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Säen und ernten ... Der Großteil des Agrarbudgets wird nach historischen Daten verteilt: Wer zwischen den Jahren 2000 und 2002 hohe Subventionen erhielt, bekommt sie auch weiterhin.

Säen und ernten ...

Schwerpunkt

Was ist die Gemeinsame Agrarpolitik der EU: ein üppiger Kuchen für Großbauern oder Brot zum Überleben der Bergbauern?

Das Agrarbudget ist hoch. Die Agrarsubventionen sind ungerecht verteilt. Agrarökonomen warnen vor Verschwendung öffentlicher Gelder. Agrarpolitiker kontern mit "Neiddebatte". Ihr Fokus: Agrarsubventionen sichern die bestmögliche Verwendung der Mittel. "Du sollst nicht begehren das hohe Agrarbudget für andere EU-Politikbereiche" so lautet das ungeschriebene 11. Gebot der Agrarpolitiker. Aktuelles: Ende Juni hat die Kommission den Vorschlag für die Finanzperiode 2014 bis 2020 vorgestellt. Schon im Vorfeld gab es heiße Debatten. "Alte" Budgetposten wie das Agrarbudget standen neuen Herausforderungen durch die 2020-Ziele gegenüber. Konkret wird geplant, für diese sieben Jahre ein Agrarbudget in der Höhe von 372 Mrd. Euro zu reservieren. Zusätzlich soll der Agrarsektor 15,2 Mrd. Euro aus anderen Budgettöpfen erhalten. Eine Einigung ist nicht vor Ende 2012 zu erwarten.
Fakten: Im Jahr 2010 betrug das EU-Agrarbudget 47,3 Prozent der gesamten EU-Ausgaben. Wenn das Budget in Zahlen gegossene Politik ist, könnte man vermuten, dass die EU vor allem eine Agrargemeinschaft ist. Oder die Entwicklung der EU hat sich nur wenig im Budget niedergeschlagen. Historisch betrachtet hatte die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) bei der Gründung der EU (EWG) die Aufgabe, die Agrarproduktion anzukurbeln, die -produzenten zu unterstützen, um die Bevölkerung zu ernähren. Teuer wurde die GAP, als in den 1980er-Jahren subventionierte Überschüsse entstanden und der Abbau sogenannter "Butterberge" und "Milchseen" erforderlich wurde. Erst in den 1990er-Jahren wurden Direktzahlungen an die Landwirte eingeführt und Preisstützungsmaßnahmen zurückgenommen (McSharry-Reform). Mittlerweile gibt es keinen Zusammenhang mehr zwischen Subventionen, Produktionsmengen oder Agrarpreisen (Fischler-Reform). Der Großteil des Agrarbudgets wird wie gehabt verteilt: Wer zwischen den Jahren 2000 und 2002 hohe Subventionen erhielt, bekommt sie auch weiter. Diese Zahlungen waren nie als Dauerlösung geplant. Ein hohes Agrarbudget ist ökonomisch nicht gerechtfertigt.

Schiefe Verteilung der Subventionen

Wirkung: Die Transparenzdatenbank über alle AgrarsubventionsempfängerInnen gibt es aufgrund der Einsprüche von Bauernvertretern nicht mehr. Fördermillionäre werden nur noch ausgewiesen, wenn sie als juristische Personen auftreten. Statistisch zusammengefasst lautet die Verteilung wie folgt: etwa 20 Prozent der größeren Betriebe erhalten 80 Prozent der Subventionen. Die Kommission hatte vor einigen Jahren eine Statistik veröffentlicht, nach der fünf Prozent der größten Agrarbetriebe der EU 50 Prozent der Direktzahlungen erhalten. Neben der Kritik an der "schiefen" Verteilung der Agrarsubventionen zwischen den Betrieben bzw. Bauern, gibt es auch Kritik an der Verwendung der öffentlichen Mittel. Bei der Beurteilung wird unterschieden, um welche Maßnahmen es sich handelt. Aus der sogenannten ersten Säule mit etwa 75 Prozent des EU-Agrarbudgets werden Flächen- bzw. Direktzahlungen finanziert. Die zweite Säule, der viel kleinere Teil, steht für eine Vielfalt von Programmschwerpunkten, unter anderem Bergbauern- und Umweltförderung. Führende Agrarökonomen der EU beurteilen die Ausgaben des Agrarbudgets wie folgt:
Erste Säule: Diese Subventionen verzerren die Wirtschaft und verschwenden öffentliche Gelder, ohne Nutzen für die Gesellschaft zu stiften.
Zweite Säule: Diese Subventionen können öffentliche Güter fördern, werden aber meist schlecht eingesetzt.
Exportsubventionen: schaden armen Bauern im Ausland und provozieren Handelskonflikte.
Die Professoren sind der Meinung, dass die GAP-Reform nicht "den Lobbyisten der Bauern und Landbesitzer in Brüssel" überlassen werden soll - die BürgerInnen sollen wissen, was auf dem Spiel steht und wie sie Einfluss nehmen können. Sie fordern eine Reform, die sie in der Deklaration für eine ambitionierte GAP zusammengefasst haben.
Lösung: Agrarökonomen fordern eine Konzentration und Beschränkung der öffentlichen Ausgaben auf öffentliche Leistungen "public money for public goods". Das bringt mehr für Biodiversität, Klimaschutz, Wasserqualität, Tierschutz und unterstützt Bauern, die entsprechend wirtschaften. Mit den dadurch frei werdenden Budgetmitteln könnten Maßnahmen zur Erreichung der EU-2020-Ziele wie Verringerung der Armut und Erhöhung der Beschäftigungsquote finanziert werden.

