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Energie(r)evolution? Die Leistung der öffentlichen Verkehrsmittel wird laut Studie in den nächsten 40 Jahren von 24,3 auf 35 Mrd. Personenkilometer ansteigen, während sich der motorisierte Individualverkehr fast halbieren wird.

Energie(r)evolution?

Schwerpunkt

Ein Jahr nach der Atomkatastrophe von Fukushima in Japan sind Atomausstieg und Umstieg auf eine nachhaltige Entwicklung in aller Munde.

Nachhaltigkeit bzw. nachhaltige Entwicklung ist wesentlich mehr als Atomausstieg und Energiesparen. Nach wie vor gilt die Definition des "Brundtlandt-Reports" von 1987. Demnach muss Nachhaltigkeit in ökologischer, sozialer und ökonomischer Hinsicht gleichzeitig gewährleistet sein und umgesetzt werden: "Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die die Bedürfnisse der gegenwärtigen Generationen befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können."1
Das ist nun 25 Jahre her. Seitdem fanden zahlreiche Klimaschutzgipfel und -konferenzen ohne nennenswerte Ergebnisse - sprich Einbremsung der Treibhausgasemissionen - statt. Im Gegenteil: Mittlerweile wird bereits über eine sogenannte "Klimawandelanpassung" diskutiert, d. h. über notwendige Schritte zur Anpassung an die nicht mehr abwendbaren Folgen des Klimawandels. Ein Entwurf der österreichischen Anpassungsstrategie des Lebensministeriums liegt bereits vor.2

Nachhaltiger Klimawandel

So gesehen ist auch das für 2012 von der UNO ausgerufene "Internationale Jahr der nachhaltigen Energie für alle" symptomatisch: Rund 1,5 Mrd. Menschen leben weltweit ohne Stromversorgung - entweder weil kein Strom verfügbar ist, oder weil sie diesen nicht bezahlen können (Energiearmut). Strategien und Maßnahmen, um das zu ändern, sollen im Juni 2012 auf der "Rio +20"-Konferenz (20 Jahre nach dem UNO-"Erdgipfel" in Rio de Janeiro) präsentiert werden und als Folge des Jahres der Nachhaltigkeit soll eine globale, saubere Energierevolution stattfinden.3
Inzwischen hat die EU-Kommission im Dezember 2011 einen "Energiefahrplan 2050" vorgelegt, der den langfristigen Rahmen für die Energiepolitik der Union vorgeben soll. Kernpunkt der "Energy-Roadmap" ist das hochgesteckte Ziel, die Treibhausgasemissionen der EU bis 2050 um 80 bis 95 Prozent zu senken. Die Kommission kommt darin zum Schluss, dass große Energieeinsparungen nötig seien und der Anteil der erneuerbaren Energien deutlich steigen müsse. In dieser Roadmap heißt es aber auch, dass die Atomenergie weiterhin eine wichtige Rolle spielen müsse. Gerade dieses Bekenntnis zur Atomkraft führte zu heftiger Kritik am Energiefahrplan 2050. Denn nach dem Super-GAU von Fukushima hat in Europa zumindest teilweise eine Abkehr von der Kernenergie eingesetzt (Deutschland, Belgien, Schweiz). Allerdings ist es etwa in Deutschland schon der zweite "Atomausstieg", nachdem die Regierung Merkel 2010, ein Jahr vor Fukushima, den ersten "Atomausstieg" der Regierung Schröder rückgängig gemacht und AKW-Laufzeitverlängerungen beschlossen hatte. Gleichzeitig mehren sich gegenwärtig die Bekenntnisse zum Ausbau erneuerbarer Energiequellen.
Der Unfall in der Atomanlage von Fukushima hat einmal mehr gezeigt, dass Atomkraft keine Zukunft hat. Per Volksentscheid hat die österreichische Bevölkerung auf die Atomkrafterzeugung aus gutem Grund und in weiser Voraussicht 1978 verzichtet (danach kamen die Atomunfälle von Three Miles Island in Harrisburg 1979, Tschernobyl 1986 und Fukushima 2011). Wie steht es aber um die sonstige Nachhaltigkeit im Lande? Was können wir tun? Wie können wir unser Energiesystem, unsere Wirtschaftsweise nachhaltig(er) gestalten?

Enorme Potenziale

Die bisherige Klimaschutzpolitik Österreichs war nicht wirksam und hat dazu geführt, dass Österreich innerhalb der EU höchst säumig ist und seine Treibhausgas-Reduktionsziele bislang nicht erreicht hat. Doch es gibt enorme Potenziale. So will die "Energiestrategie Österreich" des Lebens- und Wirtschaftsministeriums auf Basis des 2008 beschlossenen EU-Energie- und Klimapakts bis 2020 den Energieverbrauch durch Steigerung der Energieeffizienz, Energieeinsparung und starken Ausbau der erneuerbaren Energien auf dem Niveau von 2005 stabilisieren.4 Die Studie "Energie(r)evolution 2050" des Instituts für Höhere Studien (IHS) im Auftrag von EVN, Greenpeace und der Gewerkschaft vida hält bis 2050 in Österreich die Halbierung des Energieverbrauchs, einen 85-prozentigen Anteil an erneuerbaren Energieträgern sowie eine Einsparung von mehr als 90 Prozent an CO2-Emissionen für möglich.5

