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Pogo-Punk im Altenheim Gerade ArbeiterInnen können aufgrund der hohen körperlichen Belastung oft nicht bis zum gesetzlich vorgeschriebenen Pensionsalter "durchhalten".

Pogo-Punk im Altenheim

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Die Alten werden älter, die Jungen werden weniger - das stellt die Gesundheits- und Pensionsvorsorge auf die Probe. Sind somit Konflikte unausweichlich?

Alt gegen Jung", so der Titel einer Quiz-Show mit Günther Jauch, in der ältere Semester ihr Wissen mit der jüngeren Generation messen. Die RTL-Produktion erwies sich als mäßig erfolgreich und wurde heftig kritisiert, weil hier ein Graben zwischen Alt und Jung gezogen werde. Nichtsdestotrotz ist es ein deutliches Zeichen für die Brisanz einer Thematik, wenn sie nicht nur journalistische Medien, sondern auch die Unterhaltungsindustrie bzw. Populärkultur erreicht. "Renten ham’ wir längst versoffen. Könn’ nur noch auf die Stütze hoffen", heißt es etwa im Song "Pogo-Punk im Altenheim" der deutschen Band "Rauschangriff". Über die textliche und inhaltliche Qualität lässt sich streiten, ohne Zweifel bereitet aber das angesprochene Thema tiefe Sorgenfalten: die Sicherheit des Pensionssystems.

In Armut altern?

Tatsächlich stellt die demografische Entwicklung das staatliche Pensionssystem auf eine harte Probe. Ein heute in Österreich geborenes Kind genießt die realistische Fifty-fifty-Chance, das stolze Alter von 100 Jahren zu erreichen. Wir - und vor allem unsere Kinder - werden älter, was prinzipiell natürlich erfreulich ist, jedoch notgedrungen Auswirkungen auf die Rentenstruktur hat. Verbrachte eine Österreicherin vor 40 Jahren im Schnitt 16 Jahre im Ruhestand, sind es heute schon 27. Bei den Männern stieg die Anzahl der Pensionsjahre im gleichen Zeitraum von elf auf 22 Jahre. Wobei sich die Altersstruktur weiter verschiebt: In rund zehn Jahren werden die 50- bis 59-Jährigen die stärkste Altersgruppe darstellen. Derzeit gibt es in Österreich an die 2,2 Mio. PensionistInnen, bereits 2020 sollen es 2,5 Mio. sein. Gleichzeitig treten wegen sinkender Geburtenraten weniger Menschen in die Berufswelt ein bzw. beginnen sie wegen längerer Ausbildungszeiten später zu arbeiten. Daher müssen immer weniger Junge eine steigende Anzahl von PensionärInnen erhalten, dem Umlageverfahren drohe somit der finanzielle Kollaps, so zumindest neoliberale PolitikerInnen und ÖkonomInnen. Ganz "nebenbei" wird von den gleichen ProponentInnen zu steigenden Investitionen in private Vorsorgemodelle geraten, um die sogenannte Pensionslücke zu schließen. Am stärksten von der Finanz- und Versicherungsindustrie, also von denen, die die genannten Modelle anbieten - und an ihnen verdienen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt ...
Kapitalgedeckte Pensionssysteme, also private Altersvorsorge, stellen sicher kein Allheilmittel dar. Auch bei der Kapitaldeckung werden die Pensionen von der Erwerbsgeneration bezahlt - wobei sich in Zeiten schrumpfender Reallohnzuwächse die Frage der Finanzierung durch Private stellt. Anders ausgedrückt: Woher das Geld für den Ruhestand nehmen, wenn bereits im Erwerbsleben die Kasse oft knapp ist?
Auch die phasenweise hohen Gewinne auf den Finanzmärkten für die private Vorsorge dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese Rendite in der "realen Wirtschaft" erarbeitet werden muss. Die private Vorsorge ist zusätzlich durch hohe Finanzmarktrisiken belastet, wie die Entwertung der Kapitalstöcke in der Finanzkrise der vergangenen Jahre gezeigt hat. Die AK weist darauf hin, dass auch wegen der hohen Verwaltungs- und Veranlagungskosten das Kapitaldeckungsverfahren keineswegs effizienter ist als das Umlageverfahren (mit einen Verwaltungsaufwand von 1,55 Prozent). Die private Altersvorsorge kann helfen, die individuelle Rente aufzubessern, sie ist aber nicht die Retterin des Pensionssystems. Judit Havasi, Vorstandsdirektorin der Wiener Städtischen Versicherung, bringt es auf den Punkt: "Private Vorsorge ist wichtiger denn je - additiv zur staatlichen Vorsorge, die wir nicht kaputt reden möchten." An anderer Stelle passiert das leider immer wieder.

