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Alles hat seine Zeit Ohne den Buchbinder müssten wir Romane auf losen Papierseiten lesen. Doch Fakt ist, dass die industrielle Buchverarbeitung auch diesen klassischen Beruf immer weiter verdrängt. Von Jahr zu Jahr sinkt die Zahl derjenigen, die den Buchbinderberuf ausüben.

Alles hat seine Zeit

Schwerpunkt

Die Welt verändert sich - und die Arbeitswelt mit ihr. Das ist normal, bedeutet aber auch, dass der eine oder andere Beruf ausstirbt.

Die jungen Leute interessieren sich einfach nicht mehr für traditionelle Berufe." Ein Satz, der vermutlich schon oft gesagt und genauso oft gehört wurde. Ob KorbflechterInnen, HutmacherInnen, MarionettenmacherInnen, DampflokomotivführerInnen, Kupferschmied oder BuchbinderInnen - eines haben sie alle gemeinsam: sie verschwinden aus der Arbeitswelt, sterben aus. Ob das wirklich an den Interessen der Jugendlichen oder der immer stärkeren Abhängigkeit von Strom und EDV liegt - darüber kann gestritten werden oder auch nicht, eines ist jedoch sicher: Mit den Berufen gehen nicht nur Arbeitsstellen verloren, sondern meist auch ein großer Fundus an handwerklichem Können und Wissen.

Lebensentscheidung Berufswahl

Zu den wirklich wichtigen Entscheidungen im Leben gehört die Wahl des Berufes. Heute rechnet mit großer Wahrscheinlichkeit niemand mehr damit, den einmal erlernten Beruf ein ganzes Leben lang auszuüben. Der Wandel der Gesellschaft und die Entstehung des Internets sind Gründe für die Veränderung in der Berufswelt. Das hat zur Folge, dass alte Berufe verschwinden oder durch Zusammenlegung mit anderen Berufen aufgewertet werden. Sicher werden irgendwo in Nischen alle Berufe weiterleben, doch aufgrund der Veränderung der Gesellschaft wird es wohl unvermeidbar, Berufe den Gegebenheiten anzupassen, das heißt sie abschaffen, modernisieren oder zusammenlegen. "Ist Ihnen schon mal aufgefallen, dass der Schuster aus ihrer Straße gar nicht mehr existiert? Kein Wunder, denn der Beruf Schuster ist vom Aussterben bedroht." Genauso wie viele handwerkliche Berufe ist auch dieser zurückgedrängt worden. Gründe dafür sind Massenproduktion und verstärkte Importe aus den Billiglohnländern. Auch das Herstellen von maßgefertigten Schuhen ist eher die Ausnahme, das Reparieren von Schuhen lohnt sich bei den geringen Preisen für neue Schuhe kaum noch.
Ebenso stellt sich die Frage, ob die Buchbinderei ein Handwerk mit Zukunft ist? Ohne den Buchbinder müssten wir Romane auf losen Papierseiten lesen. Doch Fakt ist, dass die industrielle Buchverarbeitung auch diesen klassischen Beruf immer weiter verdrängt. Von Jahr zu Jahr sinkt die Zahl derjenigen, die den Buchbinderberuf ausüben.

BuchbinderIn

Im Mittelalter waren es Mönche, die sich in ihren Klöstern um das geschriebene Wort kümmerten. Sie schrieben, verleimten die einzelnen Seiten und verpackten sie in kunstvolle Einbände. Zugegebenermaßen: Heute gibt es sehr wenige BuchbinderInnen, die mit derselben Sorgfalt, wie es früher die Geistlichen in den Schreibstuben taten, die Bücher pflegen. Einer gibt sich seit Jahren Mühe: Reinhard Hauswirt, er ist auch einer der letzten seiner Zunft. Alte Bücher, vergilbte Seiten, die lose aus einem zerfledderten Einband hängen, der Buchbinder bringt sie auf Vordermann. Doch auch er sagt: "Mittlerweile werden nur noch wenige Bücher von Hand hergestellt, wir Buchbinder sterben langsam aus." Per Hand dauert die Produktion eines einzigen Exemplars mehrere Tage, doch in der heutigen Schnelllebigkeit bleibt nicht so viel Zeit: Bücher werden fast ausschließlich von Maschinen gebunden. Kein Wunder - bei einer Auflage von 3.000 Exemplaren müsste ein einzelner Beschäftigter lange an der Werkbank stehen.

BlümlerIn

Ihre Arbeitsplätze gleichen Museen, ihre Berufe sind aber auch vom Aussterben bedroht. Aber es gibt noch immer Menschen, die Seidenblumen herstellen, Messer schleifen und Lederstühle beziehen. KunstblumenfacharbeiterInnen stellen Kunstblumen aus Seide, Samt und Taft her. Die Stoffe werden bemalt, in die richtige Form gebogen und mit Draht zu einer Blume gebunden. Viel hat sich verändert: Im deutschen Sebnitz gibt es heute noch etwa elf HandarbeiterInnen. Anfang des vergangenen Jahrhunderts waren rund 15.000 SebnitzerInnen damit beschäftigt, Stoffblumen herzustellen. Auch nur eine Blumenmanufaktur ist heute übrig geblieben. Arbeit ist noch vorhanden, denn kaum ein Besucher verlässt Sebnitz, ohne eine Stoffblume gekauft zu haben. Der deutsche Gewerkschaftsbund bestellt für seine Kundgebung im Mai jedes Jahr 3.000 rote Nelken. Auch berühmte Modemacher wenden sich oft mit Auftragsarbeiten an die ArbeiterInnen.

