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Strategie reloaded So will etwa Verkehrspolitik mit Umwelt- und Sozialpolitik gleichrangig abgestimmt sein. Bund und Länder müssen sich abseits formaler Zuständigkeiten noch enger koordinieren.

Strategie reloaded

Schwerpunkt

"Nachhaltigkeit" ist seit dem UNO-Weltgipfel in Rio de Janeiro 1992 ein zentraler politischer Begriff. Österreichs Nachhaltigkeitsstrategie wurde überarbeitet.

Zehn Jahre nach der Konferenz von Rio fand eine Nachfolgekonferenz statt. Die EU nahm das zum Anlass, ihre erste Nachhaltigkeitsstrategie zu präsentieren. Das gab auch in den EU-Mitgliedsstaaten den Anstoß für nationale Nachhaltigkeitsstrategien. Im Gegensatz zu früheren Entwürfen, die einseitig auf Umweltpolitik zugeschnitten waren, machte die EU-Strategie deutlich, dass "nachhaltige Entwicklung" ein an Langfristigkeit orientiertes Leitbild ist - mit dem Ziel, eine gleichzeitig ökologisch, sozial und ökonomisch erfolgreiche Zukunft zu sichern.

Herausforderungen

Um eine nachhaltige Entwicklung in Gang zu bringen, bedarf es einer Reihe grundlegender Änderungen. Politik muss einen Ausgleich anstreben zwischen menschlichen Bedürfnissen und der Leistungsfähigkeit der Natur, zwischen Wünschen der gegenwärtigen und der künftigen Generationen und zwischen Bedürfnissen der Armen und der Reichen.
Sie kann daher nicht mehr rein sektoral betrieben werden, und das rüttelt am Politikverständnis aller Beteiligten. So können Ministerien auch im eigenen Wirkungsbereich nicht mehr allein Politik machen und etwa Verkehrspolitik will mit Umwelt- und Sozialpolitik gleichrangig abgestimmt sein. Bund und Länder müssen sich abseits formaler Zuständigkeiten noch enger koordinieren. Bei der nachhaltigen Entwicklung, die als globale Herausforderung begriffen werden will, potenzieren sich die Herausforderungen mit jeder weiteren Ebene, sei es die europäische oder die globale.

Kritikpunkte

Auch die österreichische Bundesregierung ließ 2001 eine Nachhaltigkeitsstrategie (NSTRAT) ausarbeiten. Sie ignorierte dabei jedoch dieses komplexe Umfeld völlig. Jede Institution - Ministerien, Länder, Gemeinden - konnte mitmachen oder auch nicht. Und es fehlte das Verständnis einer gemeinsamen Aufgabe: Das Umweltministerium bemühte sich zwar zu koordinieren, war aber überfordert. Die Folge war eine Strategie ohne ernst zu nehmende Auswirkung auf die reale Politik.
Zudem fielen auch die Inhalte - gelinde gesagt - sehr speziell aus. Die Strategie, die an sich auf einem breiten gesellschaftlichen Konsens beruhen sollte, ging nachträglich durch die diversen politisch eingefärbten Ministerbüros und wurde "angereichert" mit unzähligen Passagen von schwarz-blauer Regierungs-PR, zum Nulldefizit, über Terrorabwehr bis zum Kindergeld, während in den wesentlichen Bereichen konkrete Ziele gestrichen wurden. Für PolitikerInnen hat das den Vorteil, dass ein Versagen nicht gemessen werden kann - es macht aber eine Strategie völlig nutzlos.  Das fehlende Gewicht der NSTRAT zeigte sich auch in weiterer Folge: Der Ministerrat nahm sie nur "zur Kenntnis", das Parlament wurde nie mit ihr befasst und bei Versuchen zur Umsetzung erhielt sie keine ernsthafte politische Unterstützung durch die Regierung. Zwar bemühte sich das Umweltministerium und richtete einige Gremien und Beiräte ein, aber bei wesentlichen Ministerien fehlte jeder ernsthafte Wille zur Zusammenarbeit. Die Kritikpunkte wurden auch durch eine externe Evaluation Ende 2005 (Adelphi Consult u. a.) und einen kritischen Rechnungshofbericht 2010 bestätigt.

