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Lebenselixier Wasser Laut UNO braucht ein Mensch zum Überleben am Tag 20-30 Liter sauberes Wasser - zum Trinken, Kochen und Waschen. Im Vergleich zu unserem Wasserverbrauch klingt das wie der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein.
Buchtipp

Lebenselixier Wasser

Schwerpunkt

Sauberes Wasser ist Voraussetzung für Gesundheit und Entwicklung und die Grundlage aller Menschenrechte.

Eine Badewanne enthält im Schnitt 151 Liter Wasser. Genauer 151 Liter sauberes Trinkwasser. Laut UNO braucht ein Mensch zum Überleben am Tag 20-30 Liter sauberes Wasser - zum Trinken, Kochen und Waschen. Im Vergleich zu unserem Wasserverbrauch klingt das wie der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein. Doch für viele Menschen ist selbst diese geringe Menge sauberen Wassers nicht verfügbar. Vielmehr hat jeder 6. Mensch weltweit überhaupt keinen Zugang zu sauberem (Trink-)Wasser.

Wasserschleppen statt Schule

Eine unmittelbare Folge dieser Verknappung von sauberem Wasser ist, dass Durchfall weltweit die häufigste Krankheit ist. In den vergangenen zehn Jahren hat der Durchfall mehr Kinder auf dem Gewissen, als Soldaten im gesamten 2. Weltkrieg starben. Besonders dramatisch ist diese Situation in Afrika südlich der Sahara. Dort hat nur etwa die Hälfte der Bevölkerung Zugang zu sauberem Trinkwasser. Gleichzeitig müssen etwa zwölf Prozent des Gesundheitsbudgets für die Behandlung von Durchfall verwendet werden. An einem durchschnittlichen Tag im Krankenhaus wird etwa die Hälfte der Betten von  PatientInnen mit Durchfallerkrankungen belegt.
Der Mangel an Wasser hat aber nicht nur gesundheitliche Folgen. Er hemmt auch die Entwicklung und hält die Menschen in Armut. Die durchschnittliche Fußdistanz, die Frauen und Kinder in Afrika und Asien zurücklegen, um ihre Familie mit Wasser zu versorgen, beträgt pro Tag etwa sechs Kilometer. Für Mio. von Kindern bedeutet das, dass sie Zeit, die sie eigentlich in der Schule verbringen sollten, für das Wasserschleppen brauchen. Insgesamt werden jedes Jahr in Afrika 40 Mio. Stunden fürs Wasserschleppen verschwendet. Welch eine Verschwendung nicht nur für die einzelnen Betroffenen, sondern auch für die gesamte Volkswirtschaft. Dabei ließen sich mit etwas gutem Willen relativ leicht Verbesserungen bei der Wasserversorgung erzielen. Erfolgversprechend ist etwa das großflächige Sammeln, Speichern und Klären von Regenwasser, das sich selbst in extrem trockenen Gegenden bewährt. Was hier fehlt sind nicht die Möglichkeiten, sondern der politische Wille und die finanziellen Mittel zur Umsetzung.

Menschenrecht mit Stimmenthaltung

Wasser ist aber nicht nur Grundvoraussetzung für Gesundheit und Entwicklung. Es ist auch ein Menschenrecht. Das bestätigte im Sommer 2010 auch die Generalversammlung der UNO in einer Resolution, die ohne Gegenstimmen angenommen wurde. Mehr als 40 Länder enthielten sich jedoch der Stimme - unter anderem die USA, Kanada, Großbritannien, aber auch Österreich, außerdem eine Reihe von Ländern, die ihre Wasserversorgung bereits weitgehend privatisiert haben, wie Australien und Neuseeland. Kein Wunder, dass diese Länder Probleme haben der Resolution zuzustimmen. Denn erklärt man die Wasserversorgung erst offiziell zu einem Menschenrecht und nimmt das auch ernst, dann dürfte man Wasser eigentlich nicht mehr gewinnorientiert handeln. Und das stünde auch in einem klaren Widerspruch zur Privatisierungsstrategie vieler Staaten. Dabei ist die Grenze zwischen privaten und öffentlichen Wasserversorgungssystemen gar nicht so einfach zu ziehen. Denn in vielen Staaten wird die Wasserversorgung teils von privaten Unternehmen, teils von der öffentlichen Hand erbracht. Auch in vielen Ländern des globalen Südens existiert eine solche Aufteilung. Sehr häufig werden dabei die Wohngegenden der Mittel- und Oberschicht von staatlichen Wasserleitungen zu moderaten Preisen versorgt, während die Wohnbezirke der Unterschicht mit Tanklastern privater Wasserfirmen beliefert werden, zu Preisen, die ein Vielfaches der Kosten für Leitungswasser ausmachen.
In den vergangenen Jahren ist die Diskussion über Privat versus Staat bei der Wasserversorgung um einen neuen Aspekt bereichert worden. Steigender Verbrauch und Angst vor der Endlichkeit der Wasserreserven haben die Sympathien für einen markwirtschaftlichen Zugang zur Wasserversorgung bei vielen umweltbewegten Menschen und Organisationen erhöht. Sie argumentieren, wenn Menschen Wasser zu marktwirtschaftlichen Preisen kaufen müssten, wären sie eher bereit auch Wasser zu sparen. Angesichts des Verhaltens der größten multinationalen Unternehmen, die mit Wasser handeln, erscheint diese Sichtweise allerdings mehr als naiv. Denn es sind gerade jene Unternehmen, die rücksichtslos die natürlichen Wasserressourcen ausbeuten, dabei enorme Schäden am Ökosystem verursachen und die Wasserkrise weiter verschärfen.

