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Es geht nicht nur ums Geld Diese KV-Flucht führte auch dazu, dass hierzulande formale Mauern zwischen Print und Online hochgezogen wurden, während in anderen Ländern Online-Journalismus Stück um Stück in die Print-Redaktionen hineingewachsen ist.

Es geht nicht nur ums Geld

Schwerpunkt

Warum ziehen sich die Verhandlungen über Änderungen im Kollektivvertrag (KV) für JournalistInnen in die Länge? Antwort und Analyse aus Sicht der Gewerkschaft.

"Journalismus ist kein Gewerbe": Das ist die kurze Antwort auf die eingangs gestellt Frage, weshalb sich die Verhandlungen über Änderungen des JournalistInnen-KV in die Länge ziehen. Die Erläuterung bedarf einer Reise durch die vergangenen 20 Jahre dieser Branche. Ende der 1990er-Jahre haben die Medienhäuser begonnen, Abteilungen in eigene Firmen auszulagern. Während sich im Arbeitsalltag der betroffenen KollegInnen nichts geändert hatte, wurde der rechtliche Rahmen deutlich anders, und damit auch der finanzielle. In der neuen Firma wurden KV angewandt, in denen sich die Tätigkeiten von Medienberufen kaum wiederfanden und die schlechtere Bedingungen boten. Diese KV-Flucht führte auch dazu, dass hierzulande formale Mauern zwischen Print und Online hochgezogen wurden, während in anderen Ländern Online-Journalismus Stück um Stück in die Print-Redaktionen hineingewachsen und zu einem neuen Ganzen verschmolzen ist.

Gleiche Story, verschieden bezahlt

Zugespitzt formuliert: In den Redaktionen sitzen Tisch an Tisch Leute, die möglicherweise an der gleichen Story arbeiten, aber völlig unterschiedlich bezahlt werden. Das führt bis heute zur grotesken Situation, dass sich JournalistInnen, die online publizieren, in einem Gewerbe-KV wiederfinden (für z. B. FußpflegerInnen, Finanzwirtschaft und Abfallwirtschaft verhandelt), einem IT-KV zugeschanzt werden, der für die EntwicklerInnen von Software und SystemadministratorInnen gedacht ist, oder einem für Werbeagenturen geschriebenen Rahmenrecht unterworfen werden. Diese Entscheidung der Verlagshäuser hat nicht nur Barrieren für eine Zusammenarbeit in den jeweiligen eigenen Häusern hochgezogen, sondern auch dem Ansehen des Journalismus geschadet.
Um nicht missverstanden zu werden: All die genannten Berufe sind hoch angesehen und wichtig. Doch wie jede Branche hat auch der Journalismus ein paar ganz spezifische Spielregeln und Erfordernisse. Die stehen eben im KV für JournalistInnen, nicht im Gewerbe-KV, schon gar nicht im KV für die Werbebranche. Wer JournalistInnen in einem Rahmen arbeiten lässt, der für Werbung geschaffen worden ist, trifft damit auch eine klare Aussage über den Stellenwert, der journalistischer Qualität beigemessen wird. Journalismus ist keine Werbung, Journalismus ist kein Gewerbe.

