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Nicht gekommen, um zu bleiben Mit dem Pendeln sieht es schon anders aus, allerdings sind davon fast ausschließlich die grenznahen Regionen im Osten Österreichs betroffen, in denen zum Beispiel ungarische KellnerInnen und Köche/-innen schon seit Jahren zum Lokalkolorit gehören.

Nicht gekommen, um zu bleiben

Schwerpunkt

Die Menschen aus den benachbart liegenden jungen EU-Ländern kommen gerne zu uns zum Arbeiten - fahren aber auch gerne wieder nach Hause.

Nach 90 Jahren als Teil von Österreich wurde das Burgenland in den vergangenen Jahren wieder ungarischer. Kaum mehr ein Gastronomiebetrieb, der ohne Beschäftigte aus dem östlichen Nachbarland auskommt. Mit dem Auslaufen der Übergangsfristen können ab 1. Mai 2011 Arbeitskräfte aus acht neuen EU-Staaten auf den österreichischen Arbeitsmarkt kommen und für aus- oder inländische Firmen tätig werden.

Weniger Qualifizierte betroffen

Die Auswirkungen werden kurzfristig sein und am ehesten weniger qualifizierte Arbeitskräfte treffen. ArbeitnehmerInnen mit geringer Aus- und Weiterbildung und niedrigem Einkommen müssen, zumindest vorübergehend, mit einem erhöhten Arbeitslosigkeitsrisiko und einem langsameren Lohnwachstum rechnen, während besser ausgebildete ArbeitnehmerInnen wahrscheinlich von der Arbeitsmarktöffnung profitieren werden. Für Berufe, zum Beispiel im Pflegebereich, die in Österreich stark nachgefragt sind, gibt es mittlerweile auch in Ungarn, Tschechien oder der Slowakei hohen Bedarf.
Der Wohlstandsunterschied zwischen Österreich und den osteuropäischen Nachbarländern geht langsam, aber doch, zurück, da in diesen Ländern die Geburtenrate sinkt. Auswanderungswillige Menschen sind, so ist man sich europaweit einig, zum Großteil bereits im Ausland. Durch die neue Freizügigkeit könnten manche sogar motiviert werden, aus Österreich in ihre Heimat zurückzukehren, weil sie sich sicher sein können, auch jederzeit wieder in Österreich einen Job annehmen zu können.
"Die Frage ist, wie die Nachfrage am Arbeitsmarkt mit dem Angebotspotenzial korreliert. Wenn das Angebot hoch ist, kann es zu Lohndumping kommen", sagt Franz Friehs, Arbeitsmarktexperte beim ÖGB. 2010 gab es 98.000 Beschäftigte aus den neuen EU-Ländern, es werden jetzt zusätzlich etwa 15.000 bis 25.000 nichtqualifizierte Arbeitskräfte prognostiziert. Einige Branchen, wie zum Beispiel Bau, Gastro und Reinigung, greifen schon bisher stark auf ausländische Arbeitskräfte zurück. "Die Frage ist, werden sich die zusätzlichen Arbeitskräfte komplementär, also ergänzend, oder substituierend, also ersetzend, auswirken. Das kann man schwer voraussagen."
 

5.000 bis 100.000 Euro Strafe

Das Hauptinstrument zur Kontrolle der Situation ist das Gesetz gegen Lohn- und Sozialdumping, das gerade erst im Nationalrat beschlossen wurde. Es hat den Zweck, das Lohnniveau zu halten. Die gesetzliche Lage betroffener ArbeitnehmerInnen wird darin verbessert, zum Beispiel dadurch, dass nicht mehr zivilrechtlich, sondern (verwaltungs-)strafrechtlich durch Kompetenzzentren, die auch Anzeigen erstatten, gegen Lohndumping vorgegangen wird. Bei Unterentlohnung, fehlenden Unterlagen oder wenn Kontrollen erschwert werden, drohen Strafen von 5.000 Euro beim ersten Mal bis 100.000 Euro im Wiederholungsfall. "Wir sind das einzige Land in Europa, das so ein Gesetz hat und in dem Arbeitgeber, die unehrlich sind, mit der Roten Karte zu rechnen haben."