Cola anstelle Wasser

Das wohl bekannteste Beispiel für die skrupellose Ausbeutung des Wassers durch Private ist die Politik von Coca-Cola und Pepsi in Indien. In einem Werbespot mit dem bekannten Bollywoodstar Amir Khan, in dem zwei durstige Inderinnen von einem Bauern Coca-Cola anstelle von Wasser erhalten, soll der indischen Mittelschicht das Getränk als modernitätsbringend verkauft werden. Die Realität sieht anders aus. Coca-Cola, Pepsi und andere multinationale und indische Getränkeproduzenten pumpen jedes Jahr Mrd. Liter Grundwasser in ihre Abfüllanlagen. Sie kaufen Land zu Billigpreisen und damit den de facto kostenlosen Zugang zum gesamten Wasser, das sich unter diesem Land befindet. Die Folgen für die lokale Bevölkerung sind katastrophal: ausgetrocknete Brunnen, verseuchtes Wasser und Dürre in den wasserreichsten Gegenden Indiens. "Wasserdiebstahl, für den die Natur niemals um Erlaubnis gebeten wurde", bezeichnet die indische Umweltaktivistin und Physikerin Vandana Shiva diese Ausbeutung. "Wasser ist lebendig und die Quelle allen Lebens für alle Spezies auf  der Erde." Der freie Zugang zu sauberem Wasser sei die Grundlage für alle anderen Menschenrechte. Sie teilt diese Meinung mit Hunderttausenden Menschen in Indien, die sich trockenen Brunnen, leeren Zisternen und verdorrten Feldern gegenübersehen.
Eine solche Erfahrung machten auch die BewohnerInnen von Plachimada, einem Dorf mit 3- bis 4.000 EinwohnerInnen im indischen Bundesstaat Kerala. Im Herbst 1999 gelang es Coca-Cola gemeinsam mit Unterstützung der Regierung und einiger reicher Landbesitzer Land in Plachimada zu kaufen und eine Abfüllanlage zu errichten. Nur sechs Monate nachdem sich Coca-Cola im Ort angesiedelt hatte, machten sich die ersten ökologischen Folgen bemerkbar. Der Wasserspiegel in den Brunnen sank und die Bewohner beklagten, dass das vormals saubere Quellwasser einen metallischen Geschmack habe und Bauchschmerzen, Erbrechen, Ausschläge und Augenentzündungen verursache.
Nun begann ein jahrelanger Kampf David gegen Goliath - die BürgerInnen eines kleinen indischen Dorfes gegen den mächtigen Coca-Cola-Konzern. Mit über Jahren aufrecht gehaltenen Protestaktionen gelang es schließlich, landesweite und sogar internationale Aufmerksamkeit und Solidarität zu erreichen. Im Jahr 2005 waren die Proteste von einem ersten Erfolg gekrönt. Coca-Cola musste die Abfüllanlage schließen und zugeben, große Mengen giftige Abwässer in die lokalen Flüsse gepumpt zu haben. Im März 2010 verurteilte das indische Höchstgericht den Coca-Cola-Konzern zu einer Schadenersatzzahlung in der Höhe von 48 Mio. Dollar.
Neben der Erkenntnis, dass Widerstand sich immer auszahlt, ist die wohl wichtigste Lehre aus den Erfahrungen der Menschen in Plachimada, dass die Wasserkrise oft alles andere als naturgegeben, sondern vielerorts vom Menschen selbst gemacht ist: durch die rücksichtslose Ausbeutung und Zerstörung der natürlichen Ressourcen, durch eine neoliberale Politik, durch industrielle Landwirtschaft und Abholzung von Wäldern. Ein grundlegendes Umdenken wäre hier notwendig. Würden die politischen Entscheidungsträger die Resolution über das Wasser als Menschenrecht ernst nehmen und zur Devise für ihre Politik machen, wäre zumindest ein erster Schritt getan.
 

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