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Der Kaffee macht’s So haben in den vergangenen Jahren auch Herr und Frau Österreicher ihre Filter maschinen durch moderne Vollautomaten, Kapseln oder Pads ersetzt.
Buchtipp

Der Kaffee macht’s

Schwerpunkt

Die braune Bohne hat es vom einstigen Luxusgut zum zweitwichtigsten Rohstoff nach dem Erdöl gebracht.

Er bringt ganze Länder in Schwung und ist die letzte noch erlaubte Droge in vielen Büros: Kein Wunder, dass Kaffee der zweitwichtigste Rohstoff nach dem Erdöl ist. Die skandinavischen Länder und dort besonders die Finnen leisten dazu einen nicht unerheblichen Beitrag: Mit einem Pro-Kopf-Verbrauch von fast zwölf Kilogramm Kaffee jährlich ist Finnland Weltmeister. Das belebende Heißgetränk ist dort - obwohl es erst seit 1822 dauerhaft legal ist - fast allgegenwärtig. So findet man etwa in vielen Supermärkten auf kleinen Tischen zwischen den Regalen fertig aufgebrühten (Gratis-)Kaffee für den Koffein-Kick zwischendurch. Manche Firmen genehmigen ihren Angestellten zusätzlich zur Mittagspause 15 Minuten für den Kaffeegenuss.

Kaffeetrinken mit Clooney

Die Wirtschaftskrise hat der Beliebtheit von Espresso, Capuccino & Co. nicht geschadet, lediglich ein leichter Trend zu den billigeren Eigenmarken war zu beobachten. Kaffee zählt längst nicht mehr zu den Luxusgütern, und die Weltmarktpreise sind nach wie vor verhältnismäßig niedrig. So haben in den vergangenen Jahren auch Herr und Frau Österreicher (Jahresverbrauch durchschnittlich 9,6 kg Kaffee) ihre Filtermaschinen durch moderne Vollautomaten, Kapseln oder Pads ersetzt. Nestlé verzeichnet mit seinen bunten Kapseln nach wie vor zweistellige Wachstumsraten. Der 1866 gegründete Schweizer Nahrungsmittelkonzern hat mit dieser Erfindung nicht nur den Markt gründlich aufgemischt, sondern auch einen erstaunlichen Imagewandel geschafft. Schließlich haftete dem 1938 entwickelten löslichen Kaffee Jahrzehnte hindurch eher der Geruch des billigen Ersatzes an. Mit großem Marketing- und Werbeaufwand hat der größte Nahrungsmittelkonzern der Welt seine neue Erfindung zu wahren Kultobjekten hochstilisiert - inklusive edel gestylter Nespresso-Boutiquen, fantasievollen Kapsel-Namen, die an teure Weine erinnern und last but not least mit George Clooney als Testimonial. Da es immer wieder Kritik an der Umweltbelastung durch die Alukapseln gab - derzeit rund fünf Mrd. jährlich - wurde vor rund zwei Jahren (in Österreich gemeinsam mit der ARA) ein Recyclingprogramm eingeführt.

Quoten gegen Preisverfall

1962 wurde auf Anregung der UNO die International Coffee Organization (ICO) gegründet, die im Rahmen von internationalen Abkommen (ICA) den Kaffee-Weltmarkt zwischen Produzenten- und Konsumentenländern regulieren sollte. Das letzte derartige Abkommen (ICA 2007), wo unter anderem Nachhaltigkeit ein wichtiges Thema ist, trat im Februar 2011 in Kraft. Im ersten ICA 1962 wurden für jedes kaffeeproduzierende Land Quoten festgelegt, um Überproduktion und Preisverfall zu vermeiden. Während des Kalten Krieges hatten die USA die Abkommen unterstützt, um zu verhindern, dass sich verarmte und unzufriedene Kaffeebauern kommunistischen Bewegungen anschließen. Nach dem Ende des Kalten Krieges verlor das Abkommen jedoch diesen Nebeneffekt, die USA verließen (vorübergehend) die ICO. Bereits zuvor war das Abkommen durch heftiges Feilschen um die Quotenverteilung geschwächt. 1989 wurde es suspendiert, jedes Land durfte nun beliebig viel Kaffee produzieren und exportieren.
Bis in die 1990er-Jahre waren Brasilien, Kolumbien und Indonesien die größten der insgesamt mehr als 70 Produktionsländer. Dann begann die Weltbank, den Kaffeeanbau vor allem in Vietnam zu fördern. Mit den Erlösen aus dem Kaffeeexport sollte das Land seine Auslandsschulden begleichen. Regenwälder wurden gerodet und zum Teil Ureinwohner vertrieben, um Kaffeeplantagen anzulegen. So avancierte Vietnam bis 1999 zum zweitgrößten Kaffeeproduzenten hinter Brasilien. Dollarbäume nannten die Vietnamesen eine Zeit lang die Kaffeesträucher. Gleichzeitig begann man auch in Brasilien den Kaffee, der traditionell auf eher schwer zugänglichen, höher gelegenen und schattigen Anbauflächen von Kleinbauern kultiviert wurde, in riesigen Plantagen im Flachland anzubauen, wo Maschinen die Ernte deutlich erleichterten. So wurde bald mehr Kaffee produziert als verbraucht, während der Kaffeekrise Ende der 1990er-Jahre sanken die Weltmarktpreise mehrere Jahre hindurch drastisch. Durch den Preisverfall um bis zu 70 Prozent verloren zahllose Kleinbauern ihre Existenzgrundlage - und mitunter sogar ihr Leben.
Auch Nestlé wurde unter anderem vorgeworfen, nicht genug für die in ihrer Existenz bedrohten, hungernden Kaffeebauern getan zu haben. Nicht zuletzt deshalb arbeitet der Konzern seit einigen Jahren mit der Rainforest Alliance zusammen und plant, den Anteil an zertifiziertem Kaffee zu erhöhen. Die Umweltschutzorganisation mit dem Frosch-Gütezeichen gilt allerdings als eher indus trie nah und Gehilfe beim plötzlichen "Ergrünen" von Großkonzernen.

