topimage
Arbeit&Wirtschaft
Arbeit & Wirtschaft
Arbeit&Wirtschaft - das magazin!
Blog
Facebook
Twitter
Suche
Abonnement
http://www.arbeiterkammer.at/
http://www.oegb.at/
Wörter können wehtun Negerkuss, Zigeunerschnitzel, Schwarzarbeit - manche Wörter sind eindeutig, manche weniger offensichtlich mit der Diskriminierung einer Minderheit verbunden.

Wörter können wehtun

Schwerpunkt

Sprache ist mächtig - sie formt Gedanken und Bilder. Das wissen und nutzen auch junge RapperInnen mit migrantischem Hintergrund.

Negerkuss, Zigeunerschnitzel, Schwarzarbeit - manche Wörter sind eindeutig, manche weniger offensichtlich mit der Diskriminierung einer Minderheit verbunden. Aber wie wichtig ist die antirassistische Sprachkritik für Menschen, die mit Sprache arbeiten, selbst MigrantInnen sind oder gegen Rassismus auftreten? Wie weit darf ein/e KünstlerIn gehen, und was ist zu viel? Wenn Sprache aber auch hilft, mit Themen wie Rassismus, Sexismus oder Homophobie satirisch umzugehen, wie es besonders in textorientierter Rap-Musik der Fall ist, ist dann alles erlaubt, was "Spaß" macht?

Zu hart für den Index

Massimo ist Rapper in Berlin und in der Live-Produktion der Berliner Hip-Hop-Formation K.I.Z. tätig. Er selbst und die Band nehmen kein Blatt vor den Mund. So kann es sogar passieren, dass K.I.Z. immer wieder für Erklärungsnot bei der BPJM, der Deutschen Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien, sorgt. Um nicht auf den Index zu kommen, muss hier bewiesen werden, dass die vermeintlich sexistischen, rassistischen oder homophoben Äußerungen ironisch gemeint sind.
Auch für Massimo gibt es kaum Tabus. Denn Lachen entkräftet die harten Aussagen und schafft es, ernste Themen in ein anderes Licht zu rücken und auf die Realität aufmerksam zu machen. "Das Augenzwinkern kann man heraushören!", meint der Deutsche mit dem ägyptischen Vater. Seinen schwarzen Freund Tarek von K.I.Z. mit "Neger" anzusprechen würde ihm jedoch nie einfallen. "Jemanden persönlich anzugreifen" wäre für ihn die Grenze der sprachlichen Freiheit, allgemeine Aussagen dürfen auch schon mal den Major-Labels nicht gefallen. Denn künstlerische Freiheit muss es doch geben. Auch wenn besonders in der amerikanischen, aber auch in der deutschen Hip-Hop-Szene in manchen Kreisen das "N-Wort" gang und gebe ist, treten doch auch einige dagegen auf. Aber selbst das harmloser klingende "Farbiger" kann Diskussionen hervorrufen. Sprachkritisch betrachtet könnte man argumentieren, dass "Weiße" doch auch "Farbe" hätten.

"Straight outta Kärnten"

Dass die Truppe um K.I.Z. rechtes Gedankengut verbreite, klingt sowieso absurd, sieht man das politische Engagement von Mitgliedern der Band. Nico und Maxim kandidierten schon für die Wahl der Bundesversammlung in Berlin für Die PARTEI des "Politclowns" Martin Sonneborns. Regelmäßig sieht man auch auf ihren Konzerten Anti-Faschismus-Flaggen der Fans gehisst. Mit ihrem kritischen Jörg-Haider-Trauerlied "Straight outta Kärnten" zeigen sie, dass K.I.Z. auch für österreichische Politik ein offenes Ohr haben. Auch homophob ist die Band keinesfalls. Im Hip-Hop ist das Thema ein Tabu, aber mit einem Männerkuss in "Geld essen" geht die Band provozierend mit der Diskriminierung um. "Das Wort Schwuchtel wird gebraucht, ist aber keinesfalls sexuell diskriminierend gemeint!", so Massimo. Genauso wie die Tatsache, dass im Management der Band ein sehr ausgeglichenes Frauen- und Männerverhältnis herrscht, ein gutes Argument gegen vermeintlich sexistische Aussagen ist.

"Machen Integration!"