Bitte keine Panikmache

"Rentner - Leben auf Kosten der Anderen", so reißerisch titeln auch seriöse Medien wie "Die Welt". Die Tendenz, einen Keil zwischen die ältere und jüngere Generation zu treiben, ist unübersehbar. Vor dieser Art der Panikmache und Entsolidarisierung warnt die AK. Es sei unsinnig, über Zeiträume wie die nächsten 65 Jahre Bevölkerungsprognosen zu erstellen. Darin würden nur derzeit feststellbare Trends fortgeschrieben. Seitens der AK heißt es etwa: "Umgelegt auf das beginnende 20. Jahrhundert hätten die Demografen alle wesentlichen Ereignisse wie Kriege, Babyboom, Zuwanderung oder den Pillenknick übersehen. Ein besonders wichtiger Faktor ist etwa die angenommene Netto-Migration, die kaum vorherzusagen ist." Die ArbeitnehmervertreterInnen raten dazu, die Diskussion sachlich zu führen und scheinbar beängstigende Zahlen kritisch zu betrachten. So soll in den kommenden Jahrzehnten der Anteil der "Erwerbsgeneration" zwischen 20 und 64 Jahren von rund 60 Prozent auf circa 52 Prozent fallen. Das klingt beunruhigend, tatsächlich war das Verhältnis bereits Anfang der 1970er-Jahre ähnlich - das Umlagesystem hat dennoch funktioniert.

Altersquotient - Pensionslastquote

Oft wird übersehen, dass es nicht auf den Altersquotienten, sondern auf die Pensionslastquote ankommt. Der Altersquotient beschreibt das Verhältnis der Erwerbsgeneration zur PensionistInnengeneration, die Pensionslastquote hingegen das tatsächliche Verhältnis der Erwerbstätigen zu PensionsbezieherInnen.
Der Unterschied: Auch in der Erwerbsgeneration der 20- bis 64-Jährigen arbeiten nicht alle: wegen Behinderungen, Invalidität, Chancenlosigkeit am Arbeitsmarkt und (auch ungewollter) Pensionierung vor dem 65. Lebensjahr. Dazu kommt der "Verzicht" auf Berufstätigkeit aufgrund von Kindererziehung, Pflege und anderen privaten Motiven bzw. Sachzwängen. Die Erwerbsquote betrug 2009 in Österreich 71,6 Prozent, im Jahr 2000 lag das Verhältnis von ErhalterInnen zu Erhaltenden bei 1:1 (Alte, Junge, Arbeitslose und "FrühpensionistInnen", aber ohne Hausfrauen). Bis 2050 wird sich dieses Verhältnis laut AK nur geringfügig verschlechtern.
Durch aktive Beschäftigungspolitik könnte die Erwerbsquote auf das Niveau der skandinavischen Staaten steigen. Dort arbeiten über 70 Prozent der Frauen, dazu kommt noch ein steigendes faktisches Pensionsantrittsalter. Der doppelte Effekt: weniger Ausgaben, dafür aber mehr Beitragseinnahmen. Damit würden die prognostizierten Finanzierungsprobleme massiv entschärft. Für Monika Weißensteiner, Sozialversicherungsexpertin in der AK Wien, ist bei der Diskussion über das Pensionsantrittsalter wichtig, dass auch entsprechende alternsgerechte Arbeitsplätze zur Verfügung gestellt werden: "Das kann über ein Bonus-Malus-Modell erreicht werden oder über Modelle der Teilzeitpension, die noch in Diskussion sind." Gerade ArbeiterInnen können auch aufgrund der hohen körperlichen Belastung oft nicht bis zum gesetzlich vorgeschriebenen Pensionsalter "durchhalten". Wenn gesundheitliche Schäden bereits aufgetreten sind, kann es für Rehabilitationsmaßnahmen, die die Rückkehr in den Job ermöglichen, bereits zu spät sein. Weißensteiner: "Deshalb ist es wichtig, nicht nur auf Rehabilitation, sondern auch auf gesundheitliche Prävention zu setzen, damit Menschen möglichst lange und gesund im Berufsleben aktiv sein können."

Jahr des aktiven Alterns

Die Pension ist aber nicht das einzige Thema, das Spannungen zwischen den Generationen erzeugt - auch Pflege- und Gesundheit sind "heiße Eisen". Zur sachlichen Lösung der Probleme wurde 2012 von der EU zum "Europäischen Jahr für aktives Altern und Solidarität zwischen den Generationen" ausgerufen.

Nicht gegeneinander "aufhussen"

Das Europäische Jahr soll die Öffentlichkeit für den gesellschaftlichen Beitrag älterer Menschen sensibilisieren. Mit der Initiative sollen politische Entscheidungs- und InteressenträgerInnen auf allen Ebenen dazu angehalten werden, auf bessere Rahmenbedingungen für aktives Altern und die Stärkung der Solidarität zwischen den Generationen hinzuwirken. Ein klare Forderung lautet wiederum, älteren ArbeitnehmerInnen bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu geben. Fazit: Das "Aufhussen" der Generationen gegeneinander bringt natürlich die eine oder andere quotenwirksame Schlagzeile, für ein konstruktives Zusammenleben ist aber Solidarität notwendig. Denn "die Alten" sind gerne so lange wie möglich jung, und auch "die Jungen" wollen alt werden.

Internet:
Mehr Infos unter: tinyurl.com/cjz8a7s
Jahr des aktiven Alterns: www.ej2012.at 

Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor haraldkolerus@yahoo.com oder die Redaktion aw@oegb.at 

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