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Mehr Meer - weniger Fisch? Etwa 10.000 Mio. Tonnen Plastik gelangen jährlich in die Meere. Laut einer UNO-Studie treiben bis zu 18.000 Plastikteile in jedem Quadratkilometer Weltozean. Jede PET-Flasche und jede Einwegwindel braucht 450 Jahre, bevor sie im Meer "verschwunden" ist.

Mehr Meer - weniger Fisch?

Schwerpunkt

Der Klimawandel lässt den Meeresspiegel steigen, durch Überfischung und Umweltverschmutzung gibts weniger Seefisch am Tisch.

Das Meer. Sinnbild von allen möglichen Klischees oder tatsächlichen Wünschen: Erholung, Ruhe, Freiheit, Ursprung des Lebens usw. Aber auch: Gefahr, Unheimlichkeit, Ebbe, Flut, Tsunami oder Seenot usw. Der Begriff und das wirkliche Meer bringen Ängste und Sehnsüchte zugleich hervor. Meere bedecken drei Viertel der Erdoberfläche und enthalten rund 90 Prozent des gesamten Wassers unseres Planeten. Mehr als die Hälfte des weltweit verfügbaren Sauerstoffs werden von einzelligen Meeresalgen produziert. Schätzungsweise 250.000 Arten leben im Meer.
Doch das Meer ist in Seenot. Umweltverschmutzung wie etwa Plastik- und Ölverschmutzung, radioaktive Verseuchung oder unzählige Handelsschiffe und Tanker machen den Ozeanen schwer zu schaffen.  Und die Flüsse tragen neben unserem Müll auch Düngemittel aus der Landwirtschaft und ungeklärte Abwässer in die Ozeane.
Etwa 10.000 Millionen Tonnen langlebiges Plastik gelangen jährlich in die Meere. Laut einer UNO-Studie treiben bis zu 18.000 Plastikteile in jedem Quadratkilometer Weltozean. Jede PET-Flasche und jede Einwegwindel braucht 450 Jahre, bevor sie im Meer "verschwunden" ist. Im Nordostpazifik treibt ein gigantischer Müllteppich von der Größe Mitteleuropas bestehend aus drei Millionen Tonnen Wegwerfgegenständen (www.plastic-planet.at).
Die jüngste Studie des Internationalen Ozeanprogramms (IPSO) warnt vor einem beispiellosen Artensterben. Grund dafür sei die Wechselwirkung von Überfischung, Umweltverschmutzung und Klimawandel, die bisher in diesem Ausmaß nicht wahrgenommen worden sei. Es bestehe nun ein hohes Risiko, dass für das Leben in den Ozeanen nun eine Phase des Massensterbens beginne, wird der IPSO-Leiter, Alex Rogers, von der BBC zitiert. Allein die CO2-Konzentration in den Ozeanen sei derzeit bereits höher als beim letzten großen Artensterben vor 55 Millionen Jahren, als fast die Hälfte der Tiefseetiere verschwand. Dazu kämen weitere Auswirkungen, etwa der Umstand, dass sich chemische Stoffe sogar schon im Polarmeer finden (www.stateoftheocean.org).

Problem Überfischung

Hochgerüstete Fangflotten rotten die Fischbestände aus, sodass viele Fische gar nicht mehr alt genug werden, um sich vermehren zu können. Die kommerziell genutzten Fischbestände der Meere sind in einem bedrohlichen Zustand. Laut der UNO-Welternährungsorganisation FAO sind 52 Prozent bis an die Grenze genutzt, 19 Prozent überfischt und acht Prozent bereits erschöpft. Auch für die Fischbestände der EU sieht es nicht besser aus: 88 Prozent dieser Bestände sind überfischt. 90 Prozent der beliebtesten Fischarten wie Dorsch, Schwertfisch, Heilbutt und Thunfisch sind bereits aus den Meeren verschwunden.
Damit ist auch eine weltweit wich tige Erwerbs- und Ernährungsquelle der Menschen in Gefahr: Fast die Hälfte der Weltbevölkerung lebt in Küstennähe und hat damit Fisch zur wichtigsten Lebensgrundlage.
Wer ist vor allem Schuld an der Überfischung? Laut FAO sind 60 Prozent aller Fischerboote weltweit so klein, dass sie nicht einmal eine Kajüte besitzen. Umgekehrt machte ein Prozent der Fangflotten 50 Prozent der Beute! Das sind schwimmende Fischfabriken. Sie gehören den Industrienationen und sind perfekt ausgerüstet und orten jeden Fischschwarm. Das größte dieser Superschiffe ist die "Atlantic Dawn" mit 144 Meter Länge und 7.000 Tonnen Ladekapazität. In australischen oder EU-Hoheitsgewässern sind solche monströsen Fischfabriken bereits verboten. Um Einnahmen zu haben, verkaufen die armen Länder aber ihre Fischereirechte an reiche Länder, was die maßlose Ausbeutung der Meere zu Geschäftszwecken verschärft. Ca. ein Drittel des weltweiten Fischfangs wird illegal an Land gebracht. Jeder vierte Fisch auf den Tellern stammt aus dieser sogenannten Piratenfischerei, wobei diese in Zukunft noch zunehmen dürfte. Um die Überfischung zu beenden, müssten die Fischfangflotten insgesamt um die Hälfte reduziert werden.

