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Das Finanzrisiko Praktikum Bedenkt man die Reisekosten, die hohen Mieten und enormen Lebenserhaltungskosten in der "EU-Hauptstadt", ist es nicht verwunderlich, dass Alexandra noch ­zusätzlich ihr studentisches Sparkonto plündern musste.

Das Finanzrisiko Praktikum

Schwerpunkt

Viele junge Menschen sammeln in Unternehmen, gemeinnützigen Einrichtungen oder internationalen Organisationen erste Berufserfahrung - schlecht bezahlt.

Danielas (31) Geschenk zum Studienabschluss machte sie sich selbst: Sie ergatterte ein fünfmonatiges Praktikum in der Presseabteilung von "Aids Life" - jenem Verein, der jährlich auch den Life Ball organisiert.
"Mir war von Anfang an klar, dass das harte Arbeit wird. Mit der Zeit hatte ich Aufgaben und sehr viel Verantwortung, wie ein 'normaler‘ Mitarbeiter." Je näher der Zeitpunkt des Life Balls kam, desto höher stieg das Arbeitspensum der Vorarlbergerin: "Zwei Monate vor dem Ball saß ich auch Samstags und Sonntags im Büro, im letzten Monat vor dem Event habe ich 15 Stunden täglich, Wochenenden inklusive, gearbeitet." Daniela fügt jedoch hinzu, dass niemand von ihr verlangt hatte ihre gesamte Zeit im Büro zu verbringen. "Aber irgendwer musste das erledigen."

Idealismus und Ehrgeiz

Die Zeit beim Life Ball verdankt Daniela ausschließlich ihrem Idealismus und Ehrgeiz. "Im ersten Monat habe ich noch unentgeltlich gearbeitet. Es wäre auch so weitergegangen, wenn sich eine andere Praktikantin nicht verplappert hätte, denn im Gegensatz zu mir wurde sie bezahlt. Erst nachdem ich Einwände erhob, wurde beschlossen auch mein Praktikum zu vergüten."
Die 800 Euro, die Daniela monatlich erhielt, mögen für ein Praktikum recht angemessen sein. Aber für die Verantwortung, die schlaflosen Nächte und die durchgearbeiteten Wochenenden entschädigt die Summe nicht. Über Wasser halten konnte sie sich während dieser Zeit nur dank ihrer Ersparnisse.

Billige Arbeitskraft statt Ausbildung

Sie wollen in das Berufsleben hineinschnuppern, verschiedene Bereiche ausprobieren und erste Praxiserfahrung sammeln. Sie haben auch erstmals die Möglichkeit, Kontakte zu knüpfen. Sie, das sind die unzähligen PraktikantInnen und VolontärInnen, die in Unternehmen, gemeinnützigen Einrichtungen oder internationalen Organisationen erste Berufserfahrung sammeln möchten. Vor allem StudentInnen sehen sich oft gezwungen, ein Praktikum zu suchen, da viele Studienrichtungen nicht genug Praxisorientierung bieten.
Praktika sind häufig auch Voraus­setzung für einen Einstieg in das Berufsleben oder für eine feste Anstellung. Mit einem Praktikum begeben sich die Jugendlichen oft in einen Zwiespalt, denn viele können sich einen gering bezahlten Vollzeitjob kaum leisten und gehen für ihren Karriereeinstig ein finanzielles Risiko ein. Von 130.000 SchülerInnen und StudentInnen, die jährlich ein ­(Ferial-)Praktikum absolvieren, wird ein Drittel für seine Arbeit nicht entlohnt.
Die GPA-djp (Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier) bemängelt das fehlende Wissen der PraktikantInnen über die unterschiedlichen Beschäftigungsmöglichkeiten und ihre Rechte. Die Betriebe hingegen wissen die Informationslücke geschickt zu ihren Gunsten auszunützen. In der Tourismus- und Medienbranche ortet die GPA-djp die größten Ungerechtigkeiten. Auch im Kulturbereich, bei Vereinen und internationalen Organisationen erwarten PraktikantInnen suboptimale Arbeitsbedingungen. Es gilt quasi das umgekehrte Gesetz der freien Marktwirtschaft: Anstelle einer deutlichen Anhebung der Preise bei großer Nachfrage werden in dem Fall die Preise gesenkt und es winken prekäre Arbeitsverhältnisse wie freie Dienst- und Werkverträge.
Wie Daniela werden viele PraktikantInnen als vollwertige MitarbeiterInnen eingesetzt, aber als billige Arbeitskräfte ohne jegliche Rechte bezahlt - keine Entlohnung der Überstunden, kein Urlaubsanspruch und oft auch keine Sozialversicherung. Bis auf eine Unfallversicherung nach dem ASVG ist man als PraktikantIn oft sozial nicht abgesichert. Hilfe finden die PraktikantInnen bei der GPA-djp Interessengemeinschaft work@flex, wo sie ihre Dienstverträge überprüfen und sich über ihre Rechte aufklären lassen können.

