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Versteckte Vielfalt der MigrantInnen Im Segment der Ethno-Medien ist die Vielfalt groß: Die meisten Medien gibt es in der türkischen Community, ganze 22 Zeitungen sind allein im Medienhandbuch vertreten. Darüber hinaus gibt es afrikanische, polnische oder lateinamerikanische Medien.

Versteckte Vielfalt der MigrantInnen

Schwerpunkt

Von MigrantInnen gemachte Medien mischen die Mainstream-Medien auf.

Wir sind frech, wir sind schräg, wir schreiben ein bisschen direkter - mit scharf eben." Mit diesen Worten beschreibt Redakteurin Ivana Martinovic das Erfolgsrezept von "das biber". Es ist wohl die bekannteste Zeitung, die seit 2006 von MigrantInnen in Österreich gemacht wird. "das biber" richtet sich in erster Linie an die dritte Generation und erscheint deshalb auch auf Deutsch. "Wir wollen die neuen Österreicher ansprechen, also Leute, die in Österreich geboren sind und nichts anderes kennen, außer vielleicht die Heimat vom Heimaturlaub", sagt Martinovic.

"Aus der multiethnischen Community"

Das vielfältige Redaktionsteam schreibt "über die Lebenswelten direkt aus der multiethnischen Community heraus", so die Eigenbeschreibung. Die JournalistInnen berichten über Themen wie das kleine Glücksspiel oder den arabischen Frühling, es werden die "erfolgreichsten Migrantinnen Österreichs" vorgestellt, es gibt Lokalkritiken, die rumänische Miss Austria ist ebenso Thema wie Import-Männer aus der Türkei - alles gewürzt mit ordentlich "biber", türkisch für "Pfeffer" (auf Serbokroatisch heißt "biber" im Übrigen "Paprika"). Das Konzept ging auf: "Die Reaktionen auf unser Erscheinen waren toll und das hat uns darin bestätigt, dass es eine große Lücke gab", freut sich Martinovic. Jüngster Neuzugang in diesem Bereich ist "daStandard.at", ein eigenes Ressort im Online-Standard, in dem MigrantInnen täglich über ihre Lebenswelten berichten. Erst vor kurzem erschien "daStandard" auch als Beilage in der Print-Ausgabe, in Zukunft soll es eine solche vierteljährlich geben. "daStandard.at" ist - wie "das biber" - ein Erfolg und wurde zudem mit dem europäischen CIVIS-Medienpreis ausgezeichnet, der die besten Programme zum Thema Integration und kulturelle Vielfalt in Europa prämiert. "daStandard.at" soll sich nicht in erster Linie mit Integration beschäftigen, findet Leiterin Olivera Stajic: "Mein Ziel ist es, eine Art Normalität vom Leben in der post-migrantischen Gesellschaft abzubilden."
Sehr wohl mit dem Thema Integration beschäftigen sich einmal pro Woche JournalistInnen mit Migrationshintergrund in der Tageszeitung "Die Presse". Es handelt sich dabei um ein Projekt des Vereins M-Media, das in etwa zeitgleich mit "das biber" gestartet worden ist. Und auch dieses Projekt findet Anklang: "Wir kommen an Geschichten heran, an die nicht jeder herankommt. Auch auf manche Ideen kommt man einfach nicht, wenn man nicht bestimmte Erfahrungen gemacht hat. Da kommt dir der Migrationshintergrund zugute und das wird auch in der Presse geschätzt", sagt Chefredakteurin Clara Akinyosoye.

Fast 90 Ethno-Medien in Österreich

M-Media macht aber weitaus mehr, unter anderem veranstaltet der Verein seit 2008 die Medien.Messe.Migration. Dort können sich die unterschiedlichen Ethno-Medien vorstellen. In den ersten Jahren fand sie noch in überschaubarem Rahmen statt, dieses Jahr war sie zum ersten Mal Teil der "Österreichischen Medientage". "Das ist ein Zeichen, dass wir im Mainstream ankommen", ist M-Media-Geschäftsführer Simon Inou zufrieden. Begleitend zur Messe gibt M-Media auch das "Österreichische Medienhandbuch Migration & Diversität" heraus. Darin sind inzwischen fast 90 Ethno-Medien gelistet. Auch wenn die deutschsprachigen Medien im Moment für mehr mediale Furore sorgen: Die große Mehrheit der Ethno-Medien erscheint in der jeweiligen Herkunftssprache.

