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Weltwirtschaften Der Versuch die Wirtschaftlichkeit und den Einfluss dieser auf das reale wirtschaftliche Leben zu messen, kann bei genauerem Hinsehen einige Schwierigkeiten bereiten. Denn ob nun einer den anderen "überholt",ist immer kritisch zu hinterfragen.
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Weltwirtschaften

Schwerpunkt

Ein Gespräch mit Univ.-Doz. Dr. Hans Krawarik, Siedlungshistoriker und Dozent an der Universität Wien über die Wettbewerbsfähigkeit von Wirtschaftsräumen.

Ob nun Länder, Regionen oder supranationale Integrationsräume wie EU, NAFTA oder ASEAN als Wirtschaftsraum verstanden werden, der Versuch die Wirtschaftlichkeit und den Einfluss dieser auf das reale wirtschaftliche Leben zu messen, kann bei genauerem Hinsehen einige Schwierigkeiten bereiten. Denn ob nun einer den anderen "überholt", ist immer kritisch zu hinterfragen.

Das Maß aller Dinge?

Zunächst wird das Bruttoinlandsprodukt verglichen. Doch die Summe aller in einem Land erwirtschafteten Güter und Dienstleistungen lässt kaum Schlüsse auf eine subjektive Wahrnehmung des Lebens und Arbeitens in einem Wirtschaftsraum zu. Sogar Wechselkursentwicklung, Kaufkraft, Inflation und Lohnstückkosten lassen zwar auf die allgemeine "Wettbewerbsfähigkeit" schließen, jedoch ist es schwer vorzustellen, dass diese Maße geeignete Kennzahlen zur Messung des Erfolgs eines Landes oder einer Region darstellen. Dass durch Chinas Stahlproduktion, bei höherem Output als in der EU, die Gesamtheit der Bevölkerung keinen Aufschwung gleichermaßen zu spüren bekommt, ist abzusehen.
Die Beziehung zur demografischen Entwicklung und die Berechnung auf der Grundlage sozioökonomischer Strukturzahlen, wie die Forschungs- oder Bildungsquote, könnten mehr Aufschluss geben, meint Dr. Krawarik, um die Lebensqualität in Wirtschaftsräumen zu ermitteln.
Ähnlich wie der vom Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) ermittelte Human-Development-Index (HDI), der die Möglichkeit eines Indikators über Entwicklungsstand und Lebensstandard gibt, liefert er dem Better-Life-Index der OECD einen guten Ansatz. Die Kennzahl der Lebensqualität der Menschen, in den 34 Mitgliedsstaaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, betrachtet menschlichen und differenzierten Fortschritt und Wachstum in Wirtschaft und Gesellschaft. Faktoren wie Arbeitsplätze, Sicherheit, Wohnsituation, Einkommen, Umwelt, Bildung, Gesundheit und Lebenszufriedenheit sind ausschlaggebend für die Bewertung eines Landes.
Noch vor wenigen Jahrzehnten war die Weltwirtschaft in auf Nationalstaaten geprägte Subwirtschaftsräume unterteilt. Durch die globale Vernetzung werden immer weniger oft Länder für die Bezeichnung Wirtschaftsraum in Frage kommen. In Zukunft werden Integrationsräume und nicht mehr einzelne Staaten um die Vorherrschaft im Welthandel ringen. Obwohl es auch hier unterschiedlich stark ausgeprägte Stufen der Integration gibt. So ist der lateinamerikanische Mercosur als wachsender Wirtschaftsraum zu verstehen, wobei die nordamerikanische NAFTA noch nicht als so einheitlich wahrzunehmen ist, dass man von einer generellen Schwächung der Nationalstaaten sprechen könnte. Die durch die Triade (NAFTA, EWR, SO-ASIEN) geprägten Börsenspekulationen und Rankingagenturen beeinflussen maßgeblich die Weltwirtschaft, die in "World Cities" zentral kontrolliert wird.

