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Oh du fröhliches Medien-Einerlei … Der Übergang zwischen Berichterstattung, Einflussnahme und Propaganda ist hier wohl fließend … "Wes’ Brot ich ess’, dess’ Lied ich sing", soll schon Walther von der Vogelweide gesagt haben.
Buchtipp

Oh du fröhliches Medien-Einerlei …

Schwerpunkt

Wer weiß, wie Medien funktionieren, glaubt nicht alles, was in der Zeitung steht. Doch Medienbildung fehlt am Lehrplan österreichischer Schulen.

Man kennt das Bild morgens in der U-Bahn: Alle lesen dasselbe und überall steht das Gleiche. Beispiel: Der Tod von Ludwig Hirsch. "Die Polizei geht von Selbstmord aus", stand in so gut wie allen Medien zunächst zu lesen. Einmal abgesehen davon, dass man sich selbst nicht ermorden kann und somit bestenfalls von Freitod sprechen sollte - hier war wohl eine Agenturmeldung übernommen worden, mal kürzer, mal etwas länger. Zumindest der Name der Nachrichtenagentur bürgt für Qualität - oder?

Woher kommen die Medieninhalte?

Twitter, Facebook, Blogs, Citizen journalism - ob Attentate in Norwegen oder arabischer Frühling: Social Media scheinen die Rolle der klassischen Medien übernommen zu haben, oder zumin-dest die der InformationslieferantInnen. Irgendjemand ist immer am Ort des Geschehens.
Anders als bei klassischer Recherche lassen sich solche Inhalte jedoch selten überprüfen, vor allem nicht in "Echtzeit", in der viele Menschen heute Informationen erwarten. Ein anonymer Mensch hat ein Video einer ebenso anonymen Person aufgenommen und es ins Internet gestellt. Klassische Medien übernehmen den Film mangels anderer Quellen - und stellen manches Mal erst später fest, wie falsch oder zumindest ungenau die ursprüngliche Information war.
Ein Beispiel: Das Handy-Video vom gewaltsamen Tod der Iranerin Neda Agha-Soltan ging am 21. Juni 2009 um die Welt und machte die junge Frau zu einer Symbolfigur der Grünen Revolution. Überprüfen ließ sich die Echtheit des Videos allerdings wegen der Beschränkungen für die Berichterstattung nicht, etwa was die anwesenden anderen Personen im Film betraf. Trotzdem wurde er in vielen Medien gezeigt …

Seriöse Informationsbeschaffung

Journalistische Sorgfalt sieht anders aus: Informationen werden aus mehreren Quellen eingeholt und überprüft, widerstreitende Auskünfte gegengecheckt. Quellen legt man offen (sofern man damit niemandem schadet, etwa in einer Diktatur). Meinung und Bericht werden getrennt und gekennzeichnet, ebenso entgeltliche Einschaltungen; in laufenden Strafverfahren gilt die Unschuldsvermutung, statt die Verdächtige oder den Verdächtigen vorab zu verurteilen. Eine Vorgangsweise, die sich heute vielfach "überholt" hat, wo Recherche by Google Standard in vielen Redaktionen ist - Zeitdruck und Budgetknappheit sei Dank.
Und wer entdeckt schon Fehler? Als in Deutschland Guttenberg (vollständiger Name: Karl Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester Freiherr von und zu Guttenberg) Minister wurde, schummelte ein Anonymus einen zehnten Vornamen - Wilhelm - in den Wikipedia-Eintrag des blaublütigen Politikers. So gut wie alle Medien schrieben davon ab und entschuldigten sich für die Falschinformation später mehr oder weniger elegant …
Eine Frage des Vertrauens
Was ist wahr, was ist falsch? Wie sollen kritische KonsumentInnen das überprüfen? Wenn überall das Gleiche steht, spricht das doch für dessen Wahrheitsgehalt - oder nicht?
Medienkonsum ist eine Frage des Vertrauens, und das stellt ein strukturelles Problem der Medienwelt dar, erläutert Kommunikationswissenschafter Josef Trappel von der Universität Salzburg. Medien sind, anders als etwa Autos, Vertrauensgüter. Den KonsumentInnen bleibt meist nicht viel anderes übrig, als dargebotenen Berichten mehr oder weniger blind zu vertrauen, schließlich fehlt ihnen fast immer die Möglichkeit, eine Story zu überprüfen - außer sie befinden sich am Ort des Geschehens oder sind selbst JournalistInnen oder WissenschafterInnen. In diesem Prozess wird die Marke eines Mediums zur alles entscheidenden Frage. Qualitätszeitungen wie "Die Presse" stehen mit ihrem guten Namen für objektiven Journalismus, sagt Trappel: "Wer sagt aber, dass nicht auch dort die besten JournalistInnen aus Spargründen gehen mussten?"