Leistbare Energiewende

Um den laut Gewerkschaft vida extrem ungerechten Klimawandel - er wird von den Wohlhabenden verursacht, während die Armen speziell darunter leiden - zu stoppen, braucht es eine Energiewende. Diese ist laut IHS-Studie umsetzbar, leistbar, belebt den Arbeitsmarkt und fordert keinerlei Einbußen in der Lebensqualität der ÖsterreicherInnen, ganz im Gegenteil: Bei sinkender Umweltbelastung steigt diese sogar. Die für das Jahr 2010 prognostizierte CO2-Jahresbilanz von 73,3 Mio. Tonnen kann laut Studie in den nächsten vier Jahrzehnten auf weniger als ein Zehntel reduziert werden - auf 6,4 Mio. Tonnen jährlich. Mehr als 90 Prozent lassen sich also in den nächsten 40 Jahren zugunsten unseres Klimas einsparen.
Durch Einsparungen im Verkehr und bei der Heizenergie lässt sich der gesamte österreichische Energieverbrauch in den nächsten vier Jahrzehnten von bisher 1.060 Petajoule auf 540 Petajoule beinahe halbieren. Ein rund 85-prozentiger Anteil an erneuerbaren Energieträgern ist laut IHS-Studie bis 2050 realistisch. Die Nutzung fossiler Energien beschränkt sich dann lediglich auf einen Restanteil in der Industrie und teilweise im Verkehr.
Laut Studie wird die Leistung der öffentlichen Verkehrsmittel in den nächsten 40 Jahren von 24,3 auf 35 Mrd. Personenkilometer ansteigen, während sich der motorisierte Individualverkehr fast halbieren wird. "Der öffentliche Verkehr kann die ihm zugedachte Rolle als Klimaschutzretter aber nur erfüllen, wenn er zuvor nicht aus Budgeträson kaputtgespart wird", warnt Rudolf Kaske, Vorsitzender der Gewerkschaft vida.
Hier ist zudem ein hohes Potenzial für neue "green jobs" gegeben. Auch in anderen Branchen, wie etwa dem Baugewerbe und der thermischen Wohnraumsanierung, können laut Kaske "über Jahrzehnte hinweg 25.000 Vollzeitarbeitsplätze geschaffen werden." In Verliererbranchen dürfe es jedoch zu keinem Lohn- und Sozialdumping kommen. Dort, wo neue "green jobs" entstehen, sollen es auch "good jobs" sein, verlangt die Gewerkschaft vida. Das ist unbedingt nötig, denn derzeit sind "green jobs" oft schlecht bezahlt. Was die Hochrechnungen betrifft, gibt die Arbeiterkammer zu bedenken, dass etwa in Statistiken des Umweltministeriums Arbeitsplätze als "grün" gezählt werden, die aber nur am Rande mit Klimaschutz zu tun haben. So entstehen keine neuen und schon gar nicht "grüne" Jobs.6
Für die Einleitung der Energiewende braucht es laut IHS-Studie neben dem starken Ausbau des öffentlichen Verkehrs in erster Linie auch eine Ökologisierung des Steuersystems, die Festlegung verbindlicher Ziele für die Reduktion der Treibhausgase sowie die Ausschüttung der Sanierungsmilliarde für den Wohnbau. Die AK sieht beim bis 2014 laufenden Förderprogramm des Bundes zur thermischen Sanierung (Sanierungsscheck) im Umfang von 400 Mio. Euro eine soziale Schieflage. Sie kritisiert, dass die Bundesförderung fast ausschließlich für Ein- und Zweifamilienhäuser vergeben wird und der Bund auch dieses Jahr zu wenig Sanierungen im großvolumigen Wohnbau fördert.7 

Teure Klimapolitik

Damit Österreich sein Kyoto-Ziel erreicht, muss es Emissionsreduktionszertifikate teuer aus dem Ausland zukaufen. Das ändert nichts an der real schlechten Emissionsbilanz, genauso wenig wie das neue Klimaschutzgesetz. Dieses regelt bloß, wie zwischen Bund und Ländern über Klimaschutzmaßnahmen verhandelt werden soll. "Erst wenn die Ergebnisse dieser Verhandlungen vorliegen, wird man sagen können, ob im Klimaschutz ein neuer Wind weht", stellt AK-Umweltexperte Christoph Streissler fest.
Die bisherige "Nachhaltigkeits"-Politik zeigt: Solange am Prinzip Wachstum und Gewinn festgehalten wird, ja "Nachhaltigkeit" selbst bloß marketingmäßig zur Image- und Gewinnsteigerung in Politik und Wirtschaft dient, wird sich nichts zum Besseren verändern.


Internet:
Mehr Infos unter:
www.vida.at 
www.arbeiterkammer.at 

Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor
w.leisch@aon.at 
oder die Redaktion
aw@oegb.at

1 tinyurl.com/chx2yes
2
 www.klimawandelanpassung.at
3 www.sustainableenergyforall.org
4 www.energiestrategie.at
5 tinyurl.com/cfczp7h
6 www.ak-umwelt.at/3943/3944/3949/4012/tag/Green jobs
7 www.klimaaktiv.at/article/articleview/90760/1/11891 

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