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Fürchtet Euch! Am 21. Dezember des Jahres werde sich voraus-sichtlich, zumindest über Wien, ein normaler Winterhimmel präsentieren. Auch die Teleskope zeigten, dass kein unbekanntes Flugobjekt aus dem All auf die Erde knallen wird.
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Fürchtet Euch!

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Der für den 21. Dezember 2012 vorhergesagte Weltuntergang findet großen Anklang. Die Nachfrage lässt auf ein gutes Geschäft hoffen.

Wir alle werden sterben, das lässt sich nicht leugnen. Aber müssen wir unbedingt alle gemeinsam, noch dazu kurz vor Weihnachten, wo wir ohnehin wieder zusammenkleben, bis man einander vor Liebe fast erwürgt, abtreten? Und müssen wir unbedingt gleich den gesamten Planeten mitnehmen in den Untergang?
Die seriöse Wissenschaft ist nicht dieser Ansicht. In seinem Wissenschaftsblog "Astrodicticum simplex" beschreibt etwa der Astronom Florian Freistetter, dass im Universum soweit alles in Ordnung ist. Am 21. Dezember des Jahres werde sich voraussichtlich, zumindest über Wien, ein normaler Winterhimmel präsentieren. Auch die Teleskope zeigten, dass kein unbekanntes Flugobjekt aus dem All auf die Erde knallen wird.

Maya-Kalender

Nicht vorhersehen konnten die alten Mayas, deren Kalender laut falscher Interpretation in wenigen Monaten enden soll, wie hysterisch die ErdbewohnerInnen dereinst nach Zeichen ihres Untergangs Ausschau halten würden. Sie verwendeten statt drei (Tage, Wochen, Monate) fünf Zeiträume zur Datenangabe. Am 13.0.0.0.0. (dem 21. Dezember 2012) endet eine große Periode ihres Kalenders, eine neue (Zähl-)Epoche beginnt. Die Mayas selbst haben den Weltuntergang nicht vorhergesagt. Die Rede davon tauchte erst 1987 mit dem Buch "The Mayan Factor" auf, in dem der Esoterik-Autor José Argüelles einen Zusammenhang zwischen Inschriften der Maya-Indios und der Apokalypse herstellte und in die Medien trug. Inspiriert vom Interesse an der Fehlauslegung des Maya-Kalenders brachte Regisseur Roland Emmerich 2009 den Hollywood-Streifen "2012" rechtzeitig auf den Markt. Zahlreiche besorgte Anfragen veranlassten die US-Raumfahrtbehörde NASA zur Einrichtung einer eigenen Website. Weder werde die Erde mit einem Planeten namens Nibiru kollidieren, noch durch außergewöhnliche Planetenkonstellationen in Mitleidenschaft gezogen. (Achtung: Schon wird von einer gefälschten NASA-Website berichtet.)

Geschäft mit der Angst

Nicht vorhersehen konnten die alten Mayas auch das große Geschäft, das im Vorfeld des Untergangs zu machen ist. Beschränkte sich die Beschäftigung mit dem 21. Dezember 2012 zunächst auf einschlägige Bereiche der Esoterikszene, verschaffte der Film der Wintersonnenwende 2012 den weltweiten Durchbruch.
Im Juni 2011 lancierte der mexikanische Präsident Felipe Calderón den Plan "Maya-Welt". Erwartet wird ein Touristenstrom von über 52 Mio. Personen, mehr als doppelt so viele wie bei Normalbetrieb. Ein Rückflugticket ist dennoch angebracht: "Die Welt wird nicht enden, sondern nur eine Ära", räumt der mexikanische Tourismussprecher Yeanet Zaldo ein. "Für uns ist das Ende des Maya-Kalenders ein Zeichen der Hoffnung." Zur entsprechenden Vermarktung hat das Land zahlreiche Events, regionales Verbrennen von Weihrauch und anderes publikumswirksames Aufleben alter Riten vorbereitet.
Lust auf den Weltuntergang ortet Nikolai Grube, Maya-Experte der Universität Bonn, "gerade in der westlichen Industriegesellschaft, die wenig spirituelle Alternativen zur Verfügung stellt. An das Jahr 2012 knüpfen Esoteriker eine Heilserwartung, sie rechnen mit einer neuen Ära des Lichts, der Schwingungen oder der Kristalle, da hat jede Gruppe ihre eigene Metapher."
Pseudodokumentationen, Websites und unzählige Bücher befassen sich mit dem Tag X. Schon gibt es Angebote zur Rettung, auch Bunker werden verkauft. Nach Ausstrahlung des Films "Die Insel der Apokalypse" im chilenischen Fernsehen langten zahlreiche Anfragen beim Bürgermeister der Insel Robinson Crusoe ein. Die These der Pseudo-Doku: Wer am 21. Dezember 2012 auf dieser Insel ist, kann gerettet werden.
Ein "gewisses Muster" im Geschäftsbetrieb erkennt Florian Freistetter. Je mehr Menschen Angst vor dem Ende 2012 haben, umso mehr wird zur Thematik verkauft. Es gebe, so der bloggende Astronom, zahlreiche Anleitungen zur Vorbereitung, die wunderbar geeignet seien, einem das Leben zu ruinieren: Etwa die Stornierung von Lebensversicherungen oder Bausparverträgen, und vieles andere mehr.
Seit einem Interview mit der Zeitschrift "Hörzu" ist zum Beispiel der Möchtegern-Wissenschafter Dieter Broers im deutschen Sprachraum groß im Geschäft. Sein Wert steigt: 2009 kostete ein Vortrag 120 Euro, ein Jahr danach bereits 250. Wer nicht lesen, hören oder sehen will, kann bei einschlägigen AstrologInnen auch einen Zauberbeutel (um 99,99 Euro) kaufen und sich so auf die "galaktische Synchronisation im Jahr 2012 vorbereiten".

