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Sybille Hamann präsentierte ihr Buch "Saubere Dienste. Ein Report" In Jogginghose und mit Kopftuch machte sich Topjournalistin Hamann auf die Suche nach einem Auskommen. So dachten die Ahnungslosen, die auf ihre Annonce "Franziska, 7 Euro" antworteten.
Buchtipp

Sybille Hamann präsentierte ihr Buch "Saubere Dienste. Ein Report"

Schwerpunkt

Sybille Hamann präsentierte ihr Buch "Saubere Dienste. Ein Report" Anfang Mai in der ÖGB-Fachbuchhandlung

Erst im Laufe der Recherchen sei ihr aufgefallen, wie viel die Geschichte der "sauberen Dienste", der Frauen in Reinigung und Pflege, mit ihrer eigenen zu tun hat, eben jener rote Faden, der die Dienstbotin um die Jahrhundertwende Franziska - Vorfahrin ihres Mannes - mit der Undercover-Putzfrau Franziska im Selbstversuch verknüpft. Damals wie heute sind die DienstleisterInnen im Privathaushalt unscheinbare und auch versteckte Gestalten unserer Gesellschaft.
Schon vor dem Beginn der Lesung drängten sich einige Fragen auf. Warum spielt Scham im Umgang mit den Helferlein im Haushalt noch immer eine Rolle? Ist ein - wenn auch "schwarzes" - Dienstverhältnis trotz höflichen Umgangs und fairer Bezahlung etwas, das einem unangenehm sein müsste? Oder reicht das Eindringen in die intime Privatsphäre aus, dass man diese "Verhältnisse" geheim hält?

Die Wurzeln

Franziska O. ist eine Vorfahrin der Kinder von Sybille Hamann. Durch die Geburt ihrer Kinder habe sie sich auch für deren Wurzeln interessiert und sei so auf die Frau gestoßen, die 1847 in Mähren geboren wurde. Bekannt ist von ihr nicht viel, nur die Meldeadresse in Wien. Sie war ein klassisches Wiener Dienstmädchen, erst war der Beruf "Bedienerin" angegeben, dann Pensionistin. Franziska O. verließ ihre Heimat, weil sie von einem wohlhabenden Fabrikantensohn ein uneheliches Kind erwartete, das sie später ins Kinderheim in Wien gab. Aber wie ihr Alltag war oder wo sie arbeitete, weiß man heute nicht.
Im Unterschied zu damals gibt es heute keine Dienstbotengesellschaft mehr, so sagt man. Denn in Wirklichkeit hat unsere Gesellschaft keine Lösung dafür, wer sich um die alte, kranke Oma kümmert, wer den Haushalt macht, wenn zu wenig Zeit ist, oder wer die Babys sittet. Dafür gibt es Frauen, meist aus dem Osten, die das für uns erledigen. Oft leben sie illegal in Österreich, seit der Ostöffnung arbeiten mehr von ihnen legal als Dienstleisterinnen. Aber es kann keine Rede davon sein, dass keine Dienstboten mehr existieren. Was es heute nicht mehr gibt, sind die Regeln, wie mit den Dienstboten umgegangen wird.

Die falsche "Franziska, 7 Euro"

In Jogginghose und mit Kopftuch machte sich Topjournalistin Hamann auf die Suche nach einem Auskommen. So dachten die Ahnungslosen, die auf ihre Annonce "Franziska, 7 Euro" antworteten. Mit zurechtgelegtem, ausgedachtem Lebenslauf im Gepäck und ein bisschen Scham, da sie, ohne es zu können, angegeben hatte, auch Hemden zu bügeln, betrat sie ihre erste Arbeitsstelle. Ein gutbürgerlicher Messi-Haushalt, der Arbeit ohne Grenzen bot, jedoch auch Probleme ohne Lösungen. Frau D., die Dame des Hauses, war sichtlich nicht zufrieden. Dass das Problem nicht an ihr lag, sondern am Gerümpel, um das die verdeckte Journalistin herumputzen musste, konnte sie nicht erklären. "Sie müssen noch viel lernen", sagte man ihr und sie nickte nur.
Bei Frau S. hatte die erfundene Putzfrau noch weniger Glück. Auf ihr Inserat meldete sich eine junge Frau, die sehr überrascht war, dass ihr Gegenüber so gut Deutsch könne: "Sie werden doch auch mein Klo putzen müssen!" Mit dem Argument "Lieber wäre mir eine richtige Putzfrau, eine Polin zum Beispiel" wurde sie abgewiesen. Dass eine Österreicherin ein Klo putzt, war der Auftraggeberin unangenehm. Und auch nach ihrem fingierten Leben, das sie sich zurechtgelegt hatte, fragte keiner.
"Zu große Ähnlichkeit ist nicht erwünscht", erzählt die Journalistin im Gespräch. Und selbst der erfundene Lebenslauf mache keinen Unterschied. Eine Migrantin im selben Alter, mit der gleichen Ausbildung und Arbeitserfahrung als Journalistin, finde man sicher auch in dieser Situation wieder. Und dass die meisten Haushaltshilfen oder Pflegerinnen überqualifiziert sind, sei schon lange kein Geheimnis mehr. Doch oft werde diese Tatsache verschwiegen, da es sonst zu Spannungen im Arbeitsverhältnis kommen könne. Womöglich "könne man sich für etwas Besseres halten", zu gut, um als Akademikerin den Boden zu wischen.