Was Sie schon immer über die GAP wissen wollten:

Wie emotional das Agrarbudget verteidigt wird, soll der (fiktive) Dialog zwischen dem Agrarpolitiker A und der Agrarökonomin B zeigen: 
 
A: Unser Minister sagt, unseren Bauern droht um bis zu 50 Prozent weniger Förderung!

B: Wenn er es oft genug sagt, glauben es die Leute, ohne dass es wahr ist. Ob das der gewünschte Effekt ist? Auch in der Vergangenheit wurde immer Ähnliches behauptet. Tatsächlich sind die Agrarsubventionen pro Kopf gestiegen.

Wer das Agrarbudget kürzt, ist schuld am Bauernsterben!

Trotz hoher Agrarbudgets ist die Beschäftigtenzahl im Agrarsektor in den letzten zehn Jahren um 25 Prozent gesunken. Aber niemand will sich vorwerfen lassen, für das "Sterben" der Bauern verantwortlich zu sein. Nur so ist die zögerliche Reform des Agrarbudgets erklärbar.

Wird das Agrarbudget gekürzt, werden die Preise steigen!

Preisniveau und Agrarbudget sind nicht verknüpft. Ganz im Gegenteil: In den Jahren 2008 und 2009 sind die Agrarpreise extrem gestiegen, obwohl die Agrarausgaben ebenfalls gestiegen sind. Damit haben die EU-Bürger doppelt bezahlt - über die Preise und über die Steuern. Produktbereiche wie die Schweineerzeugung erhalten nur geringe Stützungen, sind aber preislich keinesfalls hoch.

Das Agrarbudget sichert die Einkommen der Bauern!

Agrarsubventionen werden auch bei hohen Einkommen und Vermögen der Landwirte bezahlt. Es gibt eine ungerechte Verteilung und sogar höhere Subventionen für besser verdienende Bauern.

Die Produktionskosten sind gestiegen, daher braucht der Agrarsektor Subventionen!

ÖkonomInnen bestätigen den Zusammenhang zwischen hohen Agrarsubventionen und gestiegenen Produktionskosten wie Pachtpreise. Generell ist es nicht Aufgabe der Gesellschaft, Produktionskosten zu subventionieren.

Das Agrarbudget ist wegen der hohen Umwelt- und Tierschutzstandards notwendig!

Der kleinste Teil des Agrarbudgets ist an hohe Umwelt- und Tierstandards gebunden. Die meisten Agrarminister lehnen eine weitere Bindung der GAP an Umweltauflagen ab.

Das Geld kommt Bergbauern zugute!

Nur 1,5 Prozent des EU-Agrarbudgets werden für die Bergbauernförderung ausgegeben.

Ohne Agrarsubventionen sind auch die Großbetriebe nicht wettbewerbsfähig!

Wie überleben die Agrarbetriebe außerhalb der EU?

Die Landschaft würde veröden!

Das Agrarbudget nimmt keine Rücksicht auf schöne Landschaften. Z. B. wurde 2011 die landschaftlich wenig reizvolle Maisfläche in Österreich um 8,8 Prozent erhöht.

Die Ernährungssicherheit wäre durch eine Kürzung des Agrarbudgets ge fährdet!

Gefährdet wird die Ernährungssicherung durch Subventionen für die Versprittung und Vergasung von Agrarprodukten. Nahrung für den Teller statt für den  Tank ist eine Lösung, die Unterstützung der Agrarproduktion in armen Ländern eine andere.

Internet:
Ersteinschätzung zum EU-Budgetvorschlag:
tinyurl.com/6dszypm
AK-Studie zu den Agrareinkommen:
tinyurl.com/66fvfdr
Deklaration für eine ambitionierte Agrarreform:
reformthecap.eu/declaration
Future CAP: Public Money for Public Goods
tinyurl.com/6cutyo3
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maria.burgstaller@akwien.at 
oder die Redaktion
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