Doomsday Clock

An Gründen zur Angst mangelt es nicht. Vor kurzem wurden die Zeiger der legendären Weltuntergangsuhr um zwei Minuten weiter - von sieben auf fünf vor zwölf - gestellt. Die Uhrzeit der seit 1947 tickenden "Doomsday Clock", eingerichtet durch das "Bulletin of the Atomic Scientists", symbolisiert die Wahrscheinlichkeit einer weltweiten Katastrophe. Die globale Erderwärmung überschattet andere Herausforderungen, meint diesbezüglich der britische Astrophysiker Stephen W. Hawking: "Sie könnte Millionen Menschen töten. Wir sollten eher einen Krieg gegen die globale Erderwärmung führen als gegen den Terror."  "Wenn Zukunftsangst sich zur kollektiven Hysterie aufschaukelt, wird sie zur sich selbst erfüllenden Prophezeiung", schreibt Zukunftsforscher Matthias Horx unter dem Titel "Die Apokalypse des Spießers". Aufmerksamkeit bedeutet Geld. Und wie ließe sich diese zur Neige gehende Ressource leichter erschließen als durch Angst, Schrecken und Furcht? In unsicheren Zeiten werde die Angst zum einzig attraktiven Wertschöpfungsmodell, meint Horx.
Die Schlüsselszene von Robert Harris’ jüngstem Roman "Angst" brächte die Sache auf den Punkt: Hier erklärt der dämonische Mathematiker Hoffmann den steinreichen Investoren das Geschäftsmodell seines Hedgefonds. Dessen ungeheure Profite basieren allein auf der Messung von Angst und Panik in den globalen Mediennetzen. Die Romanfigur Hoffmann: "Der Anstieg der Markt-Volatilität ist nichts anderes als das Resultat einer beispiellosen Verbreitung von Informationen, die zu einer extremen Verstärkung der kollektiven Stimmungsschwankungen führt. Und wir werden mit dieser Tatsache Geld verdienen - sehr viel Geld."
Die vielfach beobachtete Lust am Weltuntergang könnte auch andere Gründe als mangelnde Spiritualität haben, zum Beispiel Wut, Zorn oder Rachegelüste. So meint etwa der deutsche Literaturkritiker Ijoma Mangold in seinem Artikel "Warten auf den Untergang" in der Wochenzeitung "Die Zeit": "Dass man Volkswirtschaften nur retten kann, indem man eben die Ökonomie stabilisiert, welche die Krise mit erzeugt hat, kommt unserem Bedürfnis nach Bestrafung der Schuldigen nicht entgegen. Da wünscht sich manch eine/r eine weitere Zuspitzung, bis vom System und seinen Profiteuren wenig übrig bleibt."

Rituale der Landvertreibung

Die Maya-Indígenas im mexikanischen Nachbarland Guatemala, zahlenmäßig die Mehrheit gegenüber den Nachfahren der Einwanderer und Einwanderinnen, brauchen keine weitere Zuspitzung. Die meisten von ihnen sind bereits mehr als arm. Oft wird den landlosen Indiobauern und -bäuerinnen der Zugang zum eigenen Land verwehrt. Im Sommer 2011 wurde etwa die Gemeinde Nueva Esperanza vom guatemaltekischen Militär gewaltsam "geräumt" - sie befinde sich in einem Naturschutzgebiet, so die Behörden. Die 300 GemeindebewohnerInnen suchten Zuflucht auf der anderen Seite der Grenze, in Mexiko. Zu Jahresbeginn meldete die Organisation "Guatemala Solidarität Österreich", dass sie nun auch von den mexikanischen Behörden von ihrem Aufenthaltsort im Grenzstreifen, der Gemeinde Nuevo Progreso im mexikanischen Bundesstaat Tabasco, vertrieben wurden.

Internet:
Mehr Infos unter:
www.guatemala.at 
tinyurl.com/yzj7fqe
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gabriele.mueller@utanet.at
oder die Redaktion
aw@oegb.at 

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