Ungarn ziehen ungern um

Der 37-jährige József Kovács ist ein Saisonarbeiter aus Südwestungarn, er arbeitet seit 2008 im Winter als Servierkraft und Schankhilfe in Vorarlberg: "Es ist sehr schön hier, aber wenn es in Ungarn möglich wäre, anständig (in allen Bedeutungen des Wortes) zu leben, würde ich nicht herkommen." Die UngarInnen sind bekannt dafür, selbst innerhalb des Landes äußerst ungern umzuziehen, vor allem, wenn sie Familie haben. Niedrigere Löhne gibt es vor allem in der Ostslowakei und in Ostungarn, bis dato sind aber Massenauswanderungen nach Westungarn und in die Westslowakei ausgeblieben. Dass die Menschen nun in Scharen nach Österreich strömen, ist daher erst recht unwahrscheinlich. Mit dem Pendeln sieht es schon anders aus, allerdings sind davon fast ausschließlich die grenznahen Regionen im Osten Österreichs betroffen, in denen zum Beispiel ungarische KellnerInnen und Köche/-innen schon seit Jahren zum Lokal-kolorit gehören.
József Kovács ist da keine Ausnahme: "Wenn ich Familie hätte, würde ich nicht für ein halbes Jahr verschwinden können und wollen. Ich kann mir aber keine Familie leisten, deshalb spare ich das Geld, das ich in Österreich verdiene. Ich hoffe, dass sich die Situation in Ungarn verbessert, und ich mir dort eine Existenz aufbauen kann." In Österreich bleiben würde der Ungar nur im äußersten Notfall.
Szabolcs Mezei, 34, arbeitet bereits seit 2004 als Koch in einem Wiener Restaurant. Er ist verheiratet und hat eine kleine Tochter. Nach jedem Dienst fährt er in der Nacht mit dem Auto zurück nach Sopron, wo er mit seiner Familie lebt. Er spricht gut deutsch, versteht sich gut mit den Kollegen in der Küche und den Kolleginnen im Service und fühlt sich wohl. Aber auch er denkt nicht daran, nach Österreich auszuwandern. "Ich arbeite gerne in Wien, die Ansprüche bei der Arbeit sind höher, da macht einem der Beruf Spaß." Natürlich ist auch die bessere Bezahlung ein Grund, der Verdienst in Ungarn reicht nicht, um seiner Tochter ein gutes Leben zu ermöglichen. "Aber leben möchte ich zu Hause."
 

"Eine große Chance"

Dass nicht mit einem "Ansturm" ungarischer Arbeitskräfte auf den österreichischen Arbeitsmarkt gerechnet werden muss, bestätigten auch der ungarische Botschafter Vince Szalay-Bobrovniczky und der ungarische Staatssekretär für Beschäftigung Sándor Czomba bei einer Konferenz zur Arbeitsmarktöffnung.
Das EU-weite Recht auf ArbeitnehmerInnenfreizügigkeit sei "wirtschaftlich und gesellschaftlich eine große Chance", betonte der Botschafter. Staatssekretär Czomba sieht in der endgültigen Öffnung des österreichischen Arbeitsmarktes in erster Linie ein "Symbol". Der Öffnung des Arbeitsmarktes für die BürgerInnen zahlreicher osteuropäischer Länder sehen die ÖsterreicherInnen scheinbar ziemlich ruhig entgegen. Nur acht Prozent der ÖsterreicherInnen haben Angst um ihren Arbeitsplatz, die große Mehrheit von fast 90 Prozent plagen aber keine Arbeitsplatzsorgen, geht aus einer Umfrage im Auftrag der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE) hervor. ÖGfE-Leiter Paul Schmidt fordert eine Entdramatisierung der öffentlichen Diskussion und meint, dass Panikmache daher fehl am Platz ist. Positiv werden in der Umfrage das Lohndumpinggesetz sowie verstärkte Kontrolle zur Bekämpfung illegaler Beschäftigung aufgenommen.
Chancen rechnen sich auch die Hälfte der österreichischen Jugendlichen bis 25 Jahre aus: Sie können sich vorstellen, in Tschechien, Ungarn und der Slowakei zu arbeiten. Einer nur einige Tage früher veröffentlichten IMAS-Umfrage zufolge, ist alles aber nicht so ganz in eitler Wonne und die ÖsterreicherInnen reagieren auf die Ostöffnung sehr skeptisch. Man weiß scheinbar bis in die höchsten Gremien eben nicht so ganz, was man zu erwarten hat.
 

"Sinnvolle Vorgangsweise"

Sozialminister Rudolf Hundstorfer ist aber optimistisch: "Die Vorgangsweise, die siebenjährige Übergangsregel gemeinsam mit den Deutschen voll auszunutzen, war schon sehr sinnvoll. Die Rechnung mit dem Sickerprozess ist voll aufgegangen." Wenn jetzt noch einmal 20.000 oder 25.000 kommen, ist das bei 3,3 Mio. Beschäftigten in einem eher bescheidenen Rahmen.
Ausländische Arbeitskräfte sind in Österreich in bestimmten Branchen stark vertreten, obwohl sie im Durchschnitt durchaus höher qualifiziert wären: im Pflege- und Reinigungsbereich, Bau, Gastronomie und Tourismus. Ein Teil des Tiroler Tourismus ist deutsch, des burgenländischen ungarisch und des Wiener slowakisch und polnisch, meint der Sozialminister, aber es werde leider oft vergessen, dass 200.000 ÖsterreicherInnen im EU-Ausland oder in der Schweiz arbeiten. Man müsse immer das Ganze sehen, West und Ost in Europa.
 

"Erfolgsgeschichte Mobilität"

"Die Mobilität der ArbeitnehmerInnen wird dann eine Erfolgsgeschichte bleiben", so Sozialminister Hundstorfer, "wenn wir rechtzeitig die richtigen Rahmenbedingungen schaffen und die Interessen der ArbeitnehmerInnen nicht den Interessen des Marktes geopfert werden." 

Internet:
ÖGfE-Umfrage:
tinyurl.com/3uohdlm
IMAS-Umfrage
www.imas.at/IMAS-Report/2011 
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