Fairness und Gerechtigkeit

Eine Demokratie ohne unabhängigen Journalismus hat sich selbst aufgegeben. Es ist der Gewerkschaft der Privatangestellten - Druck, Journalismus, Papier (GPA-djp) ein Anliegen solche Tendenzen einzudämmen und für eine gerechte Entlohnung von JournalistInnen zu kämpfen. Es geht nicht nur ums Geld. Es geht um Fairness und Gerechtigkeit, darum, dem Journalismus wieder den Stellenwert zu geben, den er verdient hat, den eine funktionierende Demokratie bitter nötig hat.
Zurück zu den KV-Verhandlungen: Diese waren durch geplante Auslagerungen gleich zu Beginn einer schweren Belastungsprobe ausgesetzt. Der damalige Präsident des Verbandes Österreichischer Zeitungen VÖZ (der zu diesem Zeitpunkt Vorstand des steirischen Medienkonzerns "Styria" war) hat seine Idee zunächst in der "Presse" lancieren wollen: Eine Firma mit dem Namen "Content Engine" sollte als Sammelbecken für JournalistInnen dienen, um Inhalte quasi am Fließband zu produzieren. Ziel war es, mit Medieninhalten Handel zu betreiben. In den Verträgen waren auch Klauseln enthalten, die JournalistInnen Storys wie Fotos völlig aus der Hand nahmen - bis hin zur Möglichkeit, dass die Firma die Inhalte für Werbezwecke verwendet. So "nebenbei" hätte nicht mehr der JournalistInnen-KV angewandt werden sollen, sondern der Gewerbe-KV.
In der "Presse" entschloss sich der Betriebsrat mit Unterstützung der JuristInnen der GPA-djp, diese Frage vom Arbeits- und Sozialgericht klären zu lassen. Daran sollte auch der Versuch des Medienhauses Styria nichts än-dern, kurze Zeit später im "Wirtschaftsblatt" ebenfalls eine "Content Engine" ins Gespräch zu bringen. Quasi zum Drüberstreuen hätten schließlich noch Dutzende JournalistInnen der APA in den Gewerbe-KV verfrachtet werden sollen. Letztlich sollten all diese Anläufe scheitern. Denn: Journalismus ist kein Gewerbe.
Die VerhandlerInnen der JournalistInnengewerkschaft in der GPA-djp sind nicht vom Verhandlungstisch aufgestanden, sondern haben ihre Forderungen präzisiert: KV-Änderungen nur unter der Vorgabe, dass künftig Online-JournalistInnen vom KV erfasst werden müssen und dass die Möglichkeit ausgeschlossen wird, freie MitarbeiterInnen in Redaktionen de facto wie ihre angestellten KollegInnen arbeiten zu lassen, aber nicht annähernd entsprechend zu bezahlen. Insgesamt müsse der Geltungsbereich des KV erweitert werden.
Die Verhandlungen laufen. Ein Erfolg. Die letzte Runde wird dann nicht mehr im Konferenzraum in Szene gehen, sondern in einer Urabstimmung. Die GPA-djp-Mitglieder der Branche werden dabei entscheiden, ob der geänderte KV-Entwurf in Geltung gehen soll. Wenn’s ein fairer Kompromiss ist, wird dies erkennbar sein.  Eine Nagelprobe für einen neuen JournalistInnen-KV ist unter anderem auch der zweite Kollektivvertrag, der beim VÖZ angesiedelt ist und der in monatelangen Verhandlungen mit der GPA-djp verändert wurde: der KV für die kaufmännischen Angestellten in Verlagshäusern. Einzelne Positionen sind für UnternehmerInnen billiger geworden (bestehende Verträge nicht), der Geltungsbereich dafür breiter. Die konkrete Umsetzung wird zeigen, wie breit eine Vertrauensbasis sein kann. Denn die betroffenen Firmen, oft auch die handelnden Personen, sind die gleichen, die auch für die Einhaltung des JournalistInnen-KV verantwortlich sind.
Für einen wirklich tragfähigen Kompromiss zwischen VÖZ und Gewerkschaft wird auch die übrige Begleitmusik entscheidend sein. Eines ist klar: Jede weitere Auslagerung ist ein Torpedo ins Herz der Verhandlungsbemühungen.

Internet:
Weitere Informationen bietet das Handbuch für Freie JournalistInnen, Gratisdownload unter:
www.journalistengewerkschaft.at 
Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin
judith.reitstaetter@gpa-djp.at 
oder die Redaktion
aw@oegb.at 
 

Info&News
Der KV für Angestellte im Handwerk und Gewerbe, in der Dienstleistung, in Information und Consulting regelt rahmen- und gehaltsrechtliche Belange von Angestellten bei OptikerInnen, RauchfangkehrerInnen und vielen anderen Berufsgruppen. Die Regelungen zur Arbeitszeit und Gehaltsentwicklungen wurden speziell für diese Angestellten- und Unternehmensgruppen entwickelt.
Der KV für Angestellte von Unternehmen im Bereich Dienstleistungen in der automatischen Datenverarbeitung und Informationstechnik reguliert seit 2001 die rahmen- und gehaltsrechtlichen Spielregeln der IT-Branche. Der junge KV wird ständig weiterentwickelt und gilt z. B. für SystemadministratorInnen, SoftwareentwicklerInnen und DatenbankanalystInnen. Im KV für Angestellte in Betrieben der Fachgruppe Werbung und Marktkommunikation Wien finden sich Regelungen für Berufsgruppen wie WerbemittelverteilerInnen, PR-BeraterInnen, WerbetexterInnen, MeinungsforscherInnen u. a. m. Der regionale KV gilt nur für Wien. Das kaufmännische (nichtjournalistische) Personal bei Tages- und Wochenzeitungen und deren Online- und Nebenausgaben hat mit 1. Jänner 2012 einen reformierten kaufmännischen KV. Dieser beinhaltet medienspezifische Regelungen wie z. B. Gehaltsentwicklungen über Fünf-Jahres-Sprünge (sog. Quinquennien).
"Journalisten-KV" steht im Regelfall für zwei KV: zum einen der KV für die bei österreichischen Tageszeitungen, zum anderen der KV für die bei österreichischen Wochenzeitungen angestellten RedakteurInnen, RedakteursaspirantInnen und ReporterInnen. Beide KV wurden speziell für journalistische Arbeit entwickelt. Sie beinhalten spezifische Regelungen zu Urheber- und Verwertungsrechten, integrieren Regelungen des Journalistengesetzes und sorgen dafür, dass Meinungsfreiheit und ethische Qualitätsstandards im Journalismus eingehalten werden und eingehalten werden können. Sie verankern für JournalistInnen und HerausgeberInnen gleichermaßen Rechte und Pflichten, um das in der österreichischen Verfassung verankerte Grundrecht auf Pressefreiheit sicherzustellen.
Für freie MitarbeiterInnen sind kollektive Regelungen wie Mindesthonorare für Bild- und Textbeiträge, Kündigungsfristen und zum Urheber- und Werknutzungsrecht in sogenannten Gesamtverträgen festgeschrieben: Gesamtvertrag für ständige freie MitarbeiterInnen bei österreichischen Tageszeitungen und bei österreichischen Wochenzeitungen.

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