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Gemeinsam aus der Krise Darüber hinaus sollten Eurobonds, gemeinsam garantierte Anleihen der Euro-Länder, eingeführt werden. Die Grundidee besteht darin, dass die Eurozone als Ganze für Anleihen haftet. Damit würde man die Spekulation gegen einzelne Staaten verhindern.

Gemeinsam aus der Krise

Schwerpunkt

Eurobonds - gemeinsam garantierte Anleihen der Euroländer, für die die Eurozone als Ganze haftet - würden die Spekulation gegen einzelne Staaten verhindern.

2011 stand - wie 2010 - ganz im Zeichen der Euro-Krise. Griechenland, Irland und Portugal hätten sich auf den Finanzmärkten nur noch zu astronomischen Zinsen Geld leihen können. Sie erhielten Kredite nun von einem Rettungsfonds, den die EU-Mitgliedsstaaten finanzieren. Dieser ist aber zu gering dotiert, um einspringen zu können, wenn etwa Spanien oder Italien Probleme bekommen, sich zu refinanzieren. Somit hängt die Zahlungsunfähigkeit einzelner Staaten weiter wie ein Damoklesschwert über den europäischen Wirtschaften und Gesellschaften. Die bisherigen Antworten der europäischen Politik stehen v. a. unter dem Einfluss von Deutschland und sind inadäquat. Denn statt gemeinsame europäische Instrumente zur Überwindung der Schuldenkrise zu schaffen, werden die Mitgliedsstaaten zur Rettung der Eurozone einseitig auf drastische Sparprogramme eingeschworen. Dieser Ansatz ist zum Scheitern verurteilt. Einerseits kann niemand davon ausgehen, dass die Ankündigung von Sparprogrammen die Märkte beruhigt, und andererseits sparen sich die EU-Mitgliedsstaaten simultan in die Rezession. Dadurch wird der Schuldenabbau schwierig bis unmöglich.

Eurobonds 

Es bedarf in der Krise mutiger Antworten, um die Märkte von der Zahlungsfähigkeit der Staaten zu überzeugen. Eine könnte darin bestehen, dass die Europäische Zentralbank (EZB) in verstärktem Umfang Staatsanleihen aufkauft, wie es die amerikanische und britische Notenbank tun. Aufgrund dessen haben nämlich weder die USA noch GB - trotz höherem Schuldenstand und höherer Neuverschuldung - das Problem des drohenden Staatsbankrotts. Darüber hinaus sollten Eurobonds, gemeinsam garantierte Anleihen der Euroländer, eingeführt werden. Die Grundidee besteht darin, dass die Eurozone als Ganze für Anleihen haftet. Damit würde man die Spekulation gegen einzelne Staaten verhindern und das Zinsniveau würde für die meisten Staaten deutlich sinken.
Derzeit begibt jedes Land eigene Anleihen. Geraten Staaten in den Fokus der nervösen Märkte, steigen die Zinsen extrem, und damit auch die Ängste vor der Zahlungsunfähigkeit. Ein Teufelskreislauf entsteht. Steigen die Zinsen auf acht Prozent, dann muss ein Staat nach zehn Jahren das Doppelte der ausgeborgten Summe zurückzahlen. Wenn durch die Sparprogramme die Wirtschaft kaum wächst, ist das nicht machbar - der Staatsbankrott droht.
Da jedes Jahr alte Anleihen zurückgezahlt werden müssen, kann jedes Land sehr rasch in die Zahlungsunfähigkeit schlittern, wenn es sich am Finanzmarkt nicht mehr zu vernünftigen Bedingungen finanzieren kann. Während sich Dänemark, die Niederlande und Deutschland in den letzten Wochen zu negativen Zinsen verschulden konnten, also weniger als die geborgte Summe zurückzahlen müssen, stiegen die Zinsen für Italien trotz harter Sparmaßnahmen auf sieben Prozent. Wenn sich jedes Land eigenständig verschulden muss, sind die Staaten weiterhin in einer schwächeren Position gegenüber den Finanzmärkten. So können die Finanzmärkte einzelne Länder attackieren, indem sie in "Käuferstreiks" bei Anleiheemissionen treten. Haben die Märkte Zweifel an italienischen oder österreichischen Anleihen, können sie problemlos auf die Anleihen von 15 anderen Eurostaaten ausweichen. Gäbe es gemeinschaftliche Euro-Anleihen, könnten die Märkte nicht einzelne Länder gegeneinander ausspielen, sondern sie müssten den ganzen EU-Raum meiden. Wohin aber ausweichen? Die USA oder Japan sind etwa viel höher verschuldet als der Euroraum.

