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Die oberen zehn Prozent Ganz anders hingegen die Leistung von Reinigungspersonal, das etwa in Krankenhäusern durch seine Tätigkeit die Ausbreitung von Keimen verhindert: Es erwirtschaftet das Zehnfache seines Einkommens an Sozialrendite.

Die oberen zehn Prozent

Schwerpunkt

Der OECD-Report "Divided We Stand: Why Inequality Keeps Rising" beweist, dass die Kluft zwischen Arm und Reich seit den 1980er-Jahren gewachsen ist.

Besorgniserregend, aber wenig überraschend, so würden manche die Ergebnisse des im Herbst 2011 veröffentlichten OECD-Reports "Divided We Stand: Why Inequality Keeps Rising" vielleicht kommentieren. Ein Nachteil derart groß angelegter Berichte ist in der Regel, dass sie nicht wirklich up to date sein können: Die letzten Zahlen für diesen OECD-Report stammen aus der Zeit vor der Wirtschaftskrise. Damals nahm die OECD an, dass krisenbedingte geringere Kapitalerträge auf der einen und Kurzarbeit sowie steigende Arbeitslosenzahlen auf der anderen Seite die Einkommensschere zwischen Arm und Reich nicht unbedingt weiter öffnen würden.

Gewinne für wen?

Tatsächlich zeigte etwa im Dezember 2010 der AK-Unternehmensmonitor, dass die Ausschüttungen der heimischen Unternehmen gemessen an den Löhnen und Gehältern von 2005 bis 2009 massiv gestiegen und selbst im Krisenjahr 2009 auf dem hohen Niveau von 39,7 Prozent geblieben sind. Laut Statistik Austria ist sowohl die Lohnquote als auch die Sparquote der Haushalte von 2009 bis 2011 gesunken, die Gewinnquote des Unternehmenssektors aber gestiegen.
Weltweit entwickelten sich Einkommensungleichheiten unterschiedlich. Der Anstieg begann in den frühen 1980er-Jahren in Großbritannien, den USA und Israel, breitete sich dann weiter aus. Um die Jahrtausendwende hatte der Trend schließlich auch Deutschland, Österreich und Skandinavien erreicht. 2008 waren in Israel und Japan die Realeinkommen all jener, die ohnehin schon wenig verdienen, unter das Niveau der 80er-Jahre gefallen! 2008 veröffentlichte die OECD mit der Publikation "Mehr Ungleichheit trotz Wachstum?" Daten über den Stand der Einkommensverteilung Mitte der 2000er-Jahre in 30 OECD-Ländern. Von zwei Dritteln dieser Staaten konnten sogar bis Mitte der 1980er-Jahre zurückreichende Informationen miteinbezogen werden. Der Anstieg der Ungleichheit war 2008 zwar in fast allen Ländern deutlich sichtbar, aber noch nicht spektakulär. So betrug die durchschnittliche Zunahme der Disparitäten seit den 1980er-Jahren rund zwei Gini-Punkte. Dies entsprach ungefähr der Differenz zwischen Deutschland und Kanada. Die Einkommen der Superreichen fanden in diesem Bericht keine Berücksichtigung, da sie mit den üblichen Datenquellen zur Einkommensverteilung nicht hinreichend erfasst werden konnten.

Auch Wohlfahrtsstaaten betroffen

Für den 2011 veröffentlichten Report "Divided We Stand" konnten zusätzlich neuere Daten bis ins Jahr 2008 herangezogen werden. In fast allen Staaten ist ein weiteres Anwachsen der Ungleichheit feststellbar. Seit Mitte der 1980er-Jahre ist der Gini-Koeffizient für Personen im erwerbsfähigen Alter von durchschnittlich 0,29 um zehn Prozent auf 0,316 in den späten 2000er-Jahren gestiegen. Besonders deutlich zeigte sich diese Entwicklung in Finnland, Deutschland, Israel, Luxemburg, Neuseeland, Schweden und den USA. Gesunken ist die Disparität nur in jenen Ländern, wo sie vor einigen Jahren ohnehin sehr hoch war (Griechenland, Türkei, Chile, Mexiko). In Österreich hat sich die Einkommensschere zwischen Arm und Reich seit Mitte der 1980er-Jahre kontinuierlich geöffnet. Ende der 1990er lag das Land mit dem Gini-Koeffizienten von 0,252 an viertbester Stelle hinter Dänemark, Schweden und den Niederlanden (OECD-Durchschnitt: 0,307), 2008 war der Wert auf 0,261 angestiegen und Österreich damit auf Platz neun zurückgefallen. Schlüsselt man die Daten genauer auf, dann ergibt sich folgendes Bild: Die Einkommensungleichheit ist unter Teilzeitbeschäftigen deutlich höher als unter Vollzeitangestellten. Sobald auch die selbstständig Erwerbstätigen in die Berechnungen miteinbezogen werden, steigt der Gini-Index merklich weiter an. Der Trend, in Berufsgruppen mit niedrigen Einkommen die Arbeitszeiten zu reduzieren, während BesserverdienerInnen eher länger arbeiten als in den 1990er-Jahren, hat ebenfalls die Kluft zwischen Arm und Reich vergrößert.
Durchschnittlich sieben Prozent aller Haushaltseinkommen stammen aus Kapitalvermögen. Markteinkommen, also Brutto-Einkünfte aus Erwerbseinkommen plus Ersparnisse und anderes Kapital, sind - auch in Österreich - deutlich ungleicher verteilt als Erwerbseinkommen. Und während die Divergenz bei den Markteinkommen zugenommen hat, wurden seit Mitte der 1990er-Jahre in vielen Ländern die ausgleichenden Effekte von Steuern und Transferzahlungen geringer. Ob und wie staatliche Sparmaßnahmen angesichts von Wirtschafts- und Euro-Krise Umverteilungseffekte weiter reduzieren, bleibt abzuwarten.

