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Grüne Jobs und gute Arbeit Umweltschutz spielt sich nach wie vor sehr stark "end of pipe" ab. Das heißt, dass irgendjemand die Verschmutzung, die wir anrichten, wieder wegräumt.

Grüne Jobs und gute Arbeit

Schwerpunkt

Die sogenannten Green Jobs gelten als Hoffnungsträger - aber auch Arbeit im Umweltbereich muss unter fairen Bedingungen stattfinden.

Ein Wandel hin zu einer ökologisch nachhaltigen Produktions- und Konsumweise ist kein Jobkiller, sondern kann Arbeitsplätze schaffen. Beschäftigungspotenzial gibt es v. a. im Bereich der sozialen Dienstleistungen. Dieses Potenzial kann aber nur realisiert werden, wenn Staat bzw. Länder öffentliche Dienstleistungen finanzieren. Das ist auch die einzige Möglichkeit, faire Arbeitsbedingungen und Bezahlung zu ermöglichen.

Und welcher Job ist grün?

Der mögliche Beitrag sogenannter "Green Jobs" zum Beschäftigungswachstum ist umstritten. Es ist schon unklar, wie eigentlich "Green Jobs" definiert werden. Laut EUROSTAT besteht der Umweltsektor aus jenen ProduzentInnen, die Umweltschäden oder Ressourcenabbau vermeiden oder zumindest vermindern, behandeln, kontrollieren sowie messen und untersuchen sollen. Dies erstreckt sich über alle Wirtschaftsbereiche. So gesehen gab es 2008 in Österreich 185.145 Umweltbeschäftigte bzw. fünf Prozent der Erwerbstätigen. Hier ist der Umweltbegriff umfangreich gefasst und beinhaltet Teile der Landwirtschaft sowie der Energieversorgung und -verteilung.

  • Rund 110.000 Menschen sind unmittelbar im Umweltschutz beschäftigt. Die sogenannten "Eco Industries" erfassen Arbeitsplätze, die direkt der Umweltverbesserung zugerechnet werden können. Das sind etwa 2,8 Prozent der ArbeitnehmerInnen in Österreich.1 
  • 23.025 Beschäftigte erbringen Dienstleistungen in der Abfallbehandlung, einer Branche mit hoher Arbeitsbelastung und oft geringer Bezahlung.
  • 21.984 arbeiten in der Bauwirtschaft, einer Branche mit sehr hohen körperlichen Belastungen.
  • 9.477 stellen Anlagen für Abwasserbehandlung her, das sind Arbeitsplätze, die besser qualifiziert und bezahlt sind.
  • 9.343 erbringen Dienstleistungen für die Abwasserbehandlung, z. B.: Räumen von Kanälen, Kläranlagen. Auch hier findet man hohe körperliche Belastungen sowie hohe Belastungen durch biologische und chemische Stoffe.
  • 4.274 arbeiten in Umweltberatungsfirmen, Ingenieurbüros, NGOs. Oft gut qualifiziert, aber auch oft nicht entsprechend bezahlt.

Green Skills werden aber weit über den Bereich der "Green Jobs" gebraucht. Umweltrelevantes Wissen wird in vielen Berufen relevant, was zu einer Änderung der Anforderungsprofile führen wird. Bis 2020 wollen BM Berlakovich und WK-Präsident Leitl 100.000 neue "Green Jobs" in Österreich.2 Dazu fordert Leitl 300 Mio. Euro Fördergelder für thermische Sanierung. Durch ein Zusatzfördervolumen von 300 Mio. Euro könne angeblich ein Investitionsvolumen von zwei Mrd. Euro ausgelöst werden. Dadurch würden 30.000 Jobs entstehen. Die Sanierungsquote müsse von derzeit einem auf drei Prozent erhöht werden. Neben neuen Fördergeldern für thermische Sanierung fordert Leitl zusätzlich die Anhebung der F&E-Prämie von derzeit acht Prozent für Green Technology auf künftig zwölf Prozent.
Leitl will also wenig überraschend v. a. mehr Geld für die Wirtschaft: sei es für die Sanierung oder für die Forschungsprämie. Das erscheint akzeptabel, wenn es durch Abgaben, die den Ressourcenverbrauch belasten, gegenfinanziert wird, die nicht nur von den KonsumentInnen getragen werden.