HutmacherIn

Auch ein Beruf mit einer schwierigen Zukunft. Weil nur noch wenige Menschen handgefertigte Hüte kaufen und tragen, gibt es immer weniger HutmacherInnen (ModistInnen). Hutmachen ist vor allem Handarbeit, man kommt mit wenigen Maschinen aus. Das wichtigste Hilfsmittel ist heißer Dampf, der hilft, das Material zu formen. Viele HutmacherInnen pflegen heute eine Zusammenlegung des Ateliers mit GoldschmiedInnen oder verkaufen gekaufte Taschen oder Gürtel - ansonsten könnten sie nicht existieren. Auf die Frage nach der Motivation und der Freude an dem nicht einfachen Beruf, sind sich viele einig: Die Materialien und die Vielseitigkeit ihrer Tätigkeit motivieren und inspirieren immer wieder aufs Neue. Obwohl der Lehrberuf mit Seltenheitswert ein verstaubtes Image hat, sind die wenigen ModistInnen noch zuversichtlich. Sie haben Spaß an ihrer Arbeit, und aufgrund der unterschiedlichen Formen gehen ihnen die Ideen nie aus.
Nicht nur ArbeitnehmerInnen beklagen das Aussterben bestimmter Berufe, auch manches Unternehmen hat so seine Problemchen damit. Viele Theater sind auf der Suche nach HerrenschneiderInnen oder ModistInnen, die es fast nicht mehr gibt. In Oberösterreich gibt es zwar eine Berufsschule für HerrenschneiderInnen, aber kaum noch Ausbildungsbetriebe. Gar keine gibt es mehr für ModistInnen. Ihre Berufsschule wurde vor Jahren geschlossen, aufgrund von Mitgliedermangel. Für interessierte und kreative Jugendliche bedeutet das im Klartext, sie müssen sich das Handwerk selbst beibringen. Neben der fehlenden Ausbildungsmöglichkeit stoßen Jugendliche heutzutage auch auf andere Schwierigkeiten: Die Entscheidung für einen Beruf ist mit größeren (Verständnis-) Problemen verbunden, da es immer populärer wird, alte Berufe mit neuen Tätigkeitsbereichen zusammenzulegen und in neue Berufsbezeichnungen umzuwandeln. Im Endeffekt ist diese Änderung nur eine Imagepflege des Namens, denn in den meisten Fällen ändert sich am eigentlichen Berufsbild nichts Wesentliches. Doch durch die komplexe Wortwahl (oftmals in Englisch) fällt es schwer, auf den Berufsinhalt zu schließen, somit werden einige Berufe als Ausbildungsberuf erst gar nicht gewählt. Beispiele dafür:

  • Empfangschef = Front Officer
  • Verkaufsleiter = Sales Manager
  • TierarzthelferIn = Tiermedizinische Fachangestellte

Schaffnerlos

Nicht nur typische Handwerksberufe sind von den Veränderungen in der Berufswelt betroffen. Ende des Jahres 2011 stellte die ÖBB den gesamten Regionalverkehr in Österreich auf Selbstbedienungsstrecken um. Das heißt: Die Fahrgäste müssen mit einer gültigen Fahrkarte zusteigen, sofern es an der Zustiegshaltestelle einen Fahrkartenautomaten gibt. Das Berufsbild des Zugbegleiters wird somit in Richtung Kontrolleur verändert. Die ZugbegleiterInnen sollen nun kontrollieren und strafen. Viele ZugbegleiterInnen sagen, die Umstellung mache sie zwar nicht arbeitslos, aber sie würden weiter reduziert und zu reinen Straforganen gemacht. Wer bis jetzt ohne gültige Fahrkarte angetroffen wurde, konnte beim Schaffner oder der Schaffnerin eine nachkaufen. Der kompromisslose Strafpreis jetzt: 65 Euro. vida-Gewerkschafter Reinhold Entholzer: "Geschickter wäre es, die Zugbegleiter selbst entscheiden zu lassen, ob sie strafen oder die Karte verkaufen." Wie dieser, werden auch so manch andere Berufe in einen neuen umgewandelt, ganze Branchen sind vom Aussterben bedroht, vereinzelte Berufe sind in Österreich schon von der Bildfläche verschwunden. Dabei raten ExpertInnen jungen Menschen gerade bei der Lehrstellensuche zu mehr Mut. Zum Beispiel kann bis heute in der Steiermark eine Reihe an alten Handwerksberufen erlernt werden, etwa BekleidungsfertigerIn, PorzellanformerIn oder BrunnenbauerIn. Auch wenn das keine Traumberufe für Jugendliche zu sein scheinen, geben ExpertInnen gerade diesen Nischenberufen oft die besseren Zukunftsaussichten.

Internet:
Gewerkschaft vida:
www.vida.at 
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 amela.muratovic@oegb.at 
oder die Redaktion
aw@oegb.at 

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