Kaffee & Kinderarbeit

125 Mio. Menschen verdienen mit Kaffee ihren Lebensunterhalt, darunter sind nach wie vor Hunderttausende Kinder. Für viele arme Familien ist dies der einzige Weg, um zu überleben. Bei fair gehandeltem Kaffee wird den Kooperativen der Kaffeebauern ein fixer Mindestpreis garantiert, der in der Regel über dem Weltmarktpreis liegt, Zwangs- und illegale Kinderarbeit sind verboten. Obwohl heute FAIRTRADE-Kaffee in immer mehr Supermärkten, Cafés und Restaurants, ja sogar in zahlreichen Kaffeeautomaten in Spitälern, Behörden und Büros erhältlich ist, hat der Marktanteil von fair gehandeltem Kaffee die Drei-Prozent-Hürde noch nicht überschritten. Immerhin steigen die Verkaufszahlen seit der Gründung von TransFair Österreich 1993 (seit 2002 FAIRTRADE) kontinuierlich: 2010 wurden 1.392 Tonnen Kaffee verkauft, das bedeutet ein Plus von 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr, der Bioanteil betrug 80 Prozent.

Der Inhalt zählt

Wie sehr eine Tasse Kaffee die Umwelt belastet, hängt im Übrigen mehr von der gewählten Kaffeesorte/-marke als von der Zubereitungsform ab. Zu diesem Schluss kamen kürzlich die Forscher der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa). Sie verglichen die verschiedenen Zubereitungsarten von Kaffee sowie die Verpackungsmethoden, erstellten eine vereinfachte Ökobilanz gängiger Kaffeesorten etc. Entscheidend für die Ökobilanz ist die Umweltbelastung durch die Landwirtschaft bei Kaffeeanbau und -veredelung. Und diese fällt umso negativer aus, je mehr Pestizide, Düngemittel und Maschinen (elektrische Trocknung statt durch die Sonne, Traktoren etc.) verwendet werden.
Stoff für Kritik liefert die Kaffeeindustrie auch in anderer Hinsicht, Starbucks etwa wurde unter anderem von Naomi Klein und Günter Wallraff wegen menschenunwürdiger Arbeitsbedingungen angeprangert. Auch Verurteilungen wegen Preisabsprachen sind in der Branche keine Seltenheit. Zuletzt brummte das deutsche Bundeskartellamt acht Kaffeeproduzenten rund 30 Mio. Euro Bußgeld für Preisabsprachen auf. Nach Angaben des Kartellamts stimmten die Kaffeeröster mehrere Jahre hindurch in einem eigenen Arbeitskreis des Deutschen Kaffeeverbands Preiserhöhungen und teils auch -senkungen für Röstkaffee ab.
Da Kaffee zu den Genussmitteln zählt, noch einige Details dazu: Der (kos tengünstigere) Anbau auf Großplantagen in sonnigen Lagen hat die Qualität der Kaffeebohnen keineswegs verbessert. Nur im Schatten können diese ausreichend lang reifen. Für die Pflanzung im sonnigen Flachland sind nur die widerstandsfähigeren, ertragreicheren und schnellwüchsigeren Robusta-Bohnen geeignet. Diese Sorten sind für Kapseln und Pads gut geeignet und sorgen in Espressomischungen auch für die Crema. Die hochwertigen und teureren Arabica-Bohnen (Hochlandkaffees) stammen ursprünglich aus Äthiopien, enthalten mehr Kaffeeöle, aber weniger Koffein und Säure als die Sorte Robusta. Kaffee enthält mehr als 700 verschiedene flüchtige Aromastoffe, manche sind bis heute noch nicht genau identifiziert.

Internet:
PRO-GE - Kaffeemittelindustrie
tinyurl.com/6gon7w5
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