Ungenutzter Beifang

40 Prozent des weltweiten Fischfangs gehen als unerwünschter "Beifang" ungenutzt, meist tot wieder über Bord - darunter Jungfische, Schildkröten oder Seevögel, weiß Antje Helms von Greenpeace. Jedes Jahr kommen dabei 300.000 Wale und Delfine ums Leben. Rekordhalter der massenhaften Verschwendung sind Schollen- und Shrimpsfischerei: Hier sterben fünf bis zehn Kilogramm andere Meerestiere pro Kilogramm Fang. In der Tiefsee zerstören tonnenschwere Grundschleppnetze Kaltwasser-Korallenriffe, die über Tausende von Jahren entstanden sind und nach der menschlichen Zeitskala unwiederbringlich verloren sind. Die Fische, die dabei in Tiefen bis 1.800 Meter gefangen werden, finden wir in unseren Supermärkten wieder: Hoki, Rotbarsch usw.
Obwohl es weniger natürlichen Wildfisch gibt, landet immer mehr Fisch in den Regalen der Supermärkte und am Tisch. Des Rätsels Lösung: Aquakulturen. Das ist Massen-Fischzucht in Käfigen und Becken unter Wasser. Das hat auch entsprechende negative Umweltauswirkungen: Futterreste und Medikamente vergiften Gewässer, Krankheitserreger aus den engen Käfigen gefährden Wildbestände.

Fischmehl als Tierfutter

Aber auch Gen-Fische sollen schnellen Gewinn verschaffen. Z. B. ein Gen-Lachs aus den USA, der durch ein Wachstumshormon schon in der Hälfte der Zeit eines natürlichen Lachses ausgewachsen wäre. "Kleiner" Nachteil: Gelangen nur 60 gentechnisch veränderte Lachse in die freie Wildbahn, könnte dies eine natürliche Population von 60.000 Lachsen in weniger als 40 Fischgenerationen auslöschen", warnte Eric Hoffman von "Friends of the Earth". Zuletzt hatten die USA die Zulassung (noch) verweigert. Doch es ginge auch anders: Um die Menschen mit dem Lebensmittel Fisch zu versorgen, wäre nur ein Bruchteil dessen nötig, was aus dem Meer geholt wird. Der Fischfang ist aber auch für andere Industrien ein profitables Geschäft. Ein großer Teil des weltweiten Fischfangs landet etwa als Fischmehl im Schweine- oder Hühnerfutter oder als Fischfutter in Fischfarmen.

Nachhaltige Fischerei

Um Vielfalt und Fischfang zu retten, schlagen Meeres-ExpertInnen vor, entsprechende Meeres-Schutzgebiete einzurichten, die frei von jeglicher Nutzung sind. Was an Land schon zum Teil möglich ist - 18 Prozent der Flächen sind geschützt - sollte auch auf die Ozeane angewendet werden, wo erst ein Prozent als geschützt gilt. Laut Greenpeace sollten mindestens 40 Prozent der Meere unter Schutz gestellt werden. Die Meere könnten sich so erholen und in den erlaubten Fanggebieten würde sich bei ökologischem Fischfang der Nutzfischbestand sogar vermehren.
Der "Marin Stewardship Council" (MSC) bietet Umweltstandards für nachhaltige Fischerei. Seine Prinzipien: Schutz der Bestände, minimale Auswirkungen auf das Ökosystem, effektives Management (www.msc.org)
Von der Welternährungsorganisation FAO wurde ein Leitfaden für eine verantwortungsbewusste Fischerei formuliert. Er wurde 2002 von den Regierungen weltweit mit dem Ziel verabschiedet, ihn bis 2015 umzusetzen.
Für den individuellen Einkauf hat Greenpeace einen "Fischratgeber" erarbeitet, der online abrufbar ist. Zudem veröffentlicht Greenpeace Deutschland alljährlich den Fischeinkaufsführer "Fisch & Facts". Der jüngste, "Supermärkte im Vergleich IV", kommt zu folgenden Ergebnissen: sieben von elf Supermarkt-Ketten haben einen schlechten Standard erreicht, keine einzige einen guten.
Im Detail: Aldi (Hofer) Nord und Kaiser‘s Tengelmann (Zielpunkt) landeten in der Kategorie, die dringenden Handlungsbedarf erfordert. Die Metro Group erhielt mit 31 Prozent das schlechteste Ergebnis. Metro ist zudem das einzige Unternehmen, das nur für eine seiner Vertriebslinien - Real - eine Einkaufsrichtlinie erstellt hat, während für die Metro Group und Metro Cash&Carry derzeit keine solche vorhanden ist. Deutlich zeigt der Überblick auch, dass sieben der elf Unternehmen die Inhalte ihrer Einkaufsrichtlinien dringend verbessern müssen. In der Umsetzung gilt für Netto (Stavenhagen), Aldi Süd, Aldi Nord und Kaiser‘s Tengelmann dringender Handlungsbedarf.

Internet:
Mehr Infos unter:
www.greenpeace.at 
www.greenpeace.de
www.fao.org 
www.stateoftheocean.org 
www.msc.org 
Schreiben Sie Ihre Meinung  an den Autor
w.leisch@aon.at 
oder die Redaktion
aw@oegb.at 

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