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Nur selber denken hilft Der ÖGB stellte dem LeistungsträgerInnen-Bluff die wahren LeistungsträgerInnen gegen-über - eben jene BäckerInnen, Büroangestellten, BauarbeiterInnen etc., die Tag für Tag wichtige Leistungen - und vor allem mehr Steuerleistungen - erbringen.
Buchtipp

Nur selber denken hilft

Schwerpunkt

Wie Sprache uns das Hirn vernebeln kann und mit Wörtern Meinung gemacht wird.

Wir wollen Sie auf die miserable Qualität der politischen Meinungsbildung aufmerksam machen, auf die Tricks der Irreführung und den gezielten, strategisch geplanten Missbrauch Ihrer guten Absichten", so beschreiben die Autoren der deutschen NachDenkSeiten (siehe Kasten) ihre Intention. Mit Worten werden Bilder erzeugt, die zur breiten Meinungsbildung beitragen - und dann ist die "Transparenzdatenbank" wirklich die beste Idee überhaupt, um "Sozialmissbrauch" abzustellen …

Gehirnwäsche, reiner als weiß?

Wie funktioniert diese Gehirnwäsche? Lehrmeisterin ist die Werbebranche, ihre Partnerin die Psychologie: Hört man Dinge nur oft genug, werden Botschaft und AbsenderIn schon irgendwann sitzen. Ein kleiner Selbsttest beweist das: Bestimmt können Sie folgende Slogans mühelos zuordnen: Sie baden gerade Ihre Hände drin (1); Für das Beste im Mann (2); Nicht immer, aber immer öfter (3); So wertvoll wie ein kleines Steak (4); Daham statt Islam (5); Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut (6).1 Einige dieser Slogans sind nicht neu, trotzdem haben sie sich in unsere Gehirne eingebrannt. Der Trick ist, dass sie Bilder und Stimmungen erzeugen, die sofort wieder abrufbar sind. Untersuchungen bestätigen das, zum Beispiel jene von innovation-marketing.at: Bekannte Slogans, auch von länger zurückliegenden Kampagnen, so die Autoren, wurden durchgängig der richtigen Marke zugeordnet. Wurde der Slogan gesungen, wirkte sich das noch stärker auf die Erinnerung aus. Die politische Kommunikation funktioniert nach dem gleichen Prinzip: Je eingängiger der Slogan, je stärker das Bild und die Emotion dazu und je länger der Kampagnen-Zeitraum, umso mehr verinnerlichen die Zielgruppen die Aussagen. Auch abseits von Kampagnen vor Wahlgängen werden in der Politik permanent Slogans und Bilder erzeugt, um die Meinungsbildung zu beeinflussen und so Zustimmung zu bestimmten Vorhaben zu erreichen - den Medien kommt dabei eine wichtige Steigbügelhalterfunktion zu. Einige Beispiele aus der heimischen Innenpolitik zeigen, dass die Waschmaschinen für die Gehirnwäsche in den Turbogang geschaltet wurden. Am Ende des Waschgangs sollen unsere Gehirne frei von der Idee sein, Reichensteuern würden zu mehr sozialer Gerechtigkeit und zu mehr Einnahmen ins Budget beitragen können.

"Erneuern statt besteuern"

Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl verwendet diesen Satz, um gegen neue Steuern, allen voran Vermögenssteuern, zu reden. Die Hauptbotschaft liegt in Teil zwei der Aussage - "statt besteuern". Damit wird suggeriert, Steuern wären etwas Böses und mehr davon abzulehnen. Steuern finanzieren aber praktisch alles in diesem Land: Schulen, Kindergärten, Verkehrswege, die auch die Mitgliedsfirmen der WKO nutzen, sogar Staatsoper und Burgtheater werden mit Steuergeld subventioniert. Will man das alles weiterhin haben, wird es mehr Geld brauchen. Ohne neue oder andere Steuern wird das "Erneuern" also nicht gehen.
Leistungswahn
Mit "Leistung" wird uns ebenfalls systematisch das Gehirn gewaschen: Leistung muss sich lohnen; neue Steuern sind leistungsfeindlich; rauf mit der Leistung, runter mit den Steuern …2 Vor allem die ÖVP sieht sich als Schutzschild der LeistungsträgerInnen. Und wie schützt man die am besten? Man verhindert Vermögenssteuern. LeistungsträgerInnen dürften nicht noch mehr belastet werden, die wandern dann ab, Arbeitsplätze werden vernichtet alles wird fürchterlich. Würde man nach dieser Gehirnwäsche-Kampagne in einer Straßenbefragung wissen wollen: "Wer ist LeistungsträgerIn?" - was käme heraus? Der Bäcker, der um fünf Uhr früh aufsteht, damit auch der Vorstandsvorsitzende sein Jour-Gebäck beim Frühstück hat? Die Kindergärtnerin, die Polizistin, die Kanalräumer? Eher nicht. Was also tun? Das Wort klauen, seinen Sinn neu deuten: Der ÖGB stellte dem LeistungsträgerInnen-Bluff die wahren LeistungsträgerInnen gegenüber - eben jene BäckerInnen, Büroangestellten, BauarbeiterInnen, die Tag für Tag Leistungen - und vor allem mehr Steuerleistungen - erbringen.
Auch beim Mittelstand geht’s ums Steuerthema. Würde man fragen: Zählen Sie sich zum Mittelstand?, die Mehrheit würde "Ja" sagen. Reich ist man nicht, arm auch nicht, oder man sagt es nicht. Mittelstand sind also eh alle, darum eignet sich dieses Wort bestens für Irreführung. Manche behaupten, Mittelstand gäbe es keinen, sondern nur hier: Kapital, da: Arbeit. Die Mittelstands-Diskussion trägt auch dazu bei, Grenzen zu verwischen und Menschen gegen Maßnahmen einzunehmen (Erbschaftssteuer, Vermögenssteuer), von denen sie in drei Leben nicht betroffen sein werden.

