topimage
Arbeit&Wirtschaft
Arbeit & Wirtschaft
Arbeit&Wirtschaft - das magazin!
Blog
Facebook
Twitter
Suche
Abonnement
http://www.arbeiterkammer.at/
http://www.oegb.at/
Gleiches Recht für alle? Für Angestellte gelten zwingend die Bestimmungen des AngG: Wer eine Angestelltentätigkeit ausübt, darf nicht als ArbeiterIn beschäftigt werden!

Gleiches Recht für alle?

Schwerpunkt

Im Arbeitsrecht gibt es zwischen ArbeiterInnen und Angestellten Unterschiede, atypisch Beschäftigte, z. B. freie DienstnehmerInnen, fallen gar aus dem Schutz heraus.

Gemeinsam ist ArbeiterInnen und Angestellten, dass sie alle in "persönlicher Abhängigkeit" Arbeit für einen/eine ArbeitgeberIn leisten, d. h. eine nicht selbstständige Tätigkeit in einem Unternehmen, einer Gesellschaft oder anderen Institutionen verrichten und dafür ein Entgelt erhalten. Was die arbeitsrechtlichen Unterschiede von ArbeiterInnen und Angestellten betrifft, erhielt bzw. bekämpfte geschichtlich gesehen zunächst eine kleine Gruppe von unselbstständig Erwerbstätigen mit besonderen Funktionen günstigere Beschäftigungsbedingungen. In der Folge wuchs diese Gruppe und sie konnte durch politische Umsetzung ihre Rechte im "Bundesgesetz vom 11. Mai 1921 über den Dienstvertrag der Privatangestellten"1, dem sogenannten Angestelltengesetz (AngG), festschreiben. Angestelltentätigkeiten sind kaufmännische Arbeiten, sonstige höhere nicht kaufmännische Tätigkeiten und Kanzleiarbeiten. Die Abgeltung erfolgt monatlich als Gehalt. Für Angestellte gelten zwingend die Bestimmungen des AngG: Wer eine Angestelltentätigkeit ausübt, darf nicht als ArbeiterIn beschäftigt werden!

Unterschied aufgrund der Betätigung

Die Definition von ArbeiterInnen ist hingegen nicht in einer eigenen gesetzlichen Regelung festgelegt. Vorschriften dazu finden sich v. a. in der Gewerbeordnung (GewO) 1859, im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB) sowie natürlich in den Bestimmungen des relevanten Kollektivvertrages (KV) der jeweiligen Branche. FacharbeiterInnen führen hochqualifizierte manuelle Tätigkeiten aus, die eine mehrjährige Ausbildung voraussetzen, HilfsarbeiterInnen hingegen einfache manuelle Tätigkeiten.
Die Unterscheidung, ob es sich um ein Angestellten- oder um ein ArbeiterInnenverhältnis handelt, ergibt sich grundsätzlich nicht aus dem Dienstvertrag, sondern aus der tatsächlichen Betätigung. In den letzten Jahrzehnten kam es in mehreren Stufen zu verschiedenen Angleichungen des Arbeitsrechts für die ArbeiterInnen an jenes der Angestellten. Unterschiede bestehen noch bei den Kündigungsfristen und -terminen, den Gründen für eine vorzeitige Auflösung des Arbeitsverhältnisses, den Regelungen bei Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sowie bei Arbeitsunfällen und den sonstigen Dienstverhinderungen aus wichtigen persönlichen Gründen. So haben etwa Angestellte längere Kündigungsfristen als ArbeiterInnen und die Dienstverhinderungsgründe sowie die Dauer des Freistellungsanspruches bei einer Dienstverhinderung sind für Angestellte umfassender als für ArbeiterInnen. In vielen anderen Bereichen des Arbeitsrechts wie Abfertigung alt und neu, Urlaubsdauer, Arbeitszeitgesetz, ArbeitnehmerInnenschutz etc. bestehen keine Unterschiede.2
Ein Arbeitsvertrag liegt derzeit dann vor, wenn das Arbeitsverhältnis DienstnehmerInnen zur persönlichen Arbeitsleistung verpflichtet, sie in den Betrieb der Arbeitgeberin bzw. des Arbeitgebers eingegliedert sind, kein unternehmerisches Risiko tragen, die Arbeitsmittel der ArbeitgeberInnen verwenden, die Arbeitszeit im Großen und Ganzen nicht selbst einteilen können und vor allem ein Wirken und kein Werk schulden (das heißt, die DienstnehmerInnen schulden ihre persönliche Arbeitsleistung und nicht einen bestimmten Erfolg). Nur wenn es sich bei der Beschäftigungsform um ein echtes Dienstverhältnis - also um einen echten Arbeitsvertrag - handelt, kommt auch der vollständige arbeitsrechtliche Schutz zur Anwendung. Dies ist deshalb wichtig, weil es daneben noch andere Formen von Arbeitsverhältnissen gibt, wie den freien Dienstvertrag oder den Werkvertrag (WerkvertragsnehmerInnen können wiederum als neue Selbstständige oder "alte" Selbstständige mit Gewerbeschein tätig sein), die nicht davon erfasst sind.

