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"Wir Frauen müssen uns europaweit verbünden!" Geschlechtsspezifische Stereotype werden als einer der Schlüsselfaktoren betrachtet, die Frauen den Weg zur Unternehmensführung versperren.

"Wir Frauen müssen uns europaweit verbünden!"

Schwerpunkt

EU-Kommissarin Viviane Reding fordert eine Frauenquote in den Aufsichtsräten.

Frauen sind in den Vorständen und Aufsichtsräten von Unternehmen im Jahr 2012 immer noch eklatant unterrepräsentiert. Europaweit führen zwar immer mehr Staaten gesetzliche Bestimmungen zur Gleichstellung von Männern und Frauen ein, allerdings ist diese im Erwerbsleben noch lange nicht erreicht. Gerade in die Top-Führungsetagen dringen Frauen kaum durch, obwohl sie wichtige Akteurinnen sind: Kundinnen und vor allem Mitarbeiterinnen. Gerade deshalb müssen Frauen an der Unternehmensführung teilhaben und mitbestimmen können.

Frauen.Management.Report.2012

Der AK Frauen.Management.Report.2012 zieht für Österreich erneut eine ernüchternde Bilanz: Trotz Initiativen von Politik und Wirtschaft liegt der Anteil der Aufsichtsrätinnen bei nur 11,2 Prozent, und bei den Geschäftsführerinnen in den Top 200 Unternehmen sind es gerade einmal 5,1 Prozent. Damit ist nur jeder zwanzigste Vorstandsposten und jede neunte Aufsichtsratsfunktion weiblich besetzt. In den börsennotierten Gesellschaften ist "Man(n)" fast gänzlich unter sich, denn nur vier der 232 Vorstände sind weiblich. Besonders desillusionierend: In nur 19 der Top 200 Unternehmen ist zumindest eine Frau sowohl in der Geschäftsführung als auch im Aufsichtsrat vertreten.

Freiwilligkeit - nein Danke!

Dank gesetzlicher Quotenregelungen ist der Frauenanteil in den Verwaltungsräten einiger europäischer Länder in den letzten Jahren gestiegen. Norwegen, Schweden und Finnland liegen im Spitzenfeld, die Niederlande und Spanien konnten den Frauenanteil seit 2006 immerhin verdoppeln. Auch Italien und Belgien haben kürzlich eine gesetzliche Quote eingeführt. Österreich zählt hingegen nach wie vor zu den Schlusslichtern.
EU-Kommissarin Viviane Reding ist bemüht, eine einheitliche, verordnete Frauenquote für alle Mitgliedsstaaten durchzusetzen. Dieses Vorhaben unterstrich sie abermals in der Berliner Erklärung, einer überparteilichen Forderung von PolitikerInnen nach einer Frauenquote von 30 Prozent in den Aufsichtsräten der börsennotierten Unternehmen. "Wir müssen uns europaweit verbünden!", so Reding.1
In elf europäischen Staaten enthält der Corporate Governance Kodex, also die freiwilligen Selbstregulierungsmaßnahmen für Unternehmen, genderbezogene Empfehlungen: Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, die Niederlande, Österreich, Polen, Schweden und Spanien. Diese Bestimmungen sind vage formuliert, zudem sind bei Nichteinhaltung keine Sanktionen vorgesehen.
In Deutschland ist die Debatte um die Einführung einer Frauenquote gerade von großer Bedeutung. Denn der deutsche Corporate Governance Kodex beinhaltet momentan nur implizit eine Vorgabe zur Verbesserung des Frauenanteils in Führungspositionen: So soll der Aufsichtsrat bei der Zusammensetzung des Vorstandes auch auf Vielfalt (Diversity) achten. Dass aber diese "soft laws" aufgrund der Sanktionsfreiheit nicht weit genug greifen, ist an den Ergebnissen zu erkennen: "Wir haben zehn Jahre auf Freiwilligkeit gesetzt. Das hat fast nichts gebracht", gesteht der Abgeordnete der konservativen CDU Jan-Marco Luczak ein.2 Dennoch beharrt die Familienministerin Kristina Schröder auf ihrem Standpunkt, dass eine Verbesserung auch ohne Quote möglich ist, denn Frauen "wollen einfach nur faire Chancen, kein Mitleid und keine Bevorzugung".3

