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Kleine Erfolge mit großer Wirkung Gewerkschaftlich organisierte ZuckerarbeiterInnen nach 1920. Der 1919 abgeschlossene und 1920 in Kraft getretene Kollektivvertrag galt für die Fabriken in Hohenau, Leopoldsdorf, Bruck und Dürnkrut.

Kleine Erfolge mit großer Wirkung

Schwerpunkt

Die Rechtsabteilungen der Arbeiterkammer Wien haben im Jahr 2011 rund 270.000 Beratungen abgewickelt - fast zehn Prozent mehr als im Vorjahr.

Es ist einer der meist unterschätzten Jobs am Arbeitsmarkt. "Waren über einen Scanner schieben und das Wechselgeld richtig rausgeben kann ja jeder", lautet der Grundtenor über die KassiererInnen. Seit die Scannerkassen eingeführt wurden und Produktnummern sowie Preise nicht mehr händisch eingetippt werden müssen, hat dieser Beruf an Respekt verloren.

Bis zum Obersten Gerichtshof

Doch zum Job gehört weit mehr als "nur" scannen. Er erfordert durchgehende Konzentration und ein hervorragendes Gedächtnis, um sich die unzähligen zwei- bis dreistelligen Nummern der einzelnen Obst- und Gemüsesorten einzuprägen. Oder die Codes und Rabattpreise für diverse Sonderaktionen, die sich wöchentlich ändern. Noch wichtiger sind Stressresistenz und ein gewisser Grad an Ge­lassenheit, wenn die Kunden am Samstagnachmittag oder während des Weihnachtstrubels schnell die Nerven verlieren und nicht selten ihren Frust an den KassiererInnen auslassen. Stundenlang hieven die Damen und Herren in den Supermarktkitteln schwere, glitschige oder mit fett durchtränkte Ware über den Scanner, und das Geld ist so dreckig, dass nach einer Tagesschicht das Wasser nach dem Händewaschen pechschwarz in den Abfluss rinnt. Es ist eine recht schwere physische und psychische Arbeit, der Job in der Biep-Show. Entlohnt werden KassiererInnen gemäß dem Kollektivvertrag für Handelsangestellte. Eine Supermarktkassiererin im Burgenland wurde von ihrer Arbeitgeberin in die Beschäftigungsgruppe zwei eingestuft, obwohl ihr laut ihrer Tätigkeitsbeschreibung im KV die nächsthöhere Gehaltsstufe zugestanden hätte. Sie legte bei ihrer Arbeitgeberin Protest ein, ihr Anliegen wurde jedoch ignoriert. Schließlich wandte sie sich an die Gewerkschaft.
Die GPA-djp ging in diesem Fall ­sogar bis zum Obersten Gerichtshof. Dieser gab ihr recht: Der klagenden Kassiererin wurden nicht nur die Differenzbeträge ausgezahlt, sie wurde im KV auch in die nächste Gruppe eingestuft. "Die Klägerin steht stellvertretend für zahllose KassiererInnen im Handel, die lediglich in der Beschäftigungsgruppe zwei und nicht in der Beschäftigungsgruppe drei eingestuft waren", sagt ­Andrea Komar, Leiterin der GPA-djp-Rechtsabteilung. "Die Entscheidung des OGH war für die betroffenen KollegInnen daher von großer Bedeutung."
Die Arbeitgeberin rechtfertigte vor Gericht ihre Entscheidung über die ­geringe Einstufung damit, dass die Kassiererin keine beratenden Tätigkeiten an der Kassa durchzuführen habe und ihre Arbeit daher "nicht sonderlich schwer" sei.

Kleiner Erfolg - große Auswirkungen

Täglich kämpfen Gewerkschaften und Arbeiterkammern für die Rechte von ArbeitnehmerInnen und gegen Verletzungen des Arbeitsrechts durch die ArbeitgeberInnen. Die Aufgaben der Rechtsabteilungen sind mannigfaltig: Neben Rechtsberatungen und Interventionen bei ArbeitgeberInnen werden die ArbeitnehmerInnen auch von Gewerkschaft und AK in Gerichtsverfahren vertreten. "Sehr häufig geht es dabei um die Anfechtung von Kündigungen und Entlassungen, um nicht bezahlte Überstunden oder um Entgeltdifferenzen, die sich aus einer unrichtigen kollektivvertraglichen Einstufung ergeben", erklärt Andrea Komar. "Wir erzielen somit tagtäglich Erfolge, was den/die Einzelnen angeht." Für ganze Branchen werden jährlich Erfolge bei Neuverhandlungen von Kollektivverträgen erzielt.