Alles besser nach der Ostöffnung?

Obwohl durch die offizielle Möglichkeit, in Österreich zu arbeiten - was besonders für Besuche zu Hause eine große Verbesserung brachte - einige den Weg aus der Illegalität fanden, arbeiten noch immer viele Dienstleisterinnen aus Osteuropa in unsicheren Arbeitsverhältnissen. Da es nach wie vor keine richtigen Aufklärungsmaßnahmen vonseiten des Staates gibt bzw. nur für die ArbeitgeberInnen, arbeiten viele "schwarz". "Warum gibt es keine One-Stop-Shops zum Anmelden eine Gewerbes für Putzfrauen", fragt Hamann. Die Entkriminalisierungsmaßnahmen würden nur in Richtung der ArbeitgeberInnen gesetzt und auch Broschüren zu dem Thema gebe es nur auf Deutsch. Somit bestehe auch eine große Hemmschwelle zum Anmelden eines eigenen Gewerbes.
Auch die Vorteile, die sich aus einem offiziellen Arbeitsverhältnis ergeben, seien den Arbeiterinnen oft nicht klar oder es gebe sogar gar keine. Pflegerinnen, die im Zwei-Wochen-Takt in ihre Heimat zurückkehren und dort sozialversichert sind, nicht in Österreich leben wollen und daher auch nie hier eine Pension beziehen, sollten in ein Pensionssystem einzahlen? Im höheren Einkommensbereich gibt es schon grenzüberschreitende Pensionsversicherungen für sogenannte Expats: ManagerInnen, die oft in verschiedenen Ländern angestellt sind, dort in eine Pensionskasse einzahlen und diese von Staat zu Staat mitnehmen können. Im Niedriglohnbereich existiere es so etwas nicht, kritisiert Hamann.
"Von dir wird erwartet, dass du selber keine Probleme hast", zitiert die Journalistin eine Altenpflegerin. Diese leistet harte Arbeit, die nur zu ertragen ist, weil die Pflegerinnen gemeinsam in einem Minibus alle zwei Wochen wieder in ihre Heimat gefahren werden und somit eine gewisse Austauschmöglichkeit haben. Aber der Geiz mancher Alten, das Misstrauen und der Entzug von jeglichem menschlichen Kontakt, besonders in ländlichen Gegenden, erschweren die Tätigkeit und lassen keine persönlichen Probleme zu. Zu Hause fehlen die Mütter, deren Nachwuchs wird zur "Zombie-Generation" ausgerufen und an allem sind auch noch die abwesenden, arbeitenden Mütter schuld. In den Fällen, in denen die ArbeiterInnen nicht aus dem Schengen-Raum kommen, z. B. aus Europas Armenhaus Moldawien, ist der Besuch der Familie fast unmöglich. Nur materielle Zuneigung per Post ist für die Kinder der Ausgewanderten drin. Und obwohl oft keine andere Möglichkeit zum Einkommenserwerb bleibt, als das Heimatdorf zu verlassen und einen gutbezahlten Job in Westeuropa anzunehmen, sehen sich die Frauen oft mit dem Vorwurf der Geld- und Konsumgier konfrontiert. Dass eine Arbeit im Ausland in konservativen Gesellschaften auch eine gewisse Emanzipation bedeutet, weil Scheidungen mancherorts einfach nicht möglich sind, spielt da wohl eher eine Rolle. "Philippinische Scheidung" nennt sich diese Möglichkeit, immer noch geachtet, seinen Verpflichtungen nachzukommen und dem Ehemann trotzdem zu entfliehen. Im Laufe der Recherchen über die moldawischen Schicksale traf Hamann auch auf die Filmemacher von "Mama Illegal", ein Streifen, der das Leben von drei moldawischen Putzfrauen zeigt.

Aber nicht mehr lange

Eines ist der Aufdecker-Journalistin jedoch klar: Unsere Gesellschaft wird sich nicht mehr lange dieser fleißigen ArbeiterInnen bedienen können. Durch den demografischen Wandel, den es auch in Osteuropa gibt, und die stetige Lohnangleichung wird es in Zukunft nicht mehr so sein, dass eine Physikerin in Moldau weniger verdient als eine Putzfrau in Österreich. Somit werde man sich in Zukunft andere Lösungen für Oma, Haushalt und Baby überlegen müssen.

Internet:
Mehr Infos unter: www.facebook.com/Mama.Illegal

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