Neustart

Im Endeffekt ist die NSTRAT an ihren Geburtsfehlern und daran gescheitert, dass sie als nachhaltiges schwarzblaues Feigenblatt herhalten sollte. Die weitere Entwicklung ging in Österreich - aber auch global - nicht hin zu, sondern weg von einer nachhaltigen Entwicklung. Die AK fordert daher schon seit Jahren eine Neuerstellung der Strategie, z. B. 2005: "Notwendig ist eine völlige Überarbeitung und Neufassung der Österreichischen Nachhaltigkeitsstrategie unter Einbindung von NGOs, Ländern und Sozialpartnern. Hauptaufgabe dabei ist die Fokussierung der Strategie auf wichtige Kernpunkte. Diese müssen aber sehr konkret formuliert und mit verpflichtenden Zielen und Fristen versehen sein. Dass nachträglich eingefügte Regierungswerbeeinschaltungen entfernt werden und keine neue PR zugefügt wird, sollte selbstverständlich sein. Außerdem müssten soziale Nachhaltigkeitsaspekte deutlicher ausgearbeitet bzw. konkret aufgenommen werden."
Im aktuellen Regierungsprogramm haben die Koalitionspartner auf Vorschlag der AK eine Textpassage vereinbart, die nun zu einer kompletten Neuerstellung der NSTRAT führt. Die konkreten Arbeiten haben im November begonnen - anhand von zehn Handlungsfeldern sollen alle drei Nachhaltigkeitsdimensionen abgedeckt werden. In dieser ersten Runde der Diskussion, an der VertreterInnen der Ministerien und der Sozialpartner beteiligt sind, ist primär das "Was" Thema. In einer zweiten Diskussionsrunde im neuen Jahr wird es um die Operationalisierung - also um das "Wie" - gehen. Ziel ist es, die Strategie vor dem Sommer 2012 fertigzustellen, um zum "Rio +20"-Jubiläum bzw. zum Ende Juni wieder in Rio de Janeiro stattfindenden Weltgipfel mit einer neuen Strategie dazustehen.

Ausblick

Die NSTRATneu richtet sich hauptsächlich an Politik und Verwaltung auf Bundesebene. Ihre Leitbilder, Ziele und Ansätze sollen dann Grundlage für die Entwicklung konkreter Maßnahmen auf Bundesebene sein.
Die Wirksamkeit der NSTRATneu ist ungewiss. Manches spricht dafür, dass es ihr besser ergehen wird als ihrer Vorgängerin. So sind diesmal Kanzleramt und Umweltministerium gemeinsam verantwortlich. Das kann die Akzeptanz des Prozesses auch bei anderen Ministerien erhöhen. Manches spricht auch dagegen, wie etwa der Versuch eines Ministeriums, schon zu Beginn halbfertige, bereits in der Öffentlichkeit gescheiterte Projekte über die Nachhaltigkeitsstrategie wieder zu beleben. Garniert war dies mit Drohungen, den Prozess platzen zu lassen. Schon die alte Strategie ist an einem Zuviel an hohler Regierungs-PR zugrunde gegangen.

Info&News
Anforderungen an Nachhaltigkeit
"Nachhaltige Entwicklung ist jene Entwicklung, die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen". So hat es 1987 die UN World Commission on Environment and Development ("Brundtland-Kommission") definiert. Das war dann 1992 Basis für die AGENDA 21, das am Weltgipfel in Rio verabschiedete weltweite Aktionsprogramm.
Nachhaltigkeit erfordert einen politischen Ausgleich bzw. eine Umverteilung
1. zwischen menschlichen Bedürfnissen und der Leistungsfähigkeit der Natur,
2. zwischen den Bedürfnissen der gegenwärtigen und der künftigen Generationen und
3. zwischen den Bedürfnissen der Armen und der Reichen.
Politikansätze, über die eine nachhaltige Entwicklung erreicht werden soll, müssen demnach auf Langfristigkeit angelegt sein und die ökonomischen, ökologischen und sozialen Fragen in einer integrierten Weise behandeln.
Dazu wird oft als weitere Anforderung Good Governance genannt. Good Governance soll partizipativ, verlässlich, transparent, 'responsive‘ (kann mit 'auf Ansprüche reagierend‘ übersetzt werden), effektiv und effizient, gleich und umfassend sein sowie das Recht befolgen.

Internet
Das Nachhaltigkeitsportal des Umweltministeriums enthält brauchbare Informationen, aber auch etliche Nachhaltigkeitsschmähs:
www.nachhaltigkeit.at
Das Netzwerk Soziale Verantwortung nimmt soziale Nachhaltigkeit ernst:
www.netzwerksozialeverantwortung.at 
Lexikon der Nachhaltigkeit bietet viele Infos:
www.nachhaltigkeit.info 
Weltgipfel Rio +20:
www.uncsd2012.org 

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werner.hochreiter@akwien.at 
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