Betriebsvereinbarungen 

Die Teilgewerkschaften unterstützen zudem auch Betriebsratskörperschaften bei schwierigen Prozessen wie Fusionen und Ausgliederungen oder bei der Erarbeitung von Betriebsvereinbarungen. "Dadurch können häufig gerichtliche Auseinandersetzungen vermieden und vernünftige ­Lösungen gefunden werden", sagt Komar. "Im schlimmsten Fall vertreten wir die BetriebsrätInnen vor Gericht. Erfolge haben hier stets Auswirkungen auf große Teile oder gar die gesamte Belegschaft." Die Gewerkschaften stehen den BetriebsrätInnen auch bei der Aushandlung von Sozialplänen beratend zur Seite.
Erfolgreich verhandelte oder erstrittene Sozialpläne bedeuten für zahlreiche ArbeitnehmerInnen, die aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten ihren Arbeitsplatz entweder verlieren oder schlechtere Arbeitsbedingungen hinnehmen müssen, große Erleichterung. Denn diese garantieren weitere finanzielle Unterstützung, Hilfe bei der Arbeitsplatzsuche oder gar den Erhalt des Arbeitsplatzes. Die Slowakin Valeria Kristekova gehört zu den ersten ArbeitnehmerInnen aus den östlichen EU-Ländern, die nach der Arbeitsmarktöffnung im Mai 2011 in Österreich ihr Glück versuchen wollten. Ein Unternehmen mit Sitz in Bratislava vermittelte sie und vier weitere Kolleginnen als Stubenmädchen an Hotels in Wien. Die Slowakinnen versprachen sich einen Monatslohn von 950 Euro, weit mehr, als sie in der Slowakei verdient hätten. Am Ende wurde ihnen jedoch nur ein Stundenlohn von 2,42 Euro zugestanden. Da sie auch für Anreise und Unterkunft selbst aufkommen mussten, stiegen sie nach einem Monat harter Arbeit mit einem Minus aus. Erst nach Intervention der AK und der Gewerkschaft erklärte sich der Arbeitgeber bereit, den fehlenden Differenzbetrag auszuzahlen.
"Die Unternehmen aus jenen Ländern, die ihre ArbeitnehmerInnen nach Österreich schicken, müssen ihnen gesetz­lich auch den österreichischen Kollek­tivvertrag zahlen", sagt Andrea Ebner-Pfeifer, Rechtsberaterin der Arbeiterkammer Wien. Sie hat den Fall Valeria Kristekova betreut und die erste Runde im Kampf gegen Sozial- und Lohndumping gewonnen. Obwohl den Unternehmen im Falle einer Vorschriftsverletzung hohe Strafen drohen, lassen sich diese von den möglichen Sanktionen offenbar nicht einschüchtern. "Seit den Slowakinnen ist uns zwar kein zweiter derartiger Fall bekannt", sagt Andrea Ebner-Pfeifer, "aber die Zahl der Beratungstermine von ungarischen und polnischen ArbeitnehmerInnen nahm jedoch im letzten halben Jahr deutlich zu, und die Tendenz ist nach wie vor steigend."

270.000 Beratungen im Jahr 2011

Andrea Ebner-Pfeifer sowie ihre Kolleginnen und Kollegen aus den Rechtsabteilungen der Arbeiterkammer Wien haben im Jahr 2011 rund 270.000 Beratungen abgewickelt, fast zehn Prozent mehr als im Vorjahr. Wie im Fall Kristekova intervenieren sie auch direkt bei den Betrieben.  Häufig müssen sie sich um offene Lohn- und Entgeltforderungen kümmern, wie das jüngste Beispiel der Firma Janus zeigt. Das Wiener Dienstleis­tungs- und Reinigungsunternehmen fiel bereits in der ­Vergangenheit öfters wegen unkorrekter Gehaltsauszahlungen unangenehm auf. Als Janus den Reinigungsauftrag im AKH Wien verlor, wurden jene MitarbeiterInnen, die im Krankenhaus im Einsatz waren, ge­kündigt - deren Lohnauszahlungen blieben jedoch offen. Die Arbeiterkammer Wien überprüfte die Endabrechnungen und holte für die ehemaligen Beschäftigten rund 500.000 Euro an noch offenen Lohn- und Entgeltforderungen herein. "Solche Fälle geschehen permanent in der Reinigungsbranche, im ­Sicherheitsdienst und in der Gastronomie", berichtet Julia Vazny-König, die die ehemaligen Beschäftigten der Firma Janus vertrat.

62 Mio. Euro für Beschäftigte

Der Fall Janus ging zwar glimpflich aus, manchmal bleibt jedoch auch den Arbeitsrechtsexpertinnen und -experten der Gang zum Gericht nicht erspart. Bei Insolvenzverfahren und gerichtlichen Auseinandersetzungen konnte die Arbeiterkammer Wien 2011 etwa 62 Mio. Euro für die ArbeitnehmerInnen herausholen. Im Falle der Insolvenz eines Unternehmens werden die Beschäftigten vom Insolvenzschutzverband für ArbeitnehmerInnen von AK und ÖGB vertreten. 2011 wurden für 6.500 Beschäftigte in Wien rund 40 Mio. Euro erkämpft - darunter befanden sich auch die MitarbeiterInnen von Don Gil. Die Modekette meldete vergangenen Herbst Insolvenz an und zahlte den Beschäftigten das Oktobergehalt nicht aus. Forderungen dazu wurden im November von der AK eingebracht und noch vor den Weihnachtsfeiertagen erhielten die Beschäftigten ihr wohlverdientes Geld. Ein Erfolg mehr, den die AK für sich verbuchen kann.

Internet:
Das kleine 1x1 des Arbeitsrechts:
tinyurl.com/7eeh7at
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