Oft gesundheitsschädlich

Kritisch sieht AK-Umweltökonom Thomas Ritt die Arbeitsbedingungen in vielen dieser Jobs. "Diese vom Landwirtschaftsminister so hochgelobten 'Green Jobs‘ sind viel zu oft gesundheitsschädlich und schlecht bezahlt."3 Das betrifft insbesondere private Abfallbeseitigung, Abwasserreinigung und Landwirtschaft. "Umweltschutz spielt sich nach wie vor sehr stark 'end of pipe‘ ab. Das heißt,  dass irgendjemand die Verschmutzung, die wir anrichten, wieder wegräumt."
Die Zahl der "Green Jobs" werde außerdem so Ritt schöngerechnet. So zähle der Landwirtschaftsminister gern über 20.000 Stellen im Handel dazu. Eine Supermarktbeschäftigte die Biojoghurt einschlichtet habe somit einen "Green Job".4 

Schlecht bezahlt

Eine Untersuchung der AK über die Qualität der Beschäftigung im Umweltbereich in fünf europäischen Ländern zeigt, dass im Umweltbereich keine guten Arbeitsbedingungen vorherrschen: Hochqualifizierte Arbeit konzentriert sich auf einen kleinen Bereich etwa Öko-Consulting. Die Bezahlung ist generell unterdurchschnittlich. "Die gesundheitlichen Belastungen und Unfallrisiken sind teilweise beträchtlich. Risiken werden auch dadurch erhöht, dass z. B. in der Entsorgungswirtschaft die Schichtarbeit sehr weit verbreitet ist. Gesundheitliche Belastungen treten vor allem bei der Sammlung, Sortierung und Verwertung von Abfällen auf.
Besonders auffällig ist, dass in diesem Bereich ein deutlicher Unterschied zwischen öffentlichen und privaten Unternehmen besteht. In öffentlichen Unternehmen (z. B. MA 48 in Wien) sind die gesundheitliche Belastung und das Arbeitsrisiko durch Einhaltung der Vorschriften deutlich geringer, außerdem ist die Bezahlung besser." "Green Jobs" sind also nicht unbedingt "Good Jobs". Und keineswegs sind ökologische ArbeitgeberInnen automatisch soziale ArbeitgeberInnen. Beim Biomarkt Maran wurden im Jänner 2011 Beschäftigte gekündigt, die vorenthaltene Zeitzuschläge eingefordert hatten.
"Green Jobs" dürfen aber nicht einfach abgelehnt werden, sondern Arbeitsbedingungen und Bezahlung müssen verbessert werden Dieses Ziel verfolgt auch der EGB und hat sich in einer Resolution vom Oktober 2010 für einen Sustainable New Deal ausgesprochen:5 Darin werden grüne, faire Arbeitsplätze durch Investitionen in Niedrigkohlenstofftechnologien gefordert. Auch der DGB fordert einen sozial gerechten Übergang in eine kohlenstoffarme Produktionsweise, der menschenwürdige und gut bezahlte Arbeitsplätze schafft. Klimaschutz sei nicht reiner Kostenfaktor, sondern Chance für alle. Denn die Nutzung von Potenzialen der Ressourcen- bzw. Energieeffizienz und der Umstieg auf erneuerbare Energien schaffen neue Arbeitsplätze!
In Deutschland sind laut DGB bis 2007 etwa 250.000 Arbeitsplätze im Bereich erneuerbarer Energien entstanden, viele davon in strukturschwachen Regionen. Bis 2020 rechnet man mit 400.000 neuen Arbeitsplätzen.
Ohne entsprechende staatliche Rahmenbedingungen wird der Übergang auf eine nachhaltige Ressourcen schonende Produktion nicht passieren. Der Markt allein kann das nicht machen. Weder KonsumentInnen noch Unternehmen berücksichtigen in ihren Entscheidungen die langfristigen Folgen ihres Tuns. Dafür ist der Druck auf die Erzielung von maximalen Renditen im Quartal oder im Beobachtungszeitraum eines Jahres zu hoch. Leider fehlt es aber derzeit nicht nur am Markt an den entsprechenden Anreizen, sondern auch am Willen der Politik, dem Markt die entsprechenden Anreize und Grenzen zu setzen. Der Staat sollte sich nicht für billiges Benzin einsetzen, sondern für Niedrigverbrauchautos. Wenn wir die Energiewende jetzt nicht einleiten, dann ersparen wir uns nicht nur nichts, wir nehmen dann bewusst enorme Schäden und Kosten in der nahen Zukunft in Kauf.

Investition in nützliche Sektoren

Ein Green New Deal sollte daher Investitionen in nützliche Sektoren leiten. Wärmedämmung, Solarenergie, Windenergie, Energieeffizienz sind auszubauen und durch staatliche Maßnahmen zu fördern. Es sollte das Bahnnetz in Europa so attraktiviert werden, dass es sowohl eine Alternative zum Flug- als auch zum Pkw-Verkehr ist. Die Gewerkschaften sollen sich dafür einsetzen, dass die Arbeitsbedingungen im Bereich der "Green Jobs" gute sind.

Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor
david.mum@gpa-djp.at 
oder die Redaktion
aw@oegb.at 

1 Mag. Thomas Ritt: "Green Jobs - New? Good? Sustainable?". Eine kritische Betrachtung der Umweltbeschäftigung in: Zukunftspotenzial "Green Jobs"? Herausforderungen der Arbeitsmarktpolitik, Österreichisch-Ungarische Arbeitsmarktkonferenz, 5.-7. 5. 2010
2 Masterplan Green Jobs 24. 3. 2011 tinyurl.com/6ccr88h
3 AK, 29. 9. 2010
4 AK, 15. 12. 2010, tinyurl.com/6ehm4wr
5 www.etuc.org/a/7743

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