Vielfältige Medienlandschaft

Im Segment der Ethno-Medien ist die Vielfalt groß: Die meisten Medien gibt es in der türkischen Community, ganze 22 Zeitungen sind allein im Medienhandbuch vertreten. Darüber hinaus gibt es afrikanische, arabische, polnische oder lateinamerikanische Medien. Sie verstehen sich als konservativ oder liberal, es gibt Tages-, Wochen- und Monatszeitungen.
Eine dieser Zeitungen ist "KOSMO". Das Monatsmagazin wurde 2009 gegründet und richtet sich an die ex-jugoslawische Community. Es verfolgt unter anderem das Ziel, den MigrantInnen Österreich näherzubringen, erzählt Chefredakteur Nedad Memic. Von der Aufmachung her erinnert "KOSMO" an die österreichische Zeitschrift "News" und ähnlich bunt sind auch die Inhalte - mit dem zentralen Unterschied, dass "KOSMO" auch über die ex-jugoslawische Community in Österreich berichtet. "Wir sind sehr ernsthaft, aber wir bringen auch Unterhaltungsthemen. Es gibt zum Beispiel einen Gastarbeiter-Raunzer. Er nennt sich Zemo und raunzt über Politiker, Hausmeister, einfach alles in diesem Land", so Memic. "KOSMO" ist eine der größeren Zeitungen, sie hat eine Auflage von mehr als 100.000 Stück.
Die türkische Zeitung "Yeni Vatan" bringt es immerhin auf eine Auflage von 50.000 Stück. Der Titel der Zeitung heißt auf Deutsch übrigens "Neue Heimat". Darauf legt Herausgeber Birol Kilic sehr viel Wert, denn auch er hat sich zum Ziel gesetzt, dass sich seine LeserInnen mit Österreich beschäftigen. Und ihm ist wichtig, dass seine Zei-tung ernst genommen wird: "Wir leisten mit objektiver Berichterstattung einen leidenschaftlichen Beitrag zur Demokratie."

Rechte verständlich machen

Wo man sich umhört, die Motive sind immer ähnlich: Man will den LeserInnen Österreich nahebringen und Themen behandeln, die MigrantInnen betreffen, aber in den Mainstream-Medien zu wenig vorkommen. Auch die Vertriebswege sind ähnlich: Über die Abos hinaus werden sie überall verteilt, wo sich MigrantInnen aufhalten oder arbeiten, ob in Geschäften, Kaffeehäusern, Busbahnhöfen oder Moscheen. Dass die Informationen in der Herkunftssprache veröffentlicht werden, sehen die Medienmacher nicht als Hindernis bei der Integration. Immerhin seien Deutschkenntnisse von der älteren Generation gar nicht verlangt worden. "Für viele ist es eine Erleichterung, wenn sie die Rechte in ihrer eigenen Sprache lesen können, denn das ist oft sehr kompliziert", meint Hasan Kilic. Nicht umsonst würden diese auch in den Medien von Gewerkschaft und Arbeiterkammer für das deutschsprachige Publikum in einfachere Worte gefasst.

"Sendika" - Gewerkschaft

Hasan Kilic gibt eine kleine Zeitung heraus, die sich "Sendika" nennt, zu Deutsch "Gewerkschaft". Entsprechend ist auch das Medium gestaltet: "Zu 80 bis 90 Prozent geht es in unseren Berichten um das Arbeitsfeld der Arbeitnehmer und die Gewerkschaften. Wir berichten über Gesetzesänderungen, Kollektivvertragsverhandlungen und über die Rechte und Pflichten der Arbeitnehmer."
Weniger zielgruppenspezifisch ist die Berichterstattung der türkischsprachigen Zeitung "Post". Aber auch sie informiert in erster Linie über die österreichische Innenpolitik, so Chefredakteur Ahmed Dogan. Darüber hinaus ist das Leben der Community in den Regionen Thema. "Sich in der Muttersprache Informationen zu holen, ist noch kein Hindernis bei der Integration", meint auch Dogan. Er findet es aber gut, dass es für die dritte Generation Angebote auf Deutsch gibt.
Diese dritte Generation will mehr: Endlich sollen mehr MigrantInnen in den Mainstream-Medien arbeiten. "Ein halbes Prozent der Journalistinnen und Journalisten in Österreich hat einen Migrationshintergrund, das ist eine zutiefst winzige Zahl", meint Zarko Radulovic von der Medien-Servicestelle Neue ÖsterreicherInnen. Diese hat es sich zur Aufgabe gemacht, Informationen zum Thema Integration für JournalistInnen in Österreich aufzubereiten. Außerdem werden junge JournalistInnen mit Migrationshintergrund dabei unterstützt, in den Mainstream-Medien unterzukommen. Auch M-Media verfolgt ein ähnliches Ziel und bei einer Mitarbeiterin hat es bereits funktioniert: Duygu Özkan schreibt inzwischen in der Chronik-Redaktion der "Presse". Eine ganze JournalistInnenausbildung bietet "das biber" an: die "biber"-Akademie. Das Ziel all dieser Bemühungen formuliert Ivana Martinovic, die neben ihrer Tätigkeit als "biber"-Redakteurin die "biber"-Akademie leitet: "Wir wollen, dass es selbstverständlich wird, dass Menschen mit Migrationshintergrund, die gerne schreiben, auch als Journalisten in den Medien anfangen." Für "das biber" ergänzt sie als Ziel: "Wir wollen als selbstverständlicher Teil der österreichischen Medienlandschaft gesehen werden."

Internet:
Medien-Servicestelle Neue ÖsterreicherInnen:
medienservicestelle.at
M-Media - Verein zur Förderung interkultureller Medienarbeit:
m-media.or.at
Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin
sonja.fercher@chello.at 
oder die Redaktion
aw@oegb.at 

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