Klassenkampf 

Wer Reichensteuern verlangt betreibt "Klassenkampf pur". Das Wort ruft bei jüngeren Menschen wahrscheinlich gar keine Bilder hervor, bei älteren, die noch wissen, was der Kalte Krieg war, wohl keine angenehmen: MarxistInnen, Revolutionen und dann triste Zustände als Folge. Das will natürlich niemand. Warum ist es aber Klassenkampf, eine Reichensteuer zu fordern, flexible (= längere) Arbeitszeiten zu verlangen aber nicht? Und: Wer sagt, dass wir angefangen haben …
Der Sozialstaat kostet Milliarden. Stimmt. Aber was tut der Sozialstaat? Neben der Sicherung von Sozialsystemen, Bildung und der Wahrung des sozialen Friedens sponsert der Sozialstaat z. B. die Staatsoper. Bankenrettungspakete sind ebenso sozialstaatliche Leistungen. Der Sozialstaat wird aber von denen, die ihn abbauen möchten, gerne auf das bloße Auszahlen von Unterstützungen reduziert. Und hier haben MedienkonsumentInnen gelernt, dass es so viel Missbrauch gibt, dass so viele in der sozialen Hängematte liegen und nichts leisten - denen kann man ruhig was streichen. Ist es aber nicht umgekehrt? Liegen nicht die Reichen, die viel zu wenig Steuern zahlen, vom Sozialstaat aber enorm profitieren, in der Hängematte?
"Schuldenbremse", ein Import aus Deutschland. Klingt auf den ersten Blick gut: Niemand hat gerne Schulden. PolitikerInnen nennen sie auch gerne Ausgabenbremse. Was heißt weniger Ausgaben für einen Staat? Er muss Leistungen für Menschen streichen: vielleicht Pflegegeld oder Mindestsicherung, vielleicht Heizkostenzuschüsse. Schulden zu bremsen ist auch für den Staat wichtig, damit er seine Aufgaben erfüllen kann. Er hat aber natürlich auch die Möglichkeit, statt einer Schuldenbremse einen Einnahmen-Turbo zu beschließen. Neue Arbeitsplätze schaffen, das stärkt Kaufkraft, verringert Sozialausgaben, erhöht Steuereinnahmen - und bremst Schulden.

Gegen die Schöpfer

Was hilft gegen die strategisch gesteuerte Gehirnwäsche, wie kommen wir dagegen an? Genau zuhören, genau schauen, wer was sagt. Hirn einschalten, selber denken, und nicht den Schlagzeilen im Boulevard in die Falle gehen, die uns von Pleite-Griechen erzählen. Ein Blick auf die deutschen NachDenkSeiten öffnet das Denken. Unter "Strategien der Meinungsmache" wird anhand vieler Beispiele gezeigt, wie man versucht, unser Denken zu beeinflussen. Das zu erkennen und die Wortschöpfungen gegen ihre SchöpferInnen zu kehren - wie bei "Kapitalschmarotzer" - ist schon ein großer Schritt gegen das Gehirnwäscheprogramm, das derzeit allerorten läuft.

Internet:
Weitere Informationen:
www.univie.ac.at/tmb
www.kobuk.at 
Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin
nani.kauer@oegb.at 
oder die Redaktion
aw@oegb.at 

1 1: Palmolive, 2: Gillette, 3: Clausthaler, 4: Fruchtzwerge, 5: FPÖ-Strache; 6: Wirtschaftskammer.
2 alle Leistungs-Zitate aus OTS-Presseaussendungen der ÖVP nach einer Klausur des Parlamentsklubs im Oktober 2011

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