Trend westwärts

Wenn man die Geschichte und die langfristige Entwicklung von Wirtschaftszentren seit dem Altertum betrachtet, kann einem eine deutliche Westwärts-Bewegung ins Auge stechen. Von den ersten Handelszentren im Nahen Osten, über den Mittelmeerraum und Westeuropa zog der Zug der Weltwirtschaft bis zur neuen Welt und weiter nach Asien. Gerne würde Europa diese Entwicklung Richtung Westen weiterziehen sehen, doch der sprunghafte Anstieg der Produktivität einer Region hängt wesentlich von anderen Dingen ab. Obwohl es kein Zufall ist, dass die Metropolen der Wirtschaft in nördlichen Regionen zu finden waren, was sich auf regionale Disparitäten, wie die Ausgangsvoraussetzung des Klimas der Region, zurückführen lässt. So lassen viele Wirtschaftsräume ein wirtschaftliches Nord-Süd-Gefälle erkennen. Amerikas Südstaaten konnten erst nach der Erfindung der Klimaanlage den Standortnachteil aufholen und die Ansiedelung von Unternehmen attraktiv machen. Auch Afrika kann damit einen Teil seines Rückstandes erklären, dass durch die Lage der Energiewirtschaft kaum eine flächendeckende Einführung von Klimaanlagen möglich sein wird, so Krawarik.

Der Westen und sein Vorsprung

Aber nicht nur Klimafaktoren sind in diesem Zusammenhang von großer Bedeutung. Der Technologievorsprung war schon immer ausschlaggebend. Aber wie bedeutend wird der "Westen" in Zukunft sein? Verwöhnt von dem Gedanken, die Spitze der Wissensgesellschaft zu bilden, hatten die Industriestaaten auch einen langfristigen Vorteil in der Weltwirtschaft. Doch die Aufwärtsspirale des Lebensstandards muss vorangetrieben werden, damit sich die westliche Gesellschaft als "entwickelter" rühmen kann. Es wird im Laufe der Zeit jedoch schwieriger werden, diesen Vorsprung gegenüber den "erwachenden" Schwellenländern aufrecht zu erhalten.
Wie wird sich die Weltwirtschaft aber entwickeln? Naheliegend ist die Frage, ob durch die Globalisierung und die verstärkte internationale Arbeitsteilung, im Extremszenario, nur noch China produziert und der Westen dienstleistet? Wohl kaum, der Historiker weist darauf hin, dass der finanzielle Effizienzgewinn durch die gut ausgespielten komparativen Vorteile im Vordergrund steht, der in diesem Extremszenario durch den Import aller Dienstleistungen und der Abhängigkeit Chinas entfallen würde. Obwohl im Moment die Tendenz zur steigenden internationalen Arbeitsteilung zu sehen ist, wenn Service-Hotline-Dienste oder sogar die gesamte Buchhaltung von Unternehmen in Ausland ausgelagert werden.
Über die Zukunft der Wirtschaftsräume ist man sich in Fachkreisen jedoch nicht einig. Einerseits wird die Fiktion von Raumlosigkeit der Informationsgesellschaft kritisiert. Obwohl die Erfahrung der geschichtlichen Entwicklung zeigt, dass bei neuen Technologieeinführungen der Telekommunikation die räumliche Konzentration und Zentralisation von Arbeitsplätzen zunimmt, die kulturellen Unterschiede bei stärkerer globaler Interaktion aber eher zu Abschottung führen, gibt es auch Ansätze anderer Art. Demzufolge soll die Welt zu einem "Global Village" zusammenwachsen und durch die Vernetzung die Angleichung von Lebensstilen und die Homogenisierung der Kultur, eine "Weltkultur", vorantreiben. Dr. Krawarik: "Schon in der Epoche der Aufklärung gab es diese Hoffnung des Menschen auf das Menschsein." Nur wenn die sozialen und kulturellen Aspekte außer Acht gelassen werden, ist die Vorstellung von der globalen Anpassung möglich. Denn auch die Erfindung des Telefons oder des Internets zeigte, dass es trotzdem noch nötig ist, morgens ins Büro zu fahren, obwohl die nationalstaatlichen Grenzen verwischen und sich wirtschaftliche Handlungsspielräume verändern.

Keine Vereinheitlichung der Welt

Wirtschaftswissenschafter tappen in die Falle, irrtümlich die technischen Möglichkeiten ohne die sozialen Kommunikationsstrukturen zu beachten, und durch die steigende Homogenisierung des Konsumverhaltens auf eine die Vereinheitlichung der Welt zu schließen, was wohl eher eine ideologische Wunschvorstellung als eine auf Erfahrung basierte Einsicht ist. Die Geschichte hat gezeigt, dass meist nach einer Hochphase grenzüberschreitende Austauschprozesse nicht zu Homogenisierung, sondern eher zu Isolation und Herausbildung von Differenzen geführt haben. So bestärkt die Globalisierung kulturelle Besonderheiten.

Internet:
Univ.-Doz. Dr. Hans Krawarik:
tinyurl.com/6bj5nuw
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