Eigentümer-Vielfalt

Grundsätzlich beobachtet Trappel, dass es immer weniger Vielfalt unter Medieneigentümern gibt - die Konzentration nimmt stetig zu. Dabei gibt es aber, bezogen auf Österreich, einige Unterschiede: Stellt sich die Situation auf nationaler Ebene mit fünf Tageszeitungen, dem ORF und privaten Radio- und Fernsehprogrammen noch als hinreichend vielfältig dar, so ist dies auf regionaler Ebene anders. Hier gehören immer mehr Medien immer weniger Eigentümern. Beispiel: das Vorarlberger Medienhaus (tinyurl.com/7u5oeq6), zu dem über 60 Zeitungen, zahlreiche Internet-Portale und Radiosender in Österreich, Ungarn und Rumänien gehören. Als andere Vorarlberg-Quellen bleiben nur die regionalen Angebote des ORF. Ähnlich stellt sich die Medienkonzentration in Oberösterreich, Salzburg, Tirol oder der Steiermark dar.
Damit gibt es hierzulande weniger Eigentümer-Vielfalt als in gleich großen Ländern wie der Schweiz oder in Skandinavien. In Deutschland ist eine große Bandbreite an Eigentümern vorhanden; sogar im Bundesland Bayern, das größenmäßig mit Österreich vergleichbar wäre, herrscht mehr Vielfalt in Bezug auf die Eigentümer-Strukturen. Josef Trappel: "Das Medien-Geschäft belohnt Marktkonzentration. Je höher eine Auflage ist, umso billiger sind die Stückkosten; je mehr Menschen eine Fernsehsendung konsumieren, umso billiger werden die Produktionskosten pro ZuschauerIn."
Medienunternehmer wie Silvio Berlusconi oder Rupert Murdoch wollen ihren Einfluss ausweiten, etwa in politischer Hinsicht. Auch im wirtschaftlichen Bereich gibt es Bestrebungen, die öffentliche Meinung durch Medieneigentum für sich zu gewinnen. So investieren in Frankreich auch Unternehmen aus der Rüstungsbranche in Medien, um Einfluss zu bekommen.
Der Übergang zwischen Berichterstattung, Einflussnahme und Propaganda ist hier wohl fließend … "Wes’ Brot ich ess’, dess’ Lied ich sing", soll schon Walther von der Vogelweide gesagt haben.

Medien verstehen - kritisch nutzen

Kritische MedienkonsumentInnen sind hier gefragt. Die Kenntnis darüber, wie Medien funktionieren, hilft zu erkennen, dass nicht alles wahr ist, nur weil es so in der Zeitung steht …
Doch Medienbildung in der Schule ist in Österreich nach wie vor ein Minderheitenprogramm und hängt laut Stadtschulrat vom Engagement der individuellen Schule ab. So steht zwar im AHS-Lehrplan: "Innovative Technologien der Information und Kommunikation sowie die Massenmedien dringen immer stärker in alle Lebensbereiche vor. (…) Im Rahmen des Unterrichts ist diesen Entwicklungen Rechnung zu tragen und das didaktische Potenzial der Informationstechnologien bei gleichzeitiger kritischer rationaler Auseinandersetzung mit deren Wirkungsmechanismen in Wirtschaft und Gesellschaft nutzbar zu machen."

Medienbildung nicht im Lehrplan

Doch wie diese Vorgabe umzusetzen ist, bleibt offen. Ein eigenes Fach Medienbildung ist in den Lehrplänen des Unterrichtsministeriums nicht aufgeführt. Somit hängt es von den Lehrkräften ab, inwieweit sie Medienbildung etwa als Teil der politischen Bildung, der bildnerischen Erziehung oder des Deutschunterrichts einsetzen. Daneben gibt es aber auch Schulen mit Medien- und Informatikschwerpunkt.
Dabei heißt es im Hauptschul-Lehrplan so schön: "(…) ist die Bereitschaft zum selbstständigen Denken und zur kritischen Reflexion besonders zu fördern." Schön wäre es …

Internet:
Österreichs Medienwelt von A bis Z:
www.diemedien.at 
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