Ursachen der Ungleichheit

Der OECD-Report meint dazu:

  • Das Einkommen der reichsten zehn Prozent der ArbeitnehmerInnen ist deutlich schneller und stärker gestiegen als das der restlichen Beschäftigten. Die oberen zehn Prozent haben sich von der Mittelschicht rascher entfernt als diese von den GeringverdienerInnen.
  • Gutausgebildete profitierten deutlich stärker vom techn(olog)ischen Fortschritt, besonders begünstigt sind Menschen mit Kenntnissen im Bereich Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) oder auf dem Finanzsektor.
  • Je mehr Langzeitarbeitslose, schwer Vermittelbare etc. wieder in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden, desto größer wird der Anteil an Menschen mit geringen Einkommen.
  • Die Globalisierung hat laut OECD nur wenig Einfluss auf diese Entwicklung.

Durchschnittlich 13 Prozent des BIP investieren die OECD-Staaten in Sozialleistungen, dies reduziert die Ungleichheit um durchschnittlich ein Fünftel. Frei zugängliche, qualitätsvolle öffentliche Dienstleistungen in den Bereichen Erziehung, Bildung, Gesundheit und Pflege sind ebenfalls wichtig, vor allem für aufstrebende Länder und für Menschen mit geringem Einkommen. Deren Lebensstandard kann dadurch merklich verbessert werden, entscheidend sind für diesen Personenkreis aber auch die Preise für Lebensmittel etc.

Lösungsvorschläge 

Jobs schaffen, Bildung fördern, Anreize für lebenslanges Lernen bieten, das sind die - wenig überraschenden - Tipps der OECD-AutorInnen für mehr Ausgleich. Zur besseren Umverteilung wären nicht unbedingt neue Steuern nötig, auch Maßnahmen, welche die "Steuer-Compliance" erhöhen bzw. die Beseitigung so mancher Steuererleichterungen und -schlupflöcher wären sinnvoll.

"A Bit Rich"

Fragt sich nur, wie weit die Maxime "je mehr Menschen mit höherer Bildung, desto besser" funktionieren kann, wenn man nicht parallel dazu manche Berufsgruppen wie etwa Pflegepersonal aufwertet. In Großbritannien zeigte 2009 die Studie "A Bit Rich" der Denkfabrik NEF (the new economy foundation, www.neweconomics.org), welche Berufsgruppen in welchem Ausmaß zum gesellschaftlichen Wohlstand beitragen: Für jedes Pfund, das superreiche BankerInnen an Gehalt bekommen, zahlt die Allgemeinheit das Siebenfache drauf. Noch schlechter waren die Ergebnisse bei SteuerberaterInnen, die dem Staat Einnahmen "wegnehmen", sie kosten 47 Pfund pro verdientem Pfund. Ganz anders sieht es hingegen bei der Leistung von Reinigungspersonal aus, das etwa in Krankenhäusern durch seine Tätigkeit die Ausbreitung von Keimen verhindert: Es erwirtschaftet das Zehnfache seines Einkommens an Sozialrendite.

Info&News
Der Gini-Koeffizient:
Auch Gini-Index: statistisches Maß, das Anfang des 20. Jahrhunderts vom italienischen Statistiker Corrado Gini entwickelt wurde, um Ungleichverteilungen darzustellen. Der Gini-Koeffizient wird in Kommazahlen zwischen Null und Eins dargestellt, je höher der Index, desto größer ist die Ungleichheit. Im Bankwesen wird der Gini-Koeffizient als Maß dafür verwendet, wie gut ein Ratingsystem gute von schlechten Kundinnen und Kunden trennen kann. In der Ökonomie findet er bei der Darstellung der Ungleichheit von Einkommen und Vermögen Verwendung. Hier würde der Gini-Index 1 (= 100 Prozent) bedeuten, dass eine Person über das gesamte Einkommen eines Landes verfügt.

Internet:
Mehr Infos unter: tinyurl.com/cdxurh3

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