Die äußere steht also für eine innere Angst.

... oder erlernte Furcht?

Die Lerntheorie kommt zu anderen Schlüssen: Zunächst erlernt eine Person die Furcht vor einer ehemals neutralen Situation. Es kann auch Angst vor einer Situation oder einem Objekt erworben werden, mit der bzw. dem die Person selbst noch nie schlechte Erfahrungen gemacht hat. So kann zum Beispiel bei einem Kind schon Angst vor Spinnen entstehen, weil es gesehen hat, mit welcher Panik seine Mutter auf den Anblick einer Spinne reagiert hat. Wobei erlernte Angst wie wirkliche Angst funktioniert, haben der US-Forscher Andreas Olsson und seine Kollegen in einer Studie herausgefunden. Dass die Angst aufrechterhalten bleibt und sich verstärkt, hängt mit der Wahrnehmung der körperlichen Reaktion zusammen: Angstreaktionen wie Herzrasen werden subjektiv als Gefahr gedeutet und verstärken das Angstgefühl. Ein Teufelskreis beginnt. Durch Vermeidungshaltungen wird das Problem kurzfristig gebessert, die Erwartungsangst - vor der befürchteten Situation und ihren Folgen - sorgt aber dafür, dass sich der Strudel immer schneller und enger dreht: Der Stress unter dem Menschen stehen, die sich vor der Angst fürchten, ist extrem.
Angst kann aber auch eine gute Ratgeberin sein, wenn es um das Überleben geht. Wenn sich unsere Vorfahren vor dem Säbelzahntiger nicht gefürchtet und Reißaus genommen hätten, dann wäre die Menschheit vermutlich längst ausgestorben. Und auch wenn die Ängste heutiger Tage höchst unterschiedlich sein können, gehen sie doch so gut wie immer auf unsere Vorfahren zurück. Dass das Gefühl der Angst überhaupt entsteht, ist genetisch festgelegt. US-Forscher der Rutgers University in Piscataway, New Jersey, fanden das Gen Stathmin, welches angeborene als auch erlernte Angst steuert. Wem dieses Gen fehlt, so die Studie, aus dem wird ein echter Draufgänger. Zumindest wenn er eine Labormaus ist. Die Angst und die mit ihr einhergehenden körperliche Reaktionen sind allerdings im Idealfall gute Helfer: Denn sie ermöglichen erst schnell zu laufen und sich in Sicherheit zu bringen oder schnelle Entscheidungen zu treffen. Wo die Angst fehlt, wird sie manchmal sogar künstlich hervorgerufen und gesucht: Durch Psychothriller oder Bungee-Jumping suchen Menschen, die nicht unter Ängsten leiden, den kontrollierten Kick.

Internet:
Angstforum/Selbsthilfe: www.psychic.de

Liste von Phobien: de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Phobien 

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin office@frauenhetz.at oder die  Redaktion aw@oegb.at 

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