Sparen, um zu arbeiten

Thomas (31) absolvierte während seines Studiums ein dreimonatiges Praktikum bei der UNO - unbezahlt natürlich. "So wie mein Studium konnte ich mir auch das Praktikum bei den Vereinten Nationen nur deshalb leisten, weil meine Eltern mich unterstützt haben. Schwerer war es vor allem für PraktikantInnen aus dem Ausland, die sich in Wien einen kompletten Aufenthalt finanzieren mussten. Dementsprechend konnten sich nur Kinder reicher Eltern ein derartiges Praktikum leisten."
Alexandra (27) ist zwar kein Kind reicher Eltern, doch sie zögerte keine Sekunde, als sich ihr die Möglichkeit bot, nach ihrem Studium für ein Praktikum bei einem österreichischen Abgeordneten im Europaparlament nach Brüssel zu gehen. Für sie war pro Monat ein Entgelt von 700 Euro vorgesehen. Bedenkt man die Reisekosten, die hohen Mieten und enormen Lebenserhaltungskosten in der "EU-Hauptstadt", ist es nicht verwunderlich, dass Alexandra noch zusätzlich ihr studentisches Sparkonto plündern musste.
Nach dem Praktikum stand sie nun nicht nur ohne Job, sondern auch mit leerem Sparbuch da. Alexandra sieht es trotzdem pragmatisch: "Da jeder Abgeordnete das Gehalt selbst festlegt, hatte ich ohnehin Glück. Die meisten Praktikanten haben viel weniger bekommen, wenn überhaupt."

"A Call for Change"

Wie Alexandras Beispiel zeigt, sind die österreichischen PraktikantInnen nicht allein. Mitte Dezember 2011 fand in Paris die Konferenz "Youth Employment: A Call for Change", ausgehend vom ­European Youth Forum in Zusammenarbeit und mit Unterstützung der OECD, statt. GewerkschafterInnen, PolitikerInnen sowie JugendvertreterInnen diskutierten über die Integration der jüngeren Generation in den Arbeitsmarkt. Sie bemängelten die schwierigen Bedingungen der Jugendlichen beim Einstieg in das Berufsleben und kritisierten, dass viele nicht die nötigen finanziellen Mittel für ein Praktikum aufwenden können.
In seiner Charta verlangt das European Youth Forum angemessene Rahmenbedingungen für PraktikantInnen und VolontärInnen. Ein Praktikum sei in erster Linie ein Teil der Ausbildung und solle auf keinen Fall fehlende MitarbeiterInnen ersetzen oder als billige Arbeitskraft gelten. Zudem sei es nötig, die PraktikantInnen bei Arbeitsantritt über ihre Rechte und soziale Absicherung aufzuklären.

Vor Berufseinstieg verschulden

Bojana (28) hat ein Romanistikstudium abgeschlossen und nebenbei auch beim Kolpingwerk als Flüchtlingsberaterin gejobbt. Nachdem ihre Stelle wegen finanzieller Einsparungen wegrationalisiert wurde, pilgert sie nun monatlich zum AMS.
Sie möchte gerne weiterhin im Flüchtlings- und Asylbereich arbeiten und sucht verzweifelt ein Praktikum: "Natürlich würde ich viel lieber sofort arbeiten, aber das geht in dieser Branche nicht. Ich sehe das Praktikum als Möglichkeit, reinzukommen."
Auf die Frage, ob sie sich ein Praktikum überhaupt leisten kann, zuckt ­Bojana nur die Schultern: "Ich kann es mir ja ohnehin nicht leisten. Das ­erklärt auch, warum ich seit einem Jahr arbeitsuchend bin, es ist ein finanzieller Aufwand. Aber vielleicht hab ich Glück, wenn ich mich verschulde und aus einem Praktikum eine fixe Anstellung resultiert. Andererseits habe ich auch Angst davor, weil ich sonst das ­Risiko eingehe, die Mindestsicherung zu verlieren."
Idealismus und die Hoffnung auf einen guten Job sind für viele junge Menschen die Gründe, monatelang für wenig oder kein Geld zu arbeiten. Bei sozialen oder kulturellen Projekten wird vermehrt auf ehrenamtliche MitarbeiterInnen oder PraktikantInnen gezählt. So gibt es StudentInnen der Translationswissenschaft, die gratis Folder übersetzen, oder GermanistikstudentInnen, die Kindern Deutschnachhilfe geben. "Die ArbeitgeberInnen erwarten, dass du gratis für sie arbeitest. Dein Wissen verliert an Wert. Für Deutschnachhilfe brauchst du schließlich ein Studium", sagt Bojana. "Und wer gratis Nachhilfe gibt, hat fünf Jahre umsonst studiert."
Bei der UNO sei es sogar Voraussetzung, dass man einige Zeit unentgeltlich für die Organisation arbeitet, erzählt Thomas: "Damit soll man beweisen, dass man genug Idealismus und Einsatz für den Job mitbringt. Das Absurde an meinem unbezahlten Praktikum war, dass ich in den drei Monaten unter anderem an einem Folder gearbeitet habe: Darin ging es um den Kampf der UNO gegen Sklavenarbeit."

Internet:
Mehr Infos unter:
tinyurl.com/6uwjzqv
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