Same old same old

Dass aber gesetzliche Maßnahmen zur Gleichstellung keine Frage des Mitleids, sondern eine Notwendigkeit sind, stellt man auch hierzulande fest. In Österreich sind ähnlich wie in Deutschland keine Fortschritte zu erkennen: Die Entwicklung des Frauenanteils in den letzten sechs Jahren zeigt, wie langsam es gelingt, den weiblichen Anteil in Aufsichtsräten zu erhöhen. Es ist ein zähes Ringen: Seit 2005 ist der Anteil an Frauen um nur 3,7 Prozentpunkte gestiegen. In den letzten fünf Jahren stagnierten die Veränderungsraten bei bis zu einem Prozentpunkt. Diese statische Entwicklung beweist, dass gesetzliche Kontrollmechanismen notwendig sind, um einen Fortschritt zu erwirken. Daher möchte Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek "verpflichtende Förderpläne im Gleichbehandlungsgesetz verankern".4

Norwegen: 40 Prozent Frauenanteil

Einen hohen Frauenanteil in den Chefetagen weisen jene Staaten auf, die bereits eine gesetzliche Basis für die Frauenquote geschaffen haben - allen voran Norwegen. In weniger als sechs Jahren nach der Einführung der gesetzlichen Frauenquote wurde der vorgegebene Frauenanteil von 40 Prozent in den Unternehmen erreicht. Die Wogen der anfänglichen Aufregung sind längst geglättet, Gleichberechtigung in Chefetagen gehört mittlerweile zum Alltag. Das beweist einmal mehr: Norwegen ist ein Best-Practice-Beispiel dafür, dass gesellschaftliches Umdenken durch gesetzliche Quotenregelungen forciert wird.
Was ist es aber, das Frauen den Weg in die Unternehmensführung versperrt? Gängige Erklärungsmodelle beziehen sich oftmals auf die fehlende Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Dort, wo traditionelle Rollenbilder vorherrschen, ist es für Frauen besonders schwer, die Karriereleiter zu erklimmen. Kindererziehung bleibt weiterhin vorwiegend den Frauen überlassen.
Geschlechtsspezifische Stereotype gelten ebenso als einer der Schlüsselfaktoren, die den Aufstieg von Frauen in die Unternehmensführung verhindern. So muss eine Frau für den gleichen Posten oftmals mehr Qualifikationen vorweisen, um sich gegen männliche Kollegen behaupten zu können.
Zusätzlich wird oft mit dem Mangel an qualifizierten Frauen argumentiert, der allerdings in Anbetracht der Anzahl der Studienabgängerinnen nur ein Vorwand sein kann. Eine Vorwand, der die gläserne Decke - die unsichtbare Barriere, die ein gleichwertiges berufliches Vorankommen verhindert - weiterhin stärkt. Dass kein Widerspruch zwischen Frauen und Führung besteht, wird durch Länder wie Norwegen belegt, die die Quote von Frauen in Führungspositionen in den letzten Jahren deutlich anheben konnten.

Erfolgreich durch Frauen

Mit Frauen in der Führungsetage wirtschaften Unternehmen erfolgreicher, heißt es in einer kürzlich erschienenen Erhebung des Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmens Ernst & Young.5 Ein Vergleich der Jahre 2005 und 2010 zeigt, dass Frauen an der Unternehmensspitze ein eindeutiger Erfolgsgarant sind.
Hinzu kommt, dass sich mehr weibliche Führungskräfte positiv auf die Unternehmenskultur und das Gruppenklima auswirken. Frauen an der Spitze von Unternehmen sind jedenfalls ein Indiz für eine offene, zukunftsorientierte Leitkultur, die Diversität nicht nur predigt, sondern auch praktiziert. Damit setzt man symbolpolitische Signale sowohl nach außen als auch nach innen und steigert die Motivation und Leistung der MitarbeiterInnen.

Reding: "Das geht mir zu langsam!"

Männliche Monokulturen, die die Mehrheit der Bevölkerung ausschließen, sind ein längst überholtes Konzept. Der Handlungsbedarf ist hoch, will Europa nicht in der Vergangenheit stehen bleiben.
Die derzeit geltenden "soft laws", wie die Empfehlungen des Corporate Governance Kodex, sind bisher wirkungslos. "Sorry, das geht mir einfach zu langsam", fasst EU-Kommissarin Viviane Reding treffend zusammen.6 Gleichstellungsmaßnahmen und -regelungen müssen bei Nichteinhaltung sanktioniert und gesetzlich festgeschrieben werden, um sichtbare Erfolge zu erzielen.

1 www.zeit.de/karriere/beruf/2012-02/frauenquote-reding 
2 tinyurl.com/7vavmkh
3 tinyurl.com/7vavmkh
4 tinyurl.com/7rzovdq
5 tinyurl.com/cvsg3ok
6 tinyurl.com/c3w73gt 
 

Info&News
Frauen.Management.Report.2012
Internet: tinyurl.com/6vjs738 

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorinnen s.ahmad@akbild.ac.at simone.hudelist@akwien.at oder die Redaktion aw@oegb.at 

 

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