Sprache kann auf viele Arten Vorurteile ausdrücken. Nicht nur rassistische Wörter oder Redewendungen können Ausdruck von Alltagsrassismus sein. Auch das vorschnelle Du-Wort oder grammatikalisch falsche Sätze zeigen Betroffenen, welche sprachliche Kompetenz und welchen Platz in der sozialen Hierarchie sein/ihr Gegenüber annimmt. Für die deutschsprachige Meisterin im Poetry-Slam, Yasmo, liegt die sprachliche Diskriminierung in der Grammatik. Ihr Papa, in den 90ern aus Tunesien nach Wien gekommen und Unternehmer, spaßt oft ironisch "Machen Integration!" über die absurden Ausdrucksweisen gegenüber MigrantInnen. Warum manchen Menschen unterstellt wird, die deutsche Sprache nicht zu beherrschen, weil sie anders aussehen, versteht die 21-Jährige nicht. Selbst wenn es so ist, sollte man ihnen mit richtigen Sätzen die Möglichkeit geben, die Sprache zu erlernen.
Die Möglichkeit, die deutsche Sprache zu erlernen, sei in Österreich oft gar nicht so gegeben, erzählt Yasmo. Sprachkurse geben nicht die dauerhafte Begleitung beim Erlernen, wie es sein sollte, und knallharte Selbstdisziplin muss man dabei schon mitbringen, um zum gewünschten Erfolg zu gelangen. Denn viele Fremdsprachler würden sich, trotz abgeschlossenem staatlichem Deutschkurs, auf die Grundlagen des Deutschen beschränken. Was nicht am Engagement der Beteiligten läge, sondern an der Kürze der Kurse. So habe Yasmos Cousin, vor fünf Jahren aus Tunesien nach Deutschland gekommen, eine viel umfassendere Deutschausbildung genossen als ihre Stiefmutter in Österreich.

Unterschiede sind da und gut so

Die Rapperin und Poetin möchte die Realität auch nicht schönreden: "Unterschiede sind da und sind toll und gut so", und man sollte auch darüber sprechen. Generell sind daher für Yasmo kaum Redewendungen oder Wörter tabu, auch wenn sie diskriminierend wirken, jedoch muss man zu der Aussage stehen können, meint Yasmo.
Der Inhalt der Aussage und der Kontext sind immer noch am wichtigsten, die Kompetenz der Hörerschaft Satire zu erkennen, wird in der Szene vorausgesetzt. Manche Menschen leben jedoch "ohne Selbstbildung mit ihrer Kronenzeitung glücklich", und das ist schade, denn "manche Ideologien hätten mit nur ein bisschen Reflexion gar nicht überzeugen können".
Yasmo wird von ihrem Publikum verstanden, man weiß, wie sie es meint und reduziert sie nicht auf einzelne aus dem Zusammenhang gerissene Aussagen. Feminismus beginnt auch nicht in überkorrekter Sprache, sondern in der Realität. Wenn sie "Bitch" sagt, können beide Geschlechter gemeint sein, "Männer und Frauen sind bei mir 100 Prozent gleichberechtigt".
Kid Pex macht österreichisch-kroatischen Rap. Er erklärt, dass "Tschusch", das urwienerische Wort für Kroaten, Serben und Bosnier, gar keinen bösen Ursprung hat. Denn uješ (Hörst du mich?) kommt vom klassischen Gastarbeiter des ehemaligen Jugoslawiens, von der Baustelle, und wird noch immer jeden Tag verwendet. Es wird nicht verschwinden, und ohne es zu glorifizieren, möchte Kid Pex dieses vermeintlich abfällige Wort annehmen und "feiern". Denn "der Tschusch hat’s geschafft", kann er stolz sagen.
Mit "Gastarbeiterlife" war der "Tschuschenspitter" schon auf Platz 54 der österreichischen Long-Player-Charts. In anderen Kunstformen hätte er vielleicht nicht den Mut zu dieser Ironie. Hip-Hop ist doch sehr offen und ehrlich, meint er. Vielleicht ist die lange Tradition des "Dissens", des verbalen Beschimpfens des Konkurrenten, im Hip-Hop eine sprachliche Möglichkeit und ein Anlass, über den Ursprung der Wörter und deren Interpretation nachzudenken.
Unterschiedliche Methoden des "Songschreibens" bringen aber jeden/jede der drei RapperInnen zu einem Schluss: Der Inhalt der Aussage ist entscheidend, und das muss man vertreten können. Wenn aber Textzeilen aus dem Biotop des Hip-Hop ins kommerzielle Scheinwerferlicht treten, kann auch ein verzerrtes Bild entstehen.

Balkan-Konzerte und "Ich bin Wien"

Medienecho hat der "Tschusch" Kid Pex durch seine Provokation auf jeden Fall bekommen. Obwohl es oft auf den "Aufhänger" beschränkt blieb und "Ernstes nicht wahrgenommen worden ist", lässt sich Kid Pex nicht entmutigen. Vielleicht will er deshalb nach dem Erfolg seines Songs mit dem serbischen Rapper Juice mehr Konzerte am Balkan geben. Obwohl, ein Gastspiel beim nächsten SPÖ-Wien-Sampler "Ich bin Wien" gibts dann doch noch.

Internet:
Yasmo auf myspace:
www.myspace.com/yasmomc 
K.I.Z.:
www.k-i-z.com 
Kid Pex auf myspace:
www.myspace.com/kidpex 
Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin
h0701971@wu.ac.at 
oder die Redaktion
aw@oegb.at 

Artikel weiterempfehlen

Kommentar verfassen

Teilen |

(C) AK und ÖGB

Impressum