Verbesserung für Freie

Bei den freien DienstnehmerInnen konnte eine Verbesserung ihrer Situation erzielt werden - nicht zuletzt auch durch das gewerkschaftliche Engagement der Betroffenen selbst, die sich zum Beispiel in der Interessengemeinschaft work@flex der GPA-djp organisieren. So ist deren Zahl seit ihrer stärkeren sozialversicherungsrechtlichen Absicherung ab 1. Jänner 2008 (Arbeitslosen- und Kranken­versicherung, einkommensabhängiges Wochengeld) statistisch etwas zurückgegangen.3 Trotzdem bleiben durch die fehlende Einbeziehung in das Arbeitsrecht noch erhebliche Unterschiede und Probleme gegenüber echten ArbeitnehmerInnen bestehen. Es gibt nach wie vor kein Urlaubs- und Weihnachtsgeld, kein kollektivvertragliches Mindestentgelt und insbesondere freie Dienstnehmerinnen sind unzureichend geschützt: Sie fallen, wenn sie schwanger sind bzw. nach der Geburt ihres Kindes, nicht unter die Mutterschutzbestimmungen des Arbeitsrechts (lediglich die zivilrechtliche Fürsorgepflicht des Dienstgebers gilt hier); theo­retisch müssten sie daher bis zur Geburt des Kindes weiterarbeiten. Und es gibt für sie auch keinen Kündigungsschutz - eine Kündigung wäre bloß nach dem Gleichbehandlungsgesetz anfechtbar, da freie Dienstnehmerinnen hier vom Antidiskriminierungsschutz umfasst sind.4 

ÖGB-Grundsatzprogramm

In seinem Grundsatzprogramm hat der ÖGB deshalb festgehalten, dass eine neue Arbeitswelt auch ein neues Arbeitsrecht erfordert: "Für alle Erwerbstätigen auf Basis von privatrechtlichen Dienstverhältnissen soll nicht mehr die persönliche Abhängigkeit, sondern auch die wirtschaftliche Abhängigkeit die Basis des neuen ArbeitnehmerInnen-Begriffes sein. Sonderregelungen und -rechte für einzelne ArbeitnehmerInnengruppen sind, wenn das sachlich gerechtfertigt und geboten ist, beizubehalten. Freie DienstnehmerInnen sind in die arbeitsrechtliche Absicherung explizit aufzunehmen, die Möglichkeit, Kollektivverträge auszuhandeln, ist im Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) auf freie DienstnehmerInnen auszuweiten. Gleichzeitig wollen wir den Angestelltenbegriff durch Verankerung im ArbVG ganz klar beibehalten. Jeweils eigene Betriebsratskörperschaften für ArbeiterInnen einerseits, für Angestellte andererseits sind aufrecht zu erhalten."5 
Weiters, so der ÖGB, brauchen moderne Lebensformen wie Patchworkfamilien oder gleichgeschlechtliche Partnerschaften moderne Rechtslagen. In Österreich gibt es ca. 76.000 Patchworkfamilien. Angesichts dieser gesellschaftlichen Realität sollte hier vor allem ein Anspruch auf Pflegefreistellung auch für den/die im gemeinsamen Haushalt lebende/n Ehegatten/Ehegattin oder Lebensgefährten/Lebensgefährtin für das leibliche Kind des/der (anderen) Ehepartners/Ehepartnerin oder Lebensgefährten/Lebensgefährtin geschaffen werden.6
Im Hinblick auf kommende Sozialpartnerverhandlungen bezüglich einer Kodifikation des Arbeitsrechts ist es aus Sicht von ÖGB und AK daher wesentlich, sozial gerechte Bestimmungen für alle ArbeitnehmerInnen zu schaffen, etwa eine qualitativ gleichwertige Regelung bei der Entgeltfortzahlung sowie bei den Arbeitsverhinderungen aus wichtigen persönlichen Gründen. Auch bestehende Ungerechtigkeiten wie unfaire Vertragsklauseln sind zu beseitigen. Notwendig ist es außerdem, eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, vor allem für Patchworkfamilien, zu erzielen (Erhöhung der Väterbeteiligung). Um der zunehmenden Mobilität von ArbeitnehmerInnen am Arbeitsmarkt zu entsprechen, muss eine faire Urlaubsregelung für alle Beschäftigten vorgesehen und der Zugang zur sechsten Urlaubs­woche erleichtert werden. Außerdem sollten die Beendigungsgründe im Arbeitsverhältnis auf nicht mehr zeitgemäße Tatbestände (v. a. bei Entlassung) überprüft und ein verstärkter Schutz bei einvernehmlicher Auflösung des Dienstverhältnisses (keine monetäre Benach­teiligung im Vergleich zur "normalen" Arbeitgeberkündigung) berücksichtigt werden. Wesentliches Ziel ist ein moderner ArbeitnehmerInnenbegriff für alle privatrechtlichen Arbeitsverhältnisse, der auf die wirtschaftliche Abhängigkeit abstellt und spezifische Sonderbestimmungen für einzelne Beschäftigtengruppen (z. B. Angestellte, JournalistInnen, SchauspielerInnen oder HausbesorgerInnen) beibehält.7

Gegen Flucht aus dem Arbeitsrecht

Wenn für die Beurteilung eines Arbeitsverhältnisses die wirtschaftliche Abhängigkeit ausschlaggebend ist, können scheinselbstständige Arbeitsformen und eine Flucht aus dem Arbeitsrecht in Zukunft verhindert werden.

Internet:
Mehr Infos unter:
www.bmask.gv.at 
Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor
w.leisch@aon.at 
oder die Redaktion
aw@oegb.at 

1 http://www.ris.bka.gv.at/ 
2 tinyurl.com/7w9agd5
3 tinyurl.com/62fbgeq
4 Video unter: tinyurl.com/63sv7a6
5 17. Bundeskongress des ÖGB, 2009, S. 17 f.
6 154. Vollversammlung der AK Wien, 27. Oktober 2010
7 156. Vollversammlung der AK Wien, 15. Oktober 2011

Artikel weiterempfehlen

Kommentar verfassen

Teilen |

(C) AK und ÖGB

Impressum