Krisengewinner Deutschland

Für Staaten wie Deutschland, die derzeit sehr niedrige Zinsen zahlen, könnten sich die Zinsen gemeinsamer Anleihen etwas erhöhen. Staatsbankrotte und ein Auseinanderbrechen der Eurozone kämen auch Deutschland teurer als gemeinsame Anleihen. Das Land ist Krisengewinner, weil die AnlegerInnen für Sicherheit mitunter auf eine Verzinsung ganz verzichten - und das ist Ausdruck einer absoluten Ausnahmesituation. Klarerweise muss es bei gemeinschaftlicher Haftung auch eine Koordinierung der Fiskalpolitik und ein Abtreten von Kompetenz geben. Wer für andere mithaftet, tut dies nur, wenn es gemeinsame Spielregeln gibt.
Der EU-Haushaltspakt sieht indes nur striktere Regeln gegen Haushaltsdefizite und eine Erhöhung des Automatismus bei Sanktionen gegen Defizitländer vor. Es besteht offenbar der Irrglaube, die Krise der Eurozone beruhe nur auf laxer Budgetpolitik. Die Staaten regulieren sich durch Schuldengrenzen selbst, die Finanzmärkte werden hingegen nicht reguliert. 23 Staaten der EU setzen nun Schuldenbremsen um, verhalten sich untereinander aber weiter als Konkurrenten in der Steuerpolitik, insbesondere bei den Unternehmenssteuern. Damit sind einnahmenseitige Spielräume eingeengt. Die Einführung der Finanztransaktionssteuer war auf den EU-Gipfeln offenbar kein Thema, ist aber aus gewerkschaftlicher Sicht unerlässlich. Im Zuge der Krise wurden die europäischen Banken mit 300 Mrd. Euro gestützt, ein Beitrag des Finanzsektors zur Haushaltskonsolidierung ist daher unbedingt erforderlich.

Finanztransaktionssteuer 

Seit Jahren fordern Gewerkschaften eine Finanzmarkttransaktionssteuer. Damit könnten hohe Einnahmen erzielt und die Spekulationen eingedämmt werden.
Obwohl die EU-Kommission im Gegensatz zum Europäischen Parlament eine solche Steuer lange abgelehnt hat, legte sie im Herbst 2011 einen Vorschlag vor, mit dem Finanztransaktionen europaweit besteuert werden. Das ist ein bemerkenswerter Fortschritt.
Der Weg zur Finanzmarkttransaktionssteuer ist mit dem Vorschlag aber leider noch nicht geebnet. Denn eine EU-weite Steuer bedarf wegen des Einstimmigkeitsprinzips bei Steuerfragen der Zustimmung aller Mitgliedsstaaten. Großbritannien, aber auch Schweden, wehren sich vehement gegen eine EU-weite Steuer.1 Da die meisten Finanztransaktionen in London und Frankfurt stattfinden, würde eine Nichtbeteiligung Großbritanniens die möglichen Einnahmen massiv dämpfen. Seitens Deutschlands und Frankreichs wird auch eine auf die Eurozone beschränkte Einführung der Steuer erwogen.
Steuerpflichtig sollen nach dem Entwurf der Kommission Transaktionen von Finanzprodukten sein, die von einer Finanzinstitution mit Sitz in der EU gehandelt werden. Transaktionen wären also nur steuerpflichtig, wenn die Vertragspartei ihren Sitz in der EU hat. Das bedeutet: Wenn ein Unternehmen, das keine Finanzinstitution ist, einem Hedgefonds außerhalb der EU Kapital gibt, ist das steuerfrei. Damit nicht große Teile des Finanzmarkts aus der EU abwandern, muss hier nachgebessert werden.
Im Entwurf der EU-Kommission sind außerdem nur Währungsderivate steuerpflichtig, nicht aber der Währungshandel. Damit wird ein Teil der Währungsspekulation nicht besteuert. Das muss geändert werden.
Das tägliche Handelsvolumen des Devisenhandels macht insgesamt vier Bio. US-Dollar aus.2 Über 95 Prozent des Devisenhandels dienen spekulativen Geschäften. Das Jahresvolumen des weltweiten Exports von realen Gütern wird an den Devisenmärkten in drei Tagen umgesetzt, die Exporte machen daher nicht einmal ein Prozent des Devisenhandels aus.3 Es wäre deshalb ein gravierender Fehler, diese Transaktionen steuerfrei zu lassen.
Die Kommission schlägt bei Aktien und Anleihen einen Steuersatz von 0,1 Prozent, bei Derivaten von nur 0,01 Prozent, vor. Dadurch wird ausgerechnet der hochspekulative Derivathandel geschont. Das potenzielle Steueraufkommen wird mit rund 55 Milliarden Euro beziffert.

Schulmeister-Modell

Die AK hat vom WIFO-Experten Stephan Schulmeister ein alternatives Modell erarbeiten lassen. Dieses vermeidet sowohl Steuerschlupflöcher als auch Kapitalflucht. Nach dem Modell sollen alle Aufträge für den Kauf oder Verkauf von Finanzprodukten besteuert werden, wenn der/die AuftraggeberIn seinen/ihren Wohnsitz in der EU hat. Damit kann der Kapitalflucht ins Ausland effektiv vorgebeugt werden. Ist der/die AuftraggeberIn BürgerIn eines Staates, in dem es die Finanztransaktionssteuer gibt, dann muss er/sie dafür jedenfalls Steuern zahlen - es nützt nichts, Aufträge über ausländische Banken abzuwickeln. Außerdem wäre es sinnvoll, dass die Staaten, die die Steuer einführen, einen Teil der Einnahmen erhalten. Damit wären sie motiviert, diese Steuer einzuheben.

Internet:
Eurobonds bei Wikipedia:
de.wikipedia.org/wiki/Eurobonds
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an den Autor
david.mum@gpa-djp.at 
oder die Redaktion
aw@oegb.at 
 

1 Die Zeit, 11. 1. 2012
2 tinyurl.com/6vp4uvl, FTD 1. 9. 2010
